Sancho Pansa und Don Quixote. ( Jllustr. S. 273.) Don Quixote und Sancho Pansa müßte es eigentlich heißen, wenn man den, solange es Ritter und Stallmeister gibt, geltenden Gesezen von der Herschaft der ersteren über die lezteren gerecht werden will. Aber zwischen den beiden von der Phantasie eines genialen Dichters geschaffenen Figuren wird einem die Wal schwer, wenn es sich darum handelt, einem den Vorrang zu geben. Beide sind in ihrer Art großartige Gestaltungen, die ihren Beobachtern Interesse abgewinnen werden, solange es Menschen gibt, die sich nicht über die schale Prosa des materialistischen Lebens zu erheben vermögen oder unter Nichtachtung des realen Seins in den phantastischen höheren" Regionen ihre geistige Existenz füren und das heißt wol, solange als es überhaupt Menschen geben wird. Man sehe sich die beiden Helden auf unserem Bilde nur da hinten rechts im Lehnstule der Edle aus der Mancha, die ,, Blume der irrenden Ritterschaft", Don Quixote ( sprich: Don Kichote ), ,, der Ritter von der traurigen Gestalt" und vorn neben ihm, uns die Kehrseite seines stallmeisterlichen Ichs zeigend, der nicht minder berühmte Sancho( sprich: Santscho), der durch Haltung und Körpergestaltung uns sowol physisch wie geistig als der Gegensaz zu seinem edlen Herrn vor Augen tritt.
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Beide sind auf ihren abenteuerlichen Farten an den Hof eines Herzogs gekommen, wo ihre Streiche bereits durch den ersten Band des unsterblichen Werkes, das sie erzält, bekant waren, und wo man sich darauf freut, zu erfaren, ob der Chronist die Warheit gesprochen, und deshalb die erfolgreichsten Experimente anstellt. Eben gibt Sancho unter einer Flut von begleitenden, dem Sinn nach bunt unter einander gemischten Sprüchwörtern verschiedene Auskünfte, wärend sein Herr in Angst ist wegen der Dumheiten, welche ersterer begehen wird; der Herzog und seine Gemalin spielen mit erkünfteltem Ernst eifrige Zuhörer, das übrige weibliche Element im Auditorium tichert, flüstert, zupft und rupft sich, nach echter Weiberart entzückt über die Situation
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nur der feiste Pfaff im Hintergrunde blickt entrüstet zu den beiden herüber und, indem er durch gewissenhaftes befestigen der Serviette die sorgfältigsten Vorbereitungen zu seiner liebsten irdischen Tätigkeit trifft, steigt ihm die Galle ins Blut", so daß er entrüstet die ihm sonst eben wegen der Genüsse so werten Räume, dieweil sie von den Abenteurern seiner Meinung nach entweiht wurden, verlassen muß. Aber diese von der Entrüstung veranlaßte Flucht schafft durchaus kein Hindernis, im Gegenteil ist es wol die Beseitigung des lezten, das alle die ebenso ergözlichen wie belehrenden Handlungen, welche das Par aus der Mancha an dieser Stätte verübt, verhüten tönte. Der Mann, dem die Menschheit diese Perle der Dichtkunst verdankt, Miguel de Cervantes Saavedra , wurde am 8. oder 9. Oktober 1547 zn Alcala de Henares geboren. Seine wenig bemittelten Eltern gaben ihm jedoch eine gute Erziehung und zwar zunächst in seinem Heimatsort, später in Madrid und Salamanka , in welch lezterem Drie er die berühmte Universität bezog. Auf der Schule zeichnete er sich schon durch seine Wißbegierde wie durch sein dichterisches Talent aus. Doch sind die von ihm in dieser Zeit gedichteten Sachen verloren gegangen. Aber seine materiell dürftige Lage zwang den jungen Poeten, sich nach einer brotbringenden Stellung umzusehen und so trat er denn in die Dienste des päpstlichen Legaten Aquaviva und begleitete diesen durch Catalonien und die Provence nach Rom . 1571 war er aber bereits wieder als Soldat in die spanische Armee eingetreten und machte am 7. Oktober des genanten Jares, fieberkrank, die berühmte Seeschlacht bei Lepanto mit, an der er sich derart beteiligte, daß er zwei Kugeln in die Brust und eine in die linke Hand erhielt, wodurch er diese und ein Stück des Armes einbüßte. 