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Poetische Aehrenlese.
Du rühmst die Zeit, in welcher deine Kaste
Genoß ein ruhig Glück?
Was aber, außer einer Puderquaste, Ließ jene goldne Zeit zurück?
Kann blos Vergangnes dein Gemüt ergözen, Nicht frische, warme Tat?
An einen Altra( 1831).
Was blickst du rückwärts nach den alten Gözen, Wie Julian, der Apostat?
Es fürt die Freiheit ihren goldnen Morgen Jm Stralenglanz herbei!
Im Finstern, sagst du, schlich sie lang verborgen: Das war die Schuld der Tyrannei!
Wer spräche laut, wenn's ein Despot verwehret, Der allen schließt den Mund?
Selbst Christi Wort, das alle Welt verehret, War lang nur ein geheimer Bund.
Nicht Böse blos verbergen ihre Taten, Auch Tugend hüllt sich ein:
Das Vaterland, auf offnem Markt verraten, Weint seine Träne ganz allein!
Den Herscher, sagst du, soll ein Zepter zieren,
Das unumschränkt befielt?
Als stünd ein Mensch er zwischen wilden Tieren, Nach denen seine Flinte zielt!
Du willst der Rede sezen ihre Schranke, Einkerkern Schrift und Wort? Umsonst! Es wälzt sich jeder Glutgedanke Bacchantisch und unsterblich fort!
Umsonst, Verstockter, tadelst du das Neue, Allmächtig herscht die Zeit:
Zwar eine schöne Tugend ist die Treue, Doch schöner ist Gerechtigkeit!
Und ist es neu, was einst der Weltgemeinde Freiheit verliehn und Glanz,
Vor jenem fünften Karl und seinem Feinde, Dem schnöden Unterdrücker Franz?
Und sollt' ich sterben einst wie Ulrich Hutten , Verlassen und allein,
Abziehn den Heuchlern will ich ihre Kutten: Nicht lohnt's der Mühe, schlecht zu sein!
August Graf v. Blaten- Hallermundt.
Ein seltenes Experiment.
Eine absichtlich herbeigefürte Dampftessel- Explosion im Dienste der Wissenschaft fand vor kurzem in Murnhall- Farm, am Monongahelfluß, 15 Kilometer oberhalb Pittsburg in der nordamerikanischen Union statt. Wie die„ Assecuranz" darüber berichtet, wurde das Experiment von einem Herrn Lawson von Pittsburg veranstaltet und entsprach in seinem Ausgange den Erwartungen vollkommen. Es kamen dabei dieselben Ofen- und Fundamentmauerungen, Speisungseinrichtungen und bombenfesten Gewölbe in Anwendung, welche einem ähnlichen Bersuche gedient hatten, den vor einigen Jaren Ingenieure der amerikanischen Regierung one Erfolg anstellten. Der Kessel des Herrn Lawson war von bestem Eisenblech gefertigt, hatte eine Länge von 1 Meter 83 Centimeter und einen Durchmesser von 76 Centimeter und war vor dem Experiment einer Wasserdruckprobe von 42 Atmosphären( 42 Kilogramm Druck pro 1 Quadratcentimeter Fläche) unterworfen worden; eine Spannung, die für Dampfkessel des gewönlichen Durchschnittes ungefär die Bruch beanspruchung darstellt. Der Kessel wurde mit dem Cylinder einer alten Schiffsmaschine durch ein Rohr von 5 Centimeter Durchmesser verbunden, de Zutritt des Dampfes zum Innern des Cylinders jedoch durch ein rschnell zu öffnendes Ventil so lange verhindert, bis man die beabsichtigte Spannung im Kessel erzeugt hatte. Der Plan, die Zersprengung des Kessels einzuleiten, ging dahin, den Dampf bei gehöriger Spannung aus dem Kessel schnell in den sehr weiten Cylinder expandiren zu lassen. Der dabei zu erwartende Stoß, die Reaktion desselben auf den Kessel und die bei der Expansion durch Entlastung der Wassermasse notwendig hervorgerufene plözliche Dampfbildung, was nach physikalischen Erfarungen die Gesamt Spannung der Dämpfe momentan um ein Bedeutendes steigern mußte, sollte die Explosion herbeifüren. Zur Heizung wurde u. a. Petroleum verwendet.
