Den Wissenden doch schreckt auch nicht Der scharfe Schluß der Wahrheit: Daß wie der Wölkchen leichter Flaum Wir alle gehn vorüber.
Der starke Geist blickt heiter drein,
Bedenkt er, daß auf ewig, Berrinnend wie der Woge Schaum
Wir alle gehn vorüber.
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( Hermann Rollet.)
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vergebliches Bemühen und Verwantes, zn begleiten pflegen. Aber um die strenge, stumme, eherne Göttin Notwendigkeit spielen auch beredete, freundliche, anmutige Genien, welche dem Gemüt Trost spenden, das gepreßte Herz erleichtern, leichten Sinn und Heiterkeit in die Seele zaubern und die Wolken der Trübsal mit dem rosigen Schimmer der Hoffnung umsäumen. Ermahnt ihn die eine: Du tröste dich in allen Wehen , Gieb dich zur Ruh! Wenn jene nicht vorübergehen, So gehst doch du.
oder
( Hammer- Burgstall.)
Klage nicht, daß dir im Leben Ward vereitelt manches Hoffen, Hat, was du gefürchtet eben, Doch auch meist dich nicht betroffen.
( Rückert.)
Willst du dir ein hübsch Leben zimmern,
Mußt um's Vergangene dich nicht kümmern Und wäre dir auch was verloren, Mußt immer tun, wie neu geboren.
( Goethe*).
Eine dritte ruft ihm ermunternd zu:
Rosen auf den Weg gestreut Und des Harms vergessen!
Wir dürfen uns weiter nicht verhelen, daß das Illusorische der kirchlichen Ideen den Gläubigen selbst häufig genug sich aufdrängt und in jenen Zweifeln und Anfechtungen sich offenbart, so belehrt ihn die andere von denen die Geschichte der Heiligen und Nichtheiligen so viel zu erzälen weiß. Endlich aber darf nicht vergessen werden, daß die fraglichen Vorstellungen der Kirche sich häufig als eine Narkose karakterisiren, die sie den Kranken als Krücken, die sie den Schwachen gewärt. Nicht die Heilung der Kranken, nicht die Stärkung der Schwachen zu erzielen sind sie fähig. Und überdies sind es oft Krankheiten und Schwächen, die der Suprana turalismus selbst erzeugt hat. Wenn sich der Gläubige bei schlimmen Begegnissen mit der Erwägung tröstet:„ Was Gott tut, das ist wolgetan", so will er damit den Affekt beschwichtigen, der aus der Vorstellung einer planmäßig waltenden Vorsehung entspringt, die Aufregung, welche die Einbildung, es hätte nicht so geschehen müssen, es hätte anders werden können, erzeugt. Hätte er sich aber gewönt, überall den Gesichtspunkt der Kausalität festzuhalten, so würde er zwar immer das Schmerzliche seiner Lage empfinden und diese empfindet er auch troz des Spruches:" Was Gott tut 2c."- aber er wäre von dem schmerzlichen Affekt des Empörtseins über das Geschehene garnicht befallen worden und müßte nicht erst durch den angefürten Spruch oder ähnliche eine künstliche Resignation erzwingen. Das unan genehme Begegnis würde ihn ebensowenig veranlassen, mit dem Schicksal zu hadern, wie der Schmerz, den er empfindet, wenn er mutwillig den Finger in die Flamme streckt. Er würde es als etwas unabänderliches, Notwendiges hinnehmen.
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Aber wird man auf monistischem Standpunkt auch ebenso lebhaft hoffen, ebenso kräftig gegen das Unangenehme reagiren und aus schlimmen Verhältnissen sich herausarbeiten können, wenn man das Bewußtsein nicht hat, daß man auf eine schüzende, stärkende Allmacht zälen kann? Wir glauben, diese Frage nicht nur bejahen zu können, sondern wollen noch daran erinnern, daß häufig genug jenes vielgepriesene Vertrauen und Hoffen auf himlische Faktoren einen schädlichen Quietismus oder doch eine Schlaffheit der Selbsttätigkeit erzeugt. Man verläßt sich auf den Himmel, oder stellt sich wenigstens vor, alles sei von der Vorsehung voraus geordnet und der Mensch könne nichts oder wenig daran ändern; wie es z. B. sogar schon als Sünde bezeichnet wurde, sein Haus mit einem Blizableiter zu versehen, weil Gott , wenn er das Haus gegen den Bliz schüzen wolle, dasselbe one Blizableiter beschüzen werde. Oder man verlegt sich auf das Beten und andere fromme Uebungen, statt alle Kräfte des Geistes und des Körpers einzusezen.
