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geben hätte, sei er erstaunt gewesen, diesen nebst sämtlichen Bewohnern des Bauernhofes im Hofe, auf dem Boden 2c. fest schlafend zu finden. In der Meinung, die bei der stattfindenden Hochzeit genossenen Ge­tränke seien die Ursache, begab er sich in die Stube und fand die Haus­frau beim Abräumen der Reste eines Schmauses, der zu Ehren der Taufe eines Kindes derselben stattgefunden hatte. Der Berichterstatter, welcher die Frau noch abends vorher beim Kochen und Backen ange­troffen, war erstaunt und erhielt auf seine Fragen zur Antwort: Je nun, in der Nacht gebar ich, am Morgen wurde das Kind in die Kirche gebracht und getauft, darauf kamen die Taufgäste, da mußte ich kochen und backen, denn wer hätte das sonst besorgen sollen?" Hierbei erfuhr der Fragesteller denn auch, daß dies bei diesem Volksstamm allgemein so geübt werde. Die Frau kam schließlich noch mit auf die genante Hochzeit, und trank und befand sich wol dabei. Sie hatte schon 6 solcher ,, Wochenbetten" durchgemacht und erfreute sich einer ausgezeich­neten Gesundheit. Hut ab! vor der Körperkonstitution dieser Frauen. ,, Nerven", wie sie unsere Mütter in den zivilisirten Städten be­sizen, kennen diese sicher nicht. Man sorgt aber auch schon von Jugend auf für die nötige Abhärtung, wie folgendes beweist: der Geburtsakt findet unter Assistenz eines darin erfahrenen Weibes im Badehause statt. Die Hilfsperson begnügt sich in ihrem Beistande jedoch mit der Zuführung von Luft und Darreichung des Wassers. An dem neugeborenen Kinde wird als erster Akt in ,, dieser Welt" eine Einrei­bung des Kopfes mit Asche vollzogen, damit die bösen Geister keinen Einfluß auf dasselbe haben."( Der Glaube an untergeordnete Götter, namentlich an einen bösen, auf das menschliche Leben großen Einfluß übenden Geist, ist bei den Wotjäken allgemein.) Nach dieser stärkenden Prozedur wird der neue Weltenbürger in warmem Salzwasser gebadet und mit Seife gewaschen. Bald darauf, schon am ersten oder zweiten Tage wird dann in der Kirche die Taufe vollzogen, die auch wesentlich zur Abhärtung des zarten Körpers beitragen dürfte. Man taucht den Täufling nämlich ganz und zwar in faltem Wasser unter und läßt ihn darauf eine zeitlang nackt und frierend liegen. Bemittelte Leute zalen allerdings und bekommen warmes Wasser zu diesem Zweck, für die Kinder armer Leute wird jedoch das Wasser frisch geholt, so daß oft noch die Eisstücke darin herumschwimmen und dasselbe häufig eine Temperatur von 6-10 Grad. R. hat. Das falte Wasser soll aber wie Aerzte beobachtet haben, der Körperentwicklung viel dienlicher sein wie das warme, indem schwache wie kräftige Kinder nach dem Eintauchen in kaltes Wasser, das eine Temperatur von 8-10 Grd. R. Hat, bei diesem Aft wol aufschreien, sich aber bald beruhigen, denn die Haut rötet sich sofort und dampft, indem sie sich bald erwärmt, förmlich beim nackten Daliegen. Sie sind dabei ruhig und munter, saugen, wenn ihnen die Brust geboten wird, kräftig, schlafen ein und sind, wenn bei der Ge­burt schwächlich, nach 3-6 Wochen gesund und mobil. Gegenteilige Symptome treten ein beim Eintauchen im warmen Wasser Und so hat man beobachtet, wie von 22 Kindern, die im warmen Wasser ge­tauft wurden, im Lauf von 6 Wochen 9, also 40 Prozent starben, wärend von 42 in kaltem Wasser getauften in derselben Zeit nur ein einziges, also 2,4 Prozent vom Tode ereilt wurden. Genährt wird das Kind nur wärend der ersten 2-3 Monate lediglich an der Mutter­brust und erhält dann bald Brot, Fleisch 2c. als Narung. An Brant­wein das Lieblingsgetränk der Wotjäken wird es schon früh ge­wöhnt. So sah unser Gewährsmann, wie eine Mutter ihrem 3 Monate alten Kinde wärend einer Stunde einen Eßlöffel 30 prozentigen Brant­wein gab, der ihm gut mundete. Ein anderes zweijäriges Kind griff, sobald es nur die Schnapsflasche erblickte, schreiend danach, und schlürfte den Inhalt derselben, wenn er ihm gereicht wurde, gierig ein. Dabei wird den Kleinen in den ersten 2-3 Jaren von der Mutterbrust Na­rung gespendet. Inbezug auf Kleidung verfährt man nicht minder spartanisch. Kleine Kinder werden in grobe, selbstgewirkte Linnen gepackt, in Wollenzeug eingehüllt und in einem Kasten aus Linden­rinde, der als Wiege dient und vermittelst einer Bastschnur an eine lange an der Decke befestigten elastischen Stange aufgehängt ist, gebettet. Im Sommer bei der Arbeit oder sonst bei Vergnügungen wird es von der Mutter in eine Art Tragkorb aus Birkenrinde gepackt und von dieser wärend ihrer Arbeit auf dem Rücken getragen; manchmal auch in diesem Korbe an einen Baumast aufgehängt. Im Alter von 2-6 Jaren bildet die einzige Bekleidung ein Hemd für den Sommer, die aber auch im Winter für den Aufenthalt in der Stube genügt und in der sie nicht selten, barfuß, auch im Schnee herumspringen. Sollen sie sich länger in der Kälte aushalten, so wird ihnen die Jacke oder der Halbpelz des Vaters oder der Mutter angezogen. Von 8-10 Jaren erhalten sie Kleider, welche denen der Erwachsenen gleich sind. Mäd­