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Als der Dampfdruck nahezu 22 Atmosphären betrug, machte man den ersten Versuch. Der Dampf drang rasch in den Cylinder ein, one jedoch eine bemerkbare Wirkung zu erzeugen, außer einem Stoße, den die in den bombenfesten Gewölben Befindlichen deutlich warnamen. Der zweite Versuch fand bei einem Dampfdruck von etwas über 23 Atmosphären( 351 engl. Pfund pro 1 Quadratzoll engl.) statt. Der Kessel war zu dieser Zeit etwa zu dreiviertel mit Wasser gefüllt. Kaum war das Ventil gehoben und der Dampf in den Cylinder eingedrungen, so wurde wieder ein gelinder Stoß verspürt und auf denselben, folgte sofort ein lauter Knall. Alles war im Augenblick in dicken Dampf eingehüllt, von heißem Wasser aber war keine Spur mehr vorhanden; dasselbe ward in dem Augenblick, als es dem Kessel entwichen, vollständig in Dampf verwandelt. Unmittelbar darauf begann ein warer Plazregen von kondensirtem Dampf, gemengt mit Bruchstücken von Eisen, Backsteinen, Dampfrören und andern Trümmern. Der Kessel und die Kesselmauerung war spurlos verschwunden, der erstere war nicht an einer einzigen Stelle zerplazt, sondern buchstäblich in Stücke
zerrissen worden. Eines der größten Stücke, ungefär 45 Centimeter lang und 30 Centimeter breit, war auf beinahe 1 Kilometer Entfernung fortgeschleudert worden. Einer der beiden Kesselböden wurde zirka 800 Meter von der Versuchsstätte aufgefunden. Den andern Boden hat man, wie es scheint, gar nicht wieder entdeckt.
Mancher Leser wird vielleicht bei der Bezeichnung, absichtlich her beigefürte Kesselexplosion" gedacht haben: Nun, das ist doch weiter nichts! Man feuert einen Kessel einfach so lange, bis er zerplazt." Eine solche Explosion hätte allerdings kaum einen weiteren wissenschaftlichen Wert, als den einer Festigkeitsprobe, welche man mittels Wasserdruckes viel billiger haben kann. Darauf war es aber hier nicht abgesehen. Es handelte sich vielmehr darum, eine Explosion mit denjenigen Mitteln zu veranstalten, die im wirklichen, bekautlich nicht auf Bersprengen der Kessel berechneten, Betriebe vorkommen, insbesondere also, one den Kesseldruck bis zur Bruchbeanspruchung zu steigern, ja noch möglichst tief unter der eigentlichen Bruchgrenze zu bleiben was auch gelungen ist.
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Man erinnert sich bei Betrachtung dieses Versuchsresultates des Faktums, daß auffallend viel Kesselexplosionen bald nach Betriebspausen bei Wiederaufnahme des Betriebes eingetreten sind, und in der Tat läßt sich eine Aehnlichkeit in der Ursache und Wirkung bei dieser beabsichtigten Explosion und jenen unbeabsichtigten leicht erkennen. Die ja nach Umständen lebhafte Bewegung, in welche der gespante Dampf in Dampffesseln bei plözlicher Dampfentname gerät, ist nur graduell verschieden von der bei gedachtem Experiment hervorgerufenen plözlichen Dampfschwankung, bezw. Oscillation der Dampfmassen.
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Die Zertrümmerung der Kesselwandung erscheint indessen noch nicht völlig erklärlich, sobald man die durch momentane Druckentlastung des Wassers die Nachwirkung des Saugens der pfeilschnell entweichenden Dampfmassen verursachte Bildung neuer Dämpfe nicht genügend berücksichtigt. Es ist wol anzunehmen, daß nur das Zusammen wirken dieser neuentstandenen Dämpfe mit dem Rückstoß der anfäng lich fortgerissenen jenen hohen Druck, wenn auch nur auf einen einzigen Moment, erzeugen kann, der die Wände zu zerreißen imstande ist.
Ein sehr wichtiges Resultat jenes Versuches ist auch die Feststellung, daß sich das heiße Wasser( Temperatur desselben bei der Explosion war ungefär 220 Grad Celsius) nach dem Freiwerden sofort in Dampf verwandelte. Es gibt in Deutschland noch heute Professoren, welche die Möglichkeit gänzlicher Umwandlung einer über den gewönlichen Siede punkt erhizten Wassermenge in Dampf bei Verminderung des Druckes auf eine Atmosphäre in Abrede stellen, obwol bisher noch fast alle Kesselexplosionen durch das Verschwinden des Wassers dagegen ge sprochen haben. Demgegenüber würde dieses Experiment in der be obachteten Erscheinung einen neuen Beitrag zu dem Beweise des Sazes liefern, daß der menschliche Verstand auch der der Professoren nur gar zu leicht auf Ferwege geraten kann, wenn er sich nicht Schritt für Schritt leiten läßt durch die Erfarung.
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P. K.