Wir meinen, daß der Vers:„ Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wirds wol machen" vielleicht dem Gemüt auf Augenblicke mit süßer Hoffnung schmeicheln mag( wobei wiederum nicht übersehen werden darf, daß der Gläubige dabei immer im Zweifel ist, ob ihn auch der Grad seiner Frömmigkeit berechtigt, die göttliche Hülfe zu erwarten; da bekantlich kein Mensch auf Erden ist, der nur Gutes tue und nie sündige"), daß aber weit mehr Anregung zu kräftigem Aufraffen und vernünftiger Tätigkeit in dem goetheschen Vers liegt:
Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken, Weibisches Zagen, Aengstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Troz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.
In der konsequenten Betrachtung alles Geschehenen unter dem Gesichtspunkt der Kausalität wird der Monismus, wie bemerkt, gefeit sein gegen jene Aufregungen, welche schwere Schicksalsschläge aller Art, getäuschte Erwartungen, vereitelte Hoffnungen,
Eine kurze Spanne Zeit
Ist uns zugemessen.
Gebt den Harm und Grillenfang,
Gebet ihn den Winden!
Ruht bei frohem Becherklang
Unter grünen Linden!
Andere erinnern an die heilende Kraft der Zeit: Was verschmerzte nicht der Mensch! Vom Höchsten Wie vom Gemeinsten lernt er sich entwönen, Denn ihn besiegen die gewaltgen Stunden.
und versichern ihn, daß
( Hölty.)
( Schiller.)
Sieh, nicht wütet der Sturm durch sämmtliche Tage des Jares! Dir auch, glaube mir, wird lachen noch freundlicher Lenz**).
In der Tat quillt ein föstlicher Balsam aus dem Bewußtsein, daß das Schicksal rasch wie das Wetter wechselt und nach noch so trüben Tagen plözlich wieder heller Sonnenschein eintreffen kann an unserem Lebenshimmel.
Lust weckt Lust und Schmerz weckt Schmerzen, Nacht zeugt Dunkel, Licht zeugt Helle. Nimm dir nichts so sehr zu Herzen, Denn es wechselt wie die Welle.
Gesellt sich hiezu noch die Erwägung, daß
( Bodenstedt.)
Das Schlimmste wendet sich zum Besten oft; Ein tiefer Fall führt oft zu hohem Glück.
die Leiden dem Menschen häufig vorteilhaft sind, weil sie seine Kräfte herausfordern, seine Fähigkeiten entwickeln, indem sie ihn zum Widerstand reizen, in welchem Sinne der Vers angewendet werden kann:
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen, Er liebt sich bald die unbedingte Ruh, Drum giebt der Herr ihm den Gesellen zu
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. und daß auch dem Menschen im tiefsten Unglück noch vieles bleibt, woran er sein Herz erquiden kann: so wird auch der unphilosophische Kopf die Wucht der Leiden abschütteln und sich Heiterkeit einflößen können mit Sprüchen wie
Herz, mein Herz sei nicht beklommen Und ertrage dein Geschick: Neuer Frühling giebt zurück, Was der Winter dir genommen. Und wie viel ist dir geblieben Und wie schön ist noch die Welt, Und mein Herz, was dir gefällt, Alles, alles darfst du lieben.
*) Vgl. hiezu Horaz Od. III, 29.
( Heine***).
**) Ovid läßt diese Worte dem Evander von seiner Mutter zurufeu: ( Fast. I, 485-486.)
***) Die Dichtungen des Horaz sind besonders reich an solchen weisen prägnanten Sentenzen, die wie Tau das Gemüt erfrischen: Quid sit futurum, cras, fuge quaerere et Quem sors dierum cunque dabit lucro Appone
( Od. I, 9.)
oder:
Laetus in praesens animus quod ultra est, Oderit eurare, et amare lento.
Temperat risu. Nihil est ab omni
Parte beatum.
( Od. II, 16.)