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schwer, so war es doch keineswegs unmöglich. Und der Konsi storialrat dachte zunächst gar nicht daran, sich wegen der Mittel den Kopf zu zerbrechen- erst galt es ihm, den Plan im gro­ßen und ganzen zu entwerfen.

Was den fortschrittlichen Elementen des buchenfelser Wal­freises hauptsächlich fehlte, war, wie der Rechtsanwalt weiter be­richtete, ein geeigneter Kandidat.

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Der Konsistorialrat wußte sogleich zu helfen. Ein rede­gewanter, vielbeliebter Hauptlehrer, Namens Jänisch- war sicherlich der geeignete Mann. Im Jare 1848 hatte derselbe als Student an der politischen Bewegung Anteil genommen, one sich jedoch so zu kompromittiren, daß ihm in der Reaktionszeit hätte der Prozeß gemacht werden können. Dennoch hatte man es ver­standen, ihm den Staatsdienst an höheren Unterrichtsanstalten, zu dem er sich auf der Universität vorbereitet, gründlich zu ver­leiden.

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Lange Jare hatte der Mann als Zeitungsschreiber ein küm­merliches Leben gefürt, endlich in der sogenanten neuen Aera hatte ihn eine Kommunalverwaltung wieder zu Gnaden auf­nehmen und ihm ein Lehramt in der Volksschule übertragen können, nachdem er sich noch dem dazu nötigen Examen unter­zogen hatte. Aus dieser Stelle war Jänisch in die erste Lehrer­stelle der Elementarschule in Buchenfels berufen worden, die ihm den Titel Hauptlehrer und ein leidliches Gehalt brachte.

Der Hauptlehrer Jänisch war, wie der Konsistorialrat wußte, seine freisinnigen Neigungen und die Lust am öffentlichen Leben nicht losgeworden und hatte sie öfter zutage treten lassen, als seiner onehin spät angetretenen Carrière gut war.

Kam ihm von obenher ein Wink, daß er auf seine alten Tage ungestraft noch einmal von der kostbaren Frucht selbständiger politischer Tätigkeit naschen dürfe, one sich um Amt und Brot zu bringen, so ergriff er die günstige Gelegenheit gewißlich mit beiden Händen.

Wie

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Für diesen Wink von oben konte der Konsistorialrat sorgen. darüber gab er seinem weidlich schmausenden und pofu­lirenden Gaste keinen Bescheid. Er hätte von seinem mächtigen Seelsorgereinflusse bei den Damen sprechen müssen, der sich bis auf die Gattin des Regirungspräsidenten und die alte Schwester des unverheirateten Oberpräsidenten erstreckte. Insbesondere die leztere Dame genoß eines zwar verborgenen, aber vorwiegenden Einflusses. Sie sollte sich einst der leidenschaftlichen Neigung einer sehr hohen Person am Hofe erfreut haben, und weil der Gegenstand ihrer Liebe zu dauernder Verbindung für sie, die Angehörige des niederen Adels, nicht erreichbar gewesen, sich nicht vermält haben. Man munkelte, daß der jezige Oberpräsi­dent sein rasches Avancement wenigstens zum Teile den Gefülen zu danken hätte, welche die Schönheit seiner Schwester an ein­flußreicher Stelle entfacht hatte, und daß daraus auch die Her­schaft zu erklären sei, welche sie über ihn stets ausgeübt hatte. Sei dem nun, wie ihm wolle, soviel stand fest, wenn der Konsistorialrat vor beiden erwänten Damen das Lob des alten Hauptlehrers Jänisch erschallen ließ und beiläufig bemerkte, der alte ehrenwerte Miann habe die kleine Schwäche, eine politische Rolle spielen zu wollen, und zwar als Mitglied einer höchst ungefärlichen Opposition, worin man einen so verdienten Beamten in christlicher Wilde und Nächstenliebe am besten nicht störe, so fonte Jänisch ganz one Zweifel sich zehnmal als Kandidat der Fortschrittspartei aufstellen lassen, one daß ihm jezt, zu einer Zeit, in der selbst die Regirung auf verschiedenen Gebieten des öffent lichen Lebens liberale Anwandlungen zeigte, auch nur ein Härchen

gefrümt würde.

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War man in den höheren Sphären der Provinzialregirung so auf das politische Auftreten des Hauptlehrers vorbereitet, so fonte ihm in dem kaufmännischen Klub in der allerunverfäng­lichsten Weise ein Wink gegeben werden, der ihn der aufkeimenden fortschrittlichen Bewegung in die Arme zu treiben geeignet war. Sehr bequem ließ sich das machen bei Gelegenheit des Kom­merses, welchen die Verbindung Suevia in den allernächsten Tagen im buchenfelser Kreise abhalten wollte. Die Anläufe und den guten Willen zu politischer Tätigkeit, wie ihn die burschikosen Sueven neuerlich betätigten, waren dem Konsistorialrat keines­- stets hatte er sich von seinem Pflegesohne Bericht erstatten lassen und war nicht zum kleinsten Teile daran schuld, daß dieser, über die politische Toleranz seines hochkonser­vativen Erziehers entzückt, sich der liberalen Strömung, welcher die reformirte Burschenschaft folgte, nicht entgegengestemt hatte. Nun war dem Konsistorialrat auch bekant, daß der Haupt­

wegs entgangen

lehrer Jänisch alter Herr der Burschenschaft aus deren politisch­radikaler Zeit war, und daraus durfte er schließen, daß dieser die Reform der Verbindung mit günstigen Augen betrachten und, wenn man ihn dazu aufforderte, nicht versagen würde, an dem ersten solennen Kommerse der verjüngten Burschenschaft teilzu­nehmen.

