jeder gewachsen wäre, und wenn durch den Berufswechsel der Uebelstand selbst, gegen den man angeblich ankämpft, der Wucher, auch nicht im mindesten gehoben wird.

Man komme uns nicht mit der an sich ehrenhaften christ­lichen Gesellschaft." Nicht in der Konfession liegt das Uebel, sondern in den wirtschaftlichen Verhältnissen, wie in dem Bildungs­zustand des Geistes der Gesellschaft, die mächtiger sind als alle Einwirkung der Religion und der sie verkündenden Kirchen. Im Handels- und gewerblichen Verkehr der Christen ist ebenso wie im jüdischen die Ehrlichkeit nicht immer oder gar selten zu finden, das wird jeder Unbefangene zugeben.

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Kosaken. Diese wüteten in erbarmungsloser Barbarei; zwanzig­tausend, vielleicht dreißigtausend Juden, Männer, Frauen, Greise und Kinder wurden umgebracht und fielen dem religiösen Fana­tismus und politischen Rücksichten zum Opfer. Die Kojaken zogen verheerend mit Mord und Brand durch das Land, sie ließen keine Stadt, keinen Ort verschont, wo Juden sich niedergelassen hatten, und nichts Jüdisches und den Juden Gehörendes entging der Vernichtung.

Das war etwa um 1650, noch in den Frülingstagen des zur russischen Staatskirche erhobenen griechischen Christentums. Die Polen nahmen sich ihrer Angehörigen an, sie fürten Kriegs­Bei Beurteilung der Berusswal der Juden ist wol der all- züge gegen die barbarischen Nachbarn und fügten ihnen vielen gemeine Saz festzuhalten, daß niemand freiwillig ein elendes, Schaden zu. In der jüdischen Geschichte aber hat sich die Erin­verächtliches Gewerbe erwält, wenn irgend eine Möglichkeit sich nerung an diese entsezliche Schlächterei unter dem Namen bietet, eine anständigere und auskömlichere Existenz zu erlangen. ,, Geseress Tach"- die Gottesstrafe vom Jare 408- bis Die Juden werden ebensowenig wie die Christen zögern, das auf heute verewigt. niedrige Gewerbe mit dem höheren zu vertauschen, wenn dies im Bereiche der Möglichkeit liegt. Diese Möglichkeit ist aber nur in den allerseltensten Fällen gegeben, und meist muß der christ­liche und jüdische Handwerker in dem Berufe, der ihm selber durch seine Einseitigkeit und Unfruchtbarkeit zur Qual wird, um­kommen, da die Gelegenheit zur Rettung nirgends sich bietet. Man hat aus unseren Balen ersehen, wie groß der Einfluß der Emanzipation auf die Juden gewesen ist, wie sich ein ge­waltiger Strom von ihnen den Berufszweigen zugewendet hat, die ihnen bisher verschlossen geblieben waren. So wird es auch in Zukunft weiter gehen, doch gebe man sich keinen Illusionen hin, die armen Juden werden ebensowenig wie die reichen ver­schwinden und die Ehrlosigkeit wird noch lange vergeblich in unserem Verkehre zu suchen sein, wenn dieser selbst nicht eine ehrlichere Organisation erhält.

Nun, wie mit den Juden in Preußen so verhält es sich auch mit den Juden in Rußland und Polen . Freilich, wenn man sich die Geschichte der Judenverfolgungen in Rußland ver­gegenwärtigt, dann könte man meinen, die Juden dort seien nur Schnapshändler, Schacherer, Schmuggler und Erzwucherer, ein völlig unbrauchbares Voltselement in der russischen Gesellschaft, dessen Ausstoßung je früher je besser zu erfolgen hätte.

Die Dinge liegen aber doch wesentlich anders als die fana­tischen Gegner der Juden sie hinstellen. Die Juden sind in den Gebieten, die ihnen erschlossen sind, der Bevölkerung alles. Jedes nur denkbare Handwerk wird von ihnen getrieben; sie sind Schuh­ macher und Schneider, Tischler, Drechsler, Schlosser und Schmiede. Sie betreiben Mühlen, Fabriken aller Art, sie sind Schornstein­feger, Straßenreiniger, Furleute, Maler, furz alles, was das Bedürfnis der Bevölkerung erfordert. Es gibt keinen Beruf, kein Gewerbe, das ihnen zu niedrig, zu schlecht wäre. Sie ergreifen mit unermüdlichem Fleiße jede Beschäftigung, von der sie hoffen, daß sie die Erhaltung ihrer Existenz ermöglicht, und vor keiner derselben schrecken sie zurück, sie mag noch so mühselig und ver­ächtlich sein.

Und doch hat man die Juden aus Großrußland vertrieben, schreckliche Verfolgungen gegen sie in Szene gesezt! Das gibt zu denken und könte zu der Anname verleiten, fie seien im Grunde genommen doch nur ein Abschaum der Menschheit und sie verdienten die Behandlung, die sie gefunden haben.

Es illustrirt dieses Ereignis die Stellung der Juden unter der Herschaft des griechischen Christentums überhaupt und damit auch im eigentlichen Rußland selbst. Man weiß, daß die Aus­treibungen der Juden aus Groß- Rußland in der ersten Hälfte des vorigen Jarhunderts ihren Anfang namen. Zu verwundern. bleibt, daß bei der feindseligen Haltung der griechischen Kirche gegenüber dem Judentum diese Austreibungen so lange auf sich warten ließen; Verfolgungen allerlei Art sind ihnen allerdings vorausgegangen, alle jedoch hatten sie in religiösen Hezereien oder in dem Umstande ihren Ursprung gehabt, daß die Juden als Polen aufgefaßt wurden. Wärend das griechische Christentum den Juden den unversöhnlichsten Haß entgegentrug, regten sich gegen sie im katolischen Polen viele Jarhunderte hindurch keinerlei Feindseligkeiten. Die Polen waren intelligenter und edler und bei ihnen konte die christliche Kirche nur sehr schwer zu einer dominirenden Stellung gelangen. Unsere Leser wissen, daß es Zeiten gegeben hat, in denen es in Polen anders mit den Juden bestellt gewesen ist als heute, daß sie sonnige, freundliche Tage im Osten Europas erlebt, wo sie in der Gesellschaft eine hoch­geachtete Stellung einnahmen, gleichberechtigte Volksgenossen, Menschen unter Menschen, Bürger unter Bürgern waren.

In Nord und Süd, im Osten und Westen des damals mach­tigen Polens hatte der Name der Juden einen guten Klang. Das im Westen Europas zu Tode gehezte Wild fanatisirter christlicher Priester, der verachtete, tief herabgewürdigte und in den Staub getretene jüdische Paria galt bei den gastfreundlichen Slaven, welche den Wert eines Menschen nicht nach seiner Kon fession sondern nach seinem gesellschaftlichen Nuzen bemaßen, als Kulturträger, als Vertreter der Intelligenz. Die Juden erwiesen sich damals gleich wertvoll auf dem Gebiete des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft und der Wissenschaft. Sie galten als tüchtige und durchaus zuverlässige Beamte, denen unbedingt zu trauen war.

" Man findet noch in diesen Provinzen( Rußland und Polen ), sagt Gratiani im Leben des Cardinal Commendon" II. Bd. 15, eine Menge Juden, die nicht verachtet werden, wie in andern Ländern. Sie leben dort nicht elend von dem schmälichen Profit des Wuchers und ihrer Gelegenheitsdienste, obwol sie auf diese Art von Gewinn nicht verzichten, sie bejizen Grund und Boden, widmen sich dem Handel, ja selbst den Wis senschaften, insbesondere der Medizin und Astrologie. Sie haben fast überall das Amt, die Eingangs- und Durch fuhrzölle zu erheben. Sie befizen beträchtliches Vermögen und stehen nicht nur im Range ehrenwerter Leute, sondern ges bieten solchen sogar zuweilen. Sie haben keine Zeichen, das sie zu tragen und bewaffnet zu gehen; furz sie genießen alle von den Christen unterscheidet; es ist ihnen sogar erlaubt, Degen Rechte der übrigen Statsbürger."

Es sind blutgetränkte Blätter, die uns die Schicksale der russisch- polnischen Juden erzälen, und die wir aufschlagen wollen, um dieser Meinung entgegen zu treten. Sie beginnen in freund lichen, lebensfrischen Farben und schildern uns die Juden Jar­hunderte hindurch als fleißige geachtete Bürger, die ihrem Lande von größtem Nuzen sind. Dann kommen die religiösen Ver­folgungen, die im Herschaftsgebiete des russisch- griechischen Christen­tums mit der graufigen unmanschen Schlächterei ihren Anfang namen, die nach der polnischen Stadt Unman in der japarogschen Kosaken- Republik Sitsch ihren Namen erhielt. Der Schlag, welcher hier gegen die Juden gefürt wurde, kam nicht ganz un­vorbereitet. Schon vorher war es öfter zu Reibungen zwischen den als Polen noch speziell verhaßten Juden und den mos- legien ausgestattet," bevölkerten auf allen Puntten die unermeß towitisch gesinnten, griechisch- katolischen Kosaken gekommen. Am schrecklichsten jedoch äußerte sich der von den griechisch- christlichen Brieſtern emsig genärte und gesteigerte Antagonismus zwischen Kosaken und Juden zur Zeit Kasimirs des Großen und zwar in dem genanten furchtbaren Massenmorde der Juden durch die

Tegenheit einer kritischen Betrachtung der polnischen Adelsrepublik Das ist ein unverdächtiges Zeugniß, an das Lelewel bei Ge erinnert. Er selbst bemerkt, die besseren Zeiten dieser Republik im Auge habend:" Die talmudistischen Juden, reich mit Privi

ihre Industrie lebten sie troz einiger Blackereien, denen sie liche Ausdehnung der Republik ; stolz auf ihre Spekulationen und terworfen waren, in Wolhabenheit und betrachteten Polen als ihr irdisches Paradies."

( Fortsezung folgt.)