dann solltest du es nicht mehr, armes Herz," sagte Hedwig, zärtlich der Kleinen dunkles Har streichelnd.

Oder schicke mir der Himmel bald einen reichen Herrn Gemal ," erwiderte diese lachend im Gehen, dann brauchtest du nicht deine lieben schönen Augen bei diesen unglückseligen Pinseleien zu ver­derben," sezte sie mit der naiven Rücksichtslosigkeit eines Kindes hinzu.

Mit liebevollem Blick ihr nachsehend murmelte die ältere:

" Ich wünsche ihr von Herzen ein besseres Los. Die arme Kleine! sie ist so hübsch und sollte unbekant und ungesucht hier in der Dachstube verwelken? Mein armer Bruder, du dachtest auch an ein anderes Geschick für dein Kind, und doch habe ich getan, was in meinen Kräften stand."

Dämmerung schwebte hernieder und umzog mit dunklen Schatten das kleine Gemach. Das zum Malen nötige Licht schwand, so lehnte sich Hedwig in den Stul zurück, die von der Arbeit er­müdeten Augen schließend.

Jm monotonen Tropfenfall rauschte leise ein warmer Regen; Frülingsluft zog durch das halbgeöffnete Fenster und die Veilchen und Narzissen draußen auf dem Gesims hauchten süße Düfte über die weiße, gesenkte Mädchenstirn.

Läßt es sich schöner träumen und denken als im Dämmerlicht, in jener geheimnisvollen Stunde, wo das Licht flieht und die Nacht auf gespenstisch schwarzen Fittigen heranrauscht?

Auch Hedwig empfand die Zaubermacht, vergaß die ärmliche Mansarde, die Misere ihres einsamen Lebens und an ihrem geistigen Auge zogen in Tageshelle die Bilder einer glücklichen Kindheit, der wonnereichen ersten Jugendjare vorüber, in denen sie geglaubt, die ganze Welt gehöre ihr Jare reichen Glückes und doch auch so voll Tränen.

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Sie lebte einst in besseren, ja glänzenden Verhältnissen. Ihr Vater, ein geachteter, sehr wolhabender Kaufmann, der mit über­schwänglicher Bärtlichkeit ihre Kindheit zu einer der glücklichsten gemacht, und den sie leider nur zu früh verlor, hinterließ bei seinem plözlichen Tode der Gattin und zwei Kindern ein be­trächtliches Vermögen. Der Sohn von hervorragender körperlicher

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Schönheit und übersprudelnder Lebenskraft, wollte, den Kauf­mannsstand nicht liebend, durchaus Offizier werden, was er auch durchsezte nach einigem Kampfe mit der Mutter, welche ihn zwar abgöttisch liebte und jeden seiner Wünsche zu erfüllen suchte, aber auch eine gewisse Pietät für die alte ehrenwerte Geschäftsfirma ihres Gatten besaß, die der Sohn zu noch höherem Glanze erheben sollte, wie sie gehofft. Und ein sehr stattlicher Offizier war er geworden, der seine viele fieie Zeit mit recht kostbaren Ver­gnügungen ausfüllte.

Der kostbarste, törichtste Zeitvertreib war jedoch die Ehe mit einer, wenn auch durchaus respektablen, so doch an Lurus ge­wönten Schauspielerin gewesen. Da seine Frau der Büne nicht zu entsagen vermochte, mußte er natürlich den Dienst quittiren und versuchte es mit der Laufbahn eines Ingenieurs.

Leider hatte er kein Glück in diesem Berufe, oder vielleicht nicht die nötige Fähigkeit und Ausdauer, und so war er bald gezwungen, die Existenzmittel allein von seinem Erbteil zu be­ziehen, das bei den luxuriösen Gewonheiten seiner Frau, denen die seinen nichts nachgaben, in einigen Jaren aufgezehrt war. Schulden folgten. Die Mutter trat für den geliebten und doch so leichtsinnigen Sohn ein, so lange sie die Mittel besaß, selbst Hedwigs Erbe wurde angegriffen.

Sie war bedeutend jünger als der Bruder und hing mit der zärtlichsten Liebe an dem schönen, immer heiteren Manne, dessen Hauptfehler eine allzugroße Gutmütigkeit und eine an Leichtsinn streifende Unbekümmertheit um das Morgen waren, Eigenschaften, die aber in den Augen eines Kindes, das den Ernst des Lebens nicht kent, am wenigsten als Fehler erscheinen. Und als dann auch die Mutter nach kurzer Krankheit verschied, übertrug sie alle Liebe ihres reichen Kinderherzens auf den einzigen Bruder, dessen Haus dann für mehrere frohe Jare ihr zur Heimat wurde. Welch heiteres Leben herschte dort, und wie wenig ahnte sie, daß es nur auf den Grundpfeilern des Scheins gebaut war, die jeden Tag zusammenbrechen konten.