Dabei mußte der Mann dann, wenn anders es noch notwendig sein sollte, vollends zur Annahme der Kandidatur bewogen werden. Soweit war der Konsistorialrat mit seinen Plänen im reinen, und er hätte die Unterhaltung mit den Rechtsanwalt leicht be­enden können, wenn ihm derselbe nicht grade als Werkzeug in privater Angelegenheit besonders willkommen gewesen wäre.

Anscheinend blieb der geistliche Herr völlig beim Tema, indem er auf Specht zu sprechen kam, der ihm als politischer Ver­trauensmann wol verwendbar erschien.

Allmälich ging er aber auf die privaten Verhältnisse des Spekulanten über, von denen der Rechtsanwalt viel zu erzälen wußte.

Nachdem der Konsistorialrat alles erfaren hatte, was ihn zu wissen interessirte, u. a. auch in welchen Verhältnissen er zu Gabriel Haßler sowol, als zu Franz Stein stände, von dessen hauptsächlich geschäftlichen Beziehungen zu Specht er sich übrigens schon auf anderm Wege Kunde verschafft hatte, kam er wieder auf den ursprünglichen Gegenstand der Unterhaltung zurück.

Specht habe Einfluß auf einen nicht unbeträchlichen Teil der liberal gesinten Kaufmannschaft- und müsse deshalb in der Walangelegenheit benüzt werden. Specht werde sich ja jedenfalls zu allem gebrauchen lassen, wenn ihm reelle Vorteile in Aussicht gestellt würden. Er, der Konsistorialrat, habe eine ganz bestimte Art der Benüzung Spechts im Auge, zu der der Rechtsanwalt ihn gewinnen möge. Wenn dieser mit ihm einverstanden sei, so könne er bald morgen z. B. mit Specht fonferiren und diesen zu seiner Aufgabe präpariren. Dem Juristen kam die Sache zwar etwas sonderbar vor, aber er dachte nicht daran, seinen liebenswürdigen Wirt davon etwas merken zu lassen. Biel­mehr erklärte er sich, wie in allen übrigen Dingen, auch darin mit ihm völlig einverstanden und bereit, zu tun wie jener wünsche.

Er träfe des Abends Specht fast immer in der Weinhandlung von Hübner und Sohn, da werde er ihn schon entsprechend be­arbeiten, wenn der Konsistorialrat nur die Güte hätte, ihm genau anzugeben, welche Tätigkeit er dem Specht zugedacht habe.

Bezüglich dieses lezteren Punktes wollte aber der Konsistorial­rat nicht recht mit der Sprache heraus. Er erwarte heute noch Mitteilungen, welche geeignet seien, seine Entschließungen nach dieser Richtung hin zu modifiziren; am besten sei es, wenn der Rechtsanwalt morgen Nachmittags, um 3 Uhr etwa, seinen Besuch zu wiederholen die Freundlichkeit habe, dann werde er schlüssig sein. Darauf könte lezterer ja etwa auf fünf Uhr Specht zu einer Konferenz in des Rechtsanwalts Bureau berufen er halte es für gut, daß die Angelegenheit offiziell und one Rückhalt be­sprochen werde und die Unterhaltung das ihr gebürende Gewicht erhalte, was bei einem gelegentlichen Gespräche in einem öffent­lichen Lokale nicht leicht geschehen könne. Und damit so schleunig als möglich gehandelt werden könne, möge der Rechtsanwalt dann desselbigen Abends noch zu einem kleinen Souper unter vier Augen bei ihm vorsprechen, bei dem dann die gesamten auf die poli­tischen Angelegenheiten bezüglichen Maßnamen endgültig zwischen ihnen ausgemacht werden könten.

Der allen Vorkommissen des gewönlichen Lebens gegenüber äußerlich immer unbewegte Jurist mußte sich diesmal Mühe geben, weder verwundert noch neugierig dreinzuschauen.

Einem harmlosen Menschen wären die Auseinandersezungen und Vorschläge des Konsistorialrats warscheinlich gleichfalls harm­

los erschienen, aber der Rechtsanwalt war nichts weniger als ein harmloser Mensch, im Gegenteil er war einer von den Talleyrands des gewönlichen Lebens, welche die Sprache, wie der berüchtigte" große" Diplomat, viel lieber zur Mastirung als zum Ausdruck ihrer Gedanken gebrauchen und stets nach links schauen, wenn sie nach rechts hauen wollen.

Er war also nicht im mindesten zweifelhaft, daß der Konsi­storialrat etwas ganz anderes mit Specht vorhabe, als er soeben mitzuteilen für gut befunden und daß er ferner ein besonderes Interesse daran haben mußte, den Spekulanten morgen um fünf ihr zu beschäftigen, also von irgendwo fern oder von irgend

etwas abzuhalten.

Ihm dabei behülflich zu sein, war er gern bereit, er war