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chen von 10-12 Jaren tragen schon Silbermünzen als Halsschmuck; Ohrringe schon von 3-4 Jaren an. Die Jungen helfen vom 12.- 13. Jare an tüchtig bei der Feldarbeit mit. Wie leicht erklärlich, werden die Kinder mit Schulbesuch nicht überbürdet; es soll überhaupt nur wenige Schulen geben und die vorhandenen stehen meist leer. Man sieht aus dieser kurzen Schilderung, daß es sich bei diesem Volksstamm um eine mehr tierische Abhärtung handelt. Leider hat Dr. Buch von der Entwicklung des Intellekts bei den Wotjäken nichts erwähnt. One jedoch ein Fanatiker der ,, Wasserheilkunde " zu sein, könte man doch eine Anwendung des Wassers in ähnlicher, nur einer unsern Gewohn heiten entsprechenden Weise, auch für die zivilisirteren Menschen empfelen. Denn es ist sehr fraglich, ob nicht die Behandlung des Körpers und Geistes der Menschen von Jugend auf die bei uns herschende Ver­weichlichung verschuldet und somit auch die überreizten Nerven erzeugt oder doch die Hauptveranlassung dazu wird.

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Literarische Umschau.

nrt.

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Gesundheit", Zeitschrift für öffentliche und private Hygieine in Frankfurt a. M.( Redaktion Prof. Dr. C. Reffam in Leipzig ). Abonne­mentspreis pro 4 Jar Mk. 4. Inhaltsverzeichnis der Nr. 1: Originalarbeiten: Üleber Küsten- und Höhenklima von Prof. Dr. Henrici. Hygieinische Bedeutung einer Bleiweißfabrik von Prof. Dr. Reffam.- Uebersichten: Das einzige wirksame Mittel zur Verhütung von Teater­bränden. Neues Straßenpflaster.- Ohrenkrankheiten der Lokomotiv­fürer und Heizer. Zuschriften und Berichte: Aus Hamburg ; aus aus München ; Darmstadt ; aus London ; aus Heidelberg ; Aus Bädern und Kurorten: Bericht über die Winterkolonie zu Nor­ derney . Meran als Winterkurort. Entscheidungen des Reichs. gerichtes. Besprechungen neuer Schriften: Das kleine Kind, vom Tragebett bis zum ersten Schritt, von Ploß.( Mit Abbildungen.) Feuilleton: Verbesserung der Zimmerluft.( Mit Abbildung.)- Ver­schiedenes. Anzeigen.