( Fortsezung folgt.)

Frucht und Saat.

Böbel wagst zu sagen! wo ist der Pöbel? Ihr machtet, Ging es nach eurem Sinn, gerne die Völker dazu.

An die Gesetzgeber.

Goethe.

Sezet immer voraus, daß der Mensch im ganzen das Rechte Will, im einzelnen nur rechnet mir niemals darauf.

Schiller.

Man lernt nicht die Frrwege durch den rechten Weg, sondern den rechten Weg durch die Jrrwege kennen. Lessing .

Jede Fertigkeit der Vernunft, auch im Irrtum, vermehrt ihre Fertigkeit zur Empfängnis der Warheit. Schiller.

Wer irgend noch etwas fürchtet im Universum, Hölle, der ist ein Sklave.

und wäre es die Jean Paul .

Einheit des Allgemeinen und Einzelnen ist das Wirkliche. Die Erkenntnis dieser Einheit ist Wahrheit. Die Aeußerung dieser Einheit im Handeln ist Tugend.

Joh. Jako by.

Der ist in allem der Beste, der selbst sich Alles zurechtlegt; Tüchtig ist dann auch jener, der weiser Rede Gehör gibt; Doch wer selber nicht denkt, noch, andrer Rede vernehmend, Selbe im Herzen erwägt, der ist ein völliger Nichtsnuz. Hesiod.( Stahr's Uebersezung).

Sein wildes, wüstes Brausen kann nicht dauern, Denn heft'ge Feuer brennen bald sich aus; Ein sanfter Schau'r hält an, ein Wetter nicht, Wer frühe spornt, ermüdet früh sein Pferd Und Speis' erstickt den, der zu hastig speist.

Shakesspeare, Rich. II.

Ein kurzes Lied, das wirklich Leben sprudelt, Das wirklich trägt an seiner Stirn die Weihe, Kommt mehr zulezt in aller Menschen Hände Als hundert starke, dick gekleɣte Bände.

Verlangt ihr Großes, hebt den Blick nach oben, Denn nicht herunter steigen die Poeten, Und selten wird euch schmeicheln ihre Strenge: Die Kunst ist keine Dienerin der Menge.

Platen.

Hermann von Schlagintweit Sakünlünski.( Porträt S. 284.) Wissenschaftliche Untersuchungen des Forschers in fernen Ländern in Verbindung mit Beobachtung der dort sich bietenden neuen Er­scheinungen in allen Gebieten der Natur und des Lebens, verdienen vor allem hohe Anerkennung. In den Arbeiten, welche Hermann Frei­herr von Schlagintweit- Safünlünski auszufüren gegönt war, liegt solche Forschertätigkeit uns vor. Hermann Schlagintweit , geboren zu München 13. Mai 1826, hatte früh begonnen in verschiedenen Teilen der Alpen wissenschaftliche Arbeiten auszufüren, und es hatte daran sein nächster, damals noch sehr jugendlicher Bruder Adolph, geboren 9. Jan. 1829 ( ermordet 1857 in Ostturkestan von einem aufständischen Häuptling), mit regem Eifer teilgenommen. Von ihren zwei Bänden der ,, Unter­suchungen über die physikalische Geographie und die Geologie der Alpen " war der erste 1850 erschienen; sie hatten schon damals die Aufmerk­

samkeit Alexander v. Humboldt's gewonnen und die stete Förderung ihres Bestrebens möglichster Ausdehnung solch wichtiger Arbeiten sich gesichert. Die Vermittlung des Königs Friedrich Wilhelm IV. ermög lichte, daß schon 1854 sowol Hermann als Adolph von England aus in offizieller Weise mit einer großen wissenschaftlichen Sendung im Anschlusse an die schon begonnenen magnetischen Beobachtungen in Indien betraut wurden; sie durften dabei auch Robert, den vierten der Brüder, geboren 27. Oktober 1833, als Begleiter sich wälen. Am 20. Septbr. 1854 hatten sie in Europa sich eingeschifft; am 26. Oftober landeten sie in Bombay. Um eine genaue Erforschung der einzelnen Gebiete durchzufüren, hatten Hermann und Adolph fast stets verschiedene Ruten eingeschlagen und waren meist nach langer Trennung erst wieder zu sammengetroffen In den Tiesländern Indiens waren die Ruten ziem lich gleichmäßig verteilt. Es mußte den meisten Richtungen entlang