1575 nam er seinen Abschied, erhielt von seinen Vorgesezten die ehrendsten Empfelungsbrife an Philipp II. , die aber schließlich insofern für ihn verhängnisvoll wurden, als die algerischen Korsaren, welche ihn nebst dem Schiffe, das ihn von Neapel nach Spanien bringen sollte, wegnamen, ihn für eine sehr wichtige Persönlichkeit hielten und ein großes Lösegeld zu erschwingen hofften. Sintemalen aber er und seine Angehörigen arme Schlucker waren, so hatte es mit dem Lösegeld gute Weile, er mußte im Gegenteil eine fünfjärige harte Gefangenschaft dulden, aus der er sich auch nicht durch mehrere Befreiungsversuche erretten fonte. In einer seinem Don Quixote einberleibten Novelle sind die Erlebnisse seiner Gefangenschaft, allerdings dichterisch gestaltet, wiedergegeben. Erst 1580 erhielt er durch Loskauf seine Freiheit wieder. So sehr er sich über die Wiedergewinnung dieses edlen Gutes auch freute, lange fonte er sie doch nicht ungeschmälert genießen, indem er durch seine und seiner Familie dürftigen Verhältnisse gezwungen wurde, nochmals Soldat zu werden und eine weitere militärische Expedition, die nach Lissabon und gegen die azorischen Inseln, mitzumachen. Ende 1584 entsagte er jedoch der Soldatenlaufbahn und berheiratete sich mit einem treuen und liebevollen Weibe. Um ihr und sich den Lebensunterholt zu schaffen, schrieb er jezt Schauspiele, die aber fast alle verloren gegangen sind. Auch haben sie ihm wol nicht die gewünschten und nötigen Einkünfte gebracht, denn er ging bald nach Sevilla , wo er als Beamter am Steueramt ein spärliches Einkommen erhielt. Wie die meisten Genies, so begleitete ihn jedoch der Mangel und die Sorge um die leibliche Existenz von der Geburt bis zu seinem Tode, der am 23. April 1616 erfolgte. Von seinen zalreichen Dichtungen nimt sein Don Quixote nicht nur den ersten Rang ein, er hat auch seinen Weltruf begründet und wird seinen Namen solange mit Ruhm bekränzen, als es Menschen und eine menschliche Sprache gibt. Schon beim Tode des Dichters waren was damals unerhört
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davon an 30 000 Exemplare verkauft, das Buch wurde in alle Sprachen übersezt und ist so zum Gemeingut der gesamten Menschheit geworden. Als Cervantes seinen Don Quixote begann, hatte er wol nur die Absicht, damit die tolle Ritterromantik, welche in den riesigen Massen von Romanen spukte und sich von da in die Köpfe der Menschen fortpflanzte, zu verspotten und zu bekämpfen. Aber indem er den gleichfalls durch diese. Lektüre närrisch gewordenen und nun nur noch für die irrende Ritterschaft schwärmenden Don Quixote seine Rozinante satteln und seine edle Dulzinea von Tobose erfinden ließ, da gewannen die Hauptfiguren unter seinen schöpferischen Händen solche Kraft und solches Leben, daß sie für ewige Zeiten zum Typus und zum Gattungsbegriff werden konten. Man lacht gewiß, wenn man nur die Schilderung der beiden Helden liest und unsere Heiterkeit wird noch mehr erregt, wenn wir sehen, wie der farende Ritter jede gemeine Schenke für ein Kastell und ganz gewönliche Frauenzimmer für Ritterfräuleins ansieht, wie er den Kampf mit den Windmülen in der Meinung, es seien Riesen oder mit einer Herde Schafe aufnimmt in dem festen Glauben, er bekämpfe die gefärlichsten feindlichen Heere, und wenn er, der die Schwachen und Hilflosen unterstüzen will, deren Uebel meist noch schlimmer macht oder wenn er die Galeerensträflinge befreit, dafür von der Polizei verfolgt und von den Strolchen gemißhandelt und bestolen wird; ebenso komisch wirkten auch die Szenen, wie die in der Nacht, wo das Gepolter der Walkmüle den ganzen Mut des Ritters und die Höllenangst Sanchos herausfordert und viele andere mehr. Betrachtet man aber die mannigfachen Reden Don Quixotes und bemerkt, wie in der phantastischen Hülle ein halbwegs vernünftiger Kerl steckt, der nur längst abgestorbenes erhalten und auffrischen will, dabei aber stets mit der davon nichts mehr wissen wollenden Mitwelt in Konflikt gerät, so gewint dieser Roman tiefere Bedeutung. Der Held wird dadurch nicht nur der Repräsentant der von romantisch überspanter Lektüre konfus und an ihrem wirklichen Beruf irre gewordenen Menschheit, er wird zum Typus einer gewissen Menschengattung, die stets gelebt hat und ihren Beruf darin sieht, sich dem neu aufstrebenden Menschengeist mit altem Formeltram entgegenzustellen. Jede Uebergangszeit, in welcher alte und neue Anschauungen in Konflikt geraten, jeder geschichtliche Gärungsprozeß, in welchem Anhänger und Berfechter veralteter Lebensformen und Gedankenkreise sich der überwältigenden Macht des Neuen entgegenstemmen und die Vorstellungen, Sitten und Gewonheiten der Vergangenheit in der veränderten Gegenwart festzuhalten suchen, liefert ähnliche Erscheinungen."( Dr. Georg Weber in seiner ,, Allgem. Weltgeschichte" über denselben Gegenstand.) Zu den Figuren, die als Begriffswesen die Menschheit durch die Jarhunderte geleiten, gehört auch der Don Quixote . Und nun neme man dazu den trocken- sinnlichen Stallknecht Sancho Pansa mit seinem liebsten Gefärten, dem Esel, seinem Schlauch und Schnapssack, der nur von der Insel träumt, auf der er als Statthalter zum Lohn für seine der irrenden Ritterschaft geleisteten Dienste seine Tage beschließen soll. Wie prosaisch und nüchtern ist dieser und wie oft warnt er nicht seinen Herrn vor unüberlegten Streichen, bei welcher Gelegenheit er dann seine Weisheit in der Form von Sprüchwörtern bündelweis vor ihm ausschüttet. Bald hält er in seiner einfachen Denkungsart seinen Herrn für komplet närrisch, bald, wenn dieser seine guten Lehren über Tugend, Frömmigkeit und gute Sitten erteilt, schaut er mit Bewunderung zu ihm auf und empfielt ihm dann, seine Ritterschaft mit der Kanzel zu vertauschen. In Anschauungen, Ton und Sprache hat der Dichter in Sancho das nüchterne praktische Volk dem Don Quixote entgegengestellt. Das zeigt uns auch unser Bild recht scharf. Wir unterlassen es daher auch hier, ausfürlicher darauf einzugehen und empfelen unsern Lesern die sehr ergözliche Geschichte des Edlen von La Mancha selbst nachzulesen, sie ist in jeder Bibliotek zu haben und auch in den Volksausgaben der Klassiker für sehr niedrigen Preis käuflich. Der Maler aber, der mit Farbe und Pinsel dem Cervantes sein unsterbliches Werk nachgedichtet, heißt William Power Frith und ist, wie der Name schon sagt, ein Engländer. Er ist einer der ersten und populärsten Genremaler seines Heimatslandes, wurde 1819 zu Studley bei Ripon ( Yorkshire ) geboren und in London auf der Akademie ausgebildet. Nam er anfangs seine Stoffe nur aus englischen Dichtern, so später auch aus französischen und wie Figura zeigt aus spanischen; später behandelte er aber mit Vorliebe Szenen aus dem englischen Leben der niederen und höheren Stände. Besonders zeichnen sich seine Bilder durch große Warheit in Ausdruck und durch scharfe Karakteristik aus und das läßt sich auch von dem von uns in Holzschnitt reproduzirten sagen. ff.
Aus allen Winkeln der Zeitfiteratur.
Ländlich- sittlich. Im Ausland" gibt Dr. Max Buch seine Beobachtungen zum besten, die er in seiner mehrjärigen Tätigkeit als Arzt inmitten der Wotjäkendörfer im östlichen Teil des wyätkäschen Gouvernement am Kamastrome über ,, Wochenbett und Kindererziehung bei den Wotjäken" gemacht hat. Leztere, ein Zweig der finnisch - ugrischen Völkerfamilie, sind ungefähr 300 000 Köpfe stark und bewohnen neben der bezeichneten Gegend auch noch teilweis die Gouvernements Perm und Kasan . Unser Gewährsmann erzält nun, wie er einst ein solches Dorf besucht, um, wie auch sonst des öfteren, eine wotjätische Hochzeit mitzufeiern und sein Pferd bei einem bekanten Bauern abge