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Redaktionskorrespondenz.

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Wüstegiersdorf. W. Der Siz des Fabrikinspektors für Schlesien ist Breslau und der, unsres Wissens, noch jezt im Amt befindliche Beamte, welcher die vers antwortungsvolle und schwierige Stellung, seit sie geschaffen ist, bekleidet, ist der ehe­malige Bergaffessor Frief.

Berlin . Paftor emeritus A. Ste behaupten:

Wie ist doch ein Menschenkopf

Nichts beffres als ein holer Topf! Und auch die besten Verstandskasten,

Biel eher zu Kegelfugeln paßten,

Als zur Herberge leuchtender Gottesgedanken

Um die sie nur töricht sich streiten und zanken."

Nun, werter Herr Pastor, diese, beiläufig gesagt, beste Strophe Ihres uns ,, zum Nach denken und Darnachachten" gewidmeten Poems, das im übrigen in hohem Grade an jener fatalen Krankheit leidet, welche man Konfufion nent, scheint uns in ihrem etwas mageren und wolfeilen Gedankeninhalte doch sehr viel weniger berechtigt zu sein, als die folgenden Verse Jordans:

,, Wie ungeheuer groß ist der Planet

Auf dem der Mensch, ein Stückchen schauend steht, Wie flein dagegen eine Menschenstirn! Gleichwol umfaßt ein winziges Gehirn Durch millionen fremder Augen schauend, In sich die ganze Gattung wieder bauend, Das Niehgesehne nach Gehörtem zeichnend Und sich der Einstgeweinen Wissen eignend, Die spröden Elemente unterwerfend,

Sich Kraft und Sinn durch sie unendlich schärfend, Gleichwol umfaßt, als Spiegel aufgestellt

Dies enge Menschenhirn die ganze Welt!

Ja, seine Heimatfugel nicht allein:

Denn droben selbst, woher der schwache Schein Jarhunderte den Raum durchschifft,

Bis er in unser Auge trifft, Erkent er der Naturgeseze Schrift

Und so genau des Sonnenuhrwerks Räder, Daß rechnend, an der Epize seiner Feder Blaneten, tief im Sternenheer verſtedt, Nun one Rohr der Astronom entdeckt."

Stargard . Frau A. P. Wir werden uns bemühen, Ihrem Wunsch, bald einen Artikel über Blumenpflege, Gartenanlagen und dergleichen in der ,, N. W." zu finden, gerecht zu werden.

Lugano . C. St. Die Schlußsendung am 10. Februar angekommen. Frol. Gruß.

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Inhalt. Im Kampf wider alle. Roman von Ferd. Stiller.( Forts.)- Die Berufstätigkeit der Juden in Deutschland und Rußland . Von C. Lübeck.( Forts.) Meine erste Gotthardfart. Reiseskizze von Carl Stichler.( Forts.) Die Entdeckung des Sauerstoffs und de Wesens der Verbrennung. Naturwissenschaftliche Stizze von D. Gn. Grabmal Theodorichs zu Ravenna. ( Mit Illustration.)- Sancho Bansa und Don Quixote.( Mit Illustration.)- Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Lindlich- fittlich. Literarische Umschau: Gesundheit". Umschau: ,, Gesundheit". Redaktionskorrespondenz.

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Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser in Stuttgart. ( Neue Weinsteige 23.)-Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart . Druck und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart .