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nun sage uns einer, ob in dieser Komposition der zugrunde liegende Gedanke, also der Kampf des in Fäulnis begriffenen Römertums mit dem vermeintlich welterlösenden Christianismus würdig und entspre­chend erhaben ausgedrückt ist? So wie es Siemiradzki   schildert, sicher nicht.

Einmal dominirt der verkommene Plebs des neroschen Kaiserpalastes viel zu sehr, die verfolgten Christen werden zur Staffage und dann hat auch das frivole zuschauende Publikum viel mehr Interesse an der Sänfte Neros wie an dem grausigen Vorgang selbst. Und so geht es auch dem Beschauer des Bildes. Ihn fesselt zunächst die allerdings mit meisterhafter Technik gemalte Architektur, vor allem aber auch die prunkvoll ausgestattete Sänfte im Mittelpunkt. Ihr Schmuck aus Perl­ mutter  , föstlichen Steinen, Gold, Silber, kostbaren Webstoffen, den vergoldeten Schnizereien ist von üppiger, orientalischer Pracht. Und hat man dann das Auge von diesem Luxus abgewant und wirklich eins von den wenigen mitleidigen oder entsezten Gesichtern im Publi­fum gesehen, so wird dasselbe wiederum von den kostbarsten Stoffen abgezogen, die ein bacchantisch dreinschauendes Frauenzimmer schmücken. Ueberhaupt ist Siemiradzki   in der Darstellung von gold- und purpur­durchwirkten orientalischen Prachtgewändern wie auch andern kostbaren Stoffen groß. Aber gerade dadurch wird man vom eigentlichen Kern der Sache abgelenkt, die Dekoration wird zur Hauptsache des ganzen Stücks. Hier nemen die das Feuer schürenden Henkersknechte unser Interesse vielmehr in Anspruch wie die Opfer. Alle die Details, na­mentlich die die Sinne reizenden drängen sich hervor und das wesent­liche, das auch schon räumlich in den Hintergrund gedrängt worden, tritt zurück. Das Bild ist sonach nichts weiter als eine Orgie am Hofe Neros und ob diese eine mit solchem Aufwand in Szene gesezte Dar­stellung verdient, ist fraglich. Abgesehen davon, daß dieser grobsinnliche Na­turalismus keine Kunst mehr ist, würde auch dann noch dem Bilde die leitende Idee fehlen. Mir fielen, als ich es sah, alle die Berichte aus Petersburg   ein, welche gelegentlich der Aufregung ob der dort vorge­fommenen politischen Schauerszenen die Zeitungen füllten, und das was dort über die innerlich verkommene, aber äußerlich elegant mit der leichten französischen   Bildung angestrichene russische   Gesellschaft gesagt wurde, gewinnt angesichts solcher Vorkomnisse nur zu sehr an War­scheinlichkeit. Aber auch in dieser Art Kunst spricht sich ein ähnliches Wesen aus und so sehen wir wieder, wie in Zeiten gesellschaftlicher Auflösung selbst das edelste, was des Menschen Geist erschafft, die Kunst, davon ergriffen wird. Die Kunst sollte uns aus diesem mate­rialistischen Schlamm erheben und sie zieht uns nur tiefer hinein. Zum Glück für die Menschheit sind es aber nur einzelne hervorragende von den vielen Stümpern des seichten Naturalismus abgesehen Künstler, die auf diesem falschen Wege wandeln. Wir haben diese Be­merkungen an dieses Werk geknüpft, weil es das hervorragendste des genanten Künstlers ist und weil wir auch genügend Muße hatten, das Original zu betrachten. Sie gelten aber auch für das von uns heute vorgefürte. Die Gesamtkomposition ist beim ,, Schwertertanz" entschieden glücklicher, der leitende Gedanke ist klarer ausgedrückt, aber man fann hundert gegen eins wetten, daß das Kolorit sicher genau so prunkend und sinneberauschend wirkt wie bei den übrigen Werken Siemiradzkis. Tazu liegt diesem auch kein hervorragender historischer Gedanke zu­grunde und es erhebt sich deshalb nicht über das historische Genre So sehr man allgemein die technische Geschicklichkeit dieses Malers rühmt, so macht man neben dem Vorwurf der Frivolität ihm auch im allgemeinen den, kleine Gedanken in lebensgroßen Menschen nebst Zu­behör darzustellen. So in dem ,, Weib oder Vase?", wo ein junger Mann zwischen beiden ihm zum Kauf angebotenen Sachen, einer Vase und einer Sklavin, zu wälen hat. Für ein Genrebild im kleinen For­mat wäre dieses für einen geschickten Künstler gewiß ein reizendes Sujet. In Lebensgröße gemalt wird aber eine dazu gehörende Staffage namentlich wie die des Siemiradzki   den Grundgedanken unter Kleidern, Teppichen und sonstigem Gerät verschwinden machen und zwar zum Schaden der Kunst. Wenn wir daher eingangs den Unterschied zwischen dem antiken und modernen Anschauen hervorhoben, so wollten wir damit andeuten, daß dieser Gegensaz auch zwischen antiker und moderner Kunst eristirt. Und das zeigt uns gewiß auf den ersten Blick ein antikes Kunstwerk und ein Gemälde des Russisch- Polen Siemi­ radzki  . Fr. Nauert.

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Für Haus und Sof.

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Ein neues Gemüse liefern die Blätter der Schwarzwurzel. Dieselben müssen im Keller oder Freien gebleicht werden und haben zur Winters und Frühjarszeit als Salat oder Gemüse einen vorzüglichen Geschmack.

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Um Pflanzen zu raschem und üppigen Gedeihen zu bringen empfielt Prof. Rapp zu je 2 Pfund Begießwasser 0,5 Gramm Bitter­falz, 1,5 Gramm Kalijsalpeter, 4,0 Kalfsalpeter, 10,0 dreibasisch- phos phorsauren Kalt zuzusezen. Zur völligen Lösung dieser Salze lasse man sie 10 bis 14 Stunden in den Wasser stehen.

Schlingpflanzen für Garten- und Zimmerkultur. Als Schling­pflanze für den Garten zur Bedeckung von Mauern oder Lauben eignet sich neben wildem Wein, den man sehr zweckmäßig mit Geisblatt oder hartem Clematis berbindet, insbesondere die Hargurte( Sycios angulata), ein fürbisartiges Gewächs, das 40 bis 50 Fuß hoch rankt und schon bis Mitte Sommers eine große Laube oder Wandfläche voll­ständig deckt, wenn es im April ausgesät wurde. Für die Zimmer­kultur trefflich zu gebrauchen ist Pilogyne suavis, die ganz außeror­dentlich rasch wachsende schönste aller Guirlandenpflanzen. Ihre leichte aber üppige Belaubung ist von fahler dunkelgrüner Färbung und strömt gleich den anspruchslosen Blüten einen zarten heliotropähnlichen Wol­geruch aus. Noch ein Vorzug der Pilogyne ist, daß sie frei von In­sekten bleibt.

Kuhfleisch wird vielfach für Ochsenfleisch verkauft und dafür ein höherer Preis genommen, als das minder narhafte und verdauliche Fleisch des weiblichen Rindes zu beanspruchen hat. Daß dies ein Betrug und strafbar ist, dürfte jedermann bekant sein. Nach einer neuerlichen Reichsgerichtsentscheidung ist aber auch dann der Verkauf des Kuhfleisches als Ochsenfleisch straffällig, wenn der Verkäufer dafür nur den ortsüblichen Preis des Kuhfleisches nimt.

Allgemeinwissenschaftliche Auskunft.

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wanderte

B. Lehramtskandidat S. Sie haben ganz recht, wenn Sie meinen, daß Deutsch­ land   sehr gut ein freisinniges Reichs- Unterrichtsgesez gebrauchen tönte. Solch' ein Unterrichtsgesez ist sogar eine Lebensfrage für die deutsche Kultur. Ihre Frage, ob Aussicht vorhanden sei, daß solch' ein Gesez bald von der Reichsregirung eingebracht und von den gesezgebenden Faktoren acceptirt werden würde, können wir leider nicht bejahen. Die Geschichte der Vorbereitung auf ein Unterrichtsgesez in Preußen verspricht weder rasches noch fruchtbringendes Handeln in dieser Richtung- so rasch und so produktiv die maßgebenden Behörden auch in manch' andrer Beziehung zu handeln sich fähig gezeigt haben. Wir wollen Ihnen hier einen Abriß geben von dieser Vorgeschichte mit der Einleitung und Uebersicht einer im Jare 1876 erschienenen Schrift, welche wir schon früher in der ,, N. W." erwänt haben, betitelt: Geschichte des preußischen Unter­richtsgesezes. Mit besonderer Berücksichtigung der Volksschule. Von 2. Clausnißer; Berlin  , nikolaische Verlagsbuchhandlung." Dort heißt es: Seit 75 Jaren liegt das Vaterland( eben das preußische) mit einem Unterrichtegeseze in den Geburtswehen, aber weder die Aerzte des Absolutismus noch die des Konstitutionalismus haben es bis jezt vermocht, dieses Schmerzenskind ins Leben zu befördern. Am 10. Februar 1801 überreichte der Chef des Oberschulkollegiums, Minister von Massow, dem Könige Friedr. Wilhelm III  . ein Schriftstück, die Grundlinien zu einer gefezlichen und einheitlichen Regelung des Echulwesens in Breußen betreffend. Der König ließ infolge dessen Er­hebungen anstellen: Da kamen die Jare 1806 und 7 und der Entwurf zu den Akten.- Auf Befehl desselben Königs arbeitete eine Kommission in den Jaren 1817 bis 19 den Entwurf eines allgemeinen Unterrichtsgefezes aus; über denselben wurden bereits Berhandlungen mit den Provinzialregirungen gepflogen: aber die herein brechende Reaktion der zwanziger Jare machte die Arbeit stocken, und der Entwurf wanderte zu den Akten! Der Minister Eichhorn suchte das Ziel auf dem Wege pronvinzieller Gesezgebung zu erreichen. Schon war 1845 die Schulordnung für die Brovinz Breußen sanktionirt, schon war die königliche Genemigung erteilt, die Entwürfe für die übrigen sieben Provinzen den betreffenden Provinziallandtagen vorzulegen: Da brachen die ogen von 1848 herein und die sieben Entwürfe wanderten zu den Akten. Auf Grund des Art. 26 der revidirten Verfassung vom Jare 1850 stellte der Minister von Ladenberg nach eingehenden Konferenzen und Beratungen mit Sach verständigen in demselben Jare einen Unterrichtegesezentwurf auf. Das Werk schien endlich zu gelingen: Da famen Herr v. Manteuffel und die Reaktion, und der laden bergsche Entwurf wanderte zu den Akten. Herr von Bethmann- Hollweg   begann die Sisyhphusarbeit von neuem; nur mit Mühe umiegelte sein Entwurf die Klippen im Staatsministerium, und als nun der Militärkonflikt ausbrach und die neue Aera 1862 den Weg alles Fleisches ging, ba wanderte auch mit ihr der Entwurf zu den Akten. Die neue Ordnung der Dinge nach 1866 drängte auch Herrn Mühler zu gesezgeberischen Taten. Nachdem er 1867 und 68 mit Spezialgesezen Fiasto gemacht, trat er 1869 mit einem vollständigen Unterrichtsgeseze in die parlamentarische A.ea. Das Gesez, das seinen Meister, wenn auch nicht lobte, so doch kenzeichnete, wurde schon als Totgeburt in den Kommissionsberatungen behandelt; die Session ward geschlossen und der Entwurf wanderte zu den Akten. Seit 1872 arbeitet das Ministerium Fal an einem Unterrichtsgesez, es wird, so hoffen wir, über kurz oder lang vorgelegt werden, und--" So, nur noch mit einer ganzen Zeile voll Gedankenstrichen mehr, schließt Clausniger die Einleitung zu seinem sehr lehrreichen Buche; indessen ist das Ministerium Falt one Sang und Klang und auch one Unterrichtsgesez vorübergegangen und Falks Nachfolger unterscheidet sich von ihm dadurch, daß auf ihn die freisinnigen Freunde der Volksschule teine hochgespanten Hoffnungen gesezt habea. Im clausnißerschen Buche finden Sie übrigens all' die Belehrung, welche Sie von uns zu erhalten wünschten und bie an dieser Stelle zu erteilen gar zu viel Raum beanspruchen würde.

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Redaktionskorrespondenz.

H. B. in Nobis b. Altenburg  . Der Vorfizende oder Präsident eines Bereins muß vernünftigerweise allerdings das Recht haben, sich an der Abstimmung zu beteiligen, denn dadurch, daß ihm die Gesellschaft, deren Mitglied er ist, auf diesen Bosten berief, fann ihm kein der Gesamtmitgliedschaft gehörendes Recht geraubt werden. So ist es auch im Reichstage. Die Geschäftsordnung desselben erwänt diese Angelegenheit nur im $ 56, welcher vom sogenanten ,, Hammelsprung" handelt und der am Schlusse des vor lezten Abjazes sagt: nur der Präsident und die diensttuenden Schriftfürer geben ihre Stimmen nachträglich( d. h. nach deu ,, Hammelsprung") öffentlich ab." Nun fomt es aber oft vor, daß Personen, die als Präsidenten von Bersamlungeu fungiren, auf dieses ihr Recht verzichten und nur dann ihre Stimme in die Wagschale werfen, wenn diefelbe ausschlaggebend ist, wie bei Stimmengleichheit.

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Für Haus und

Inhalt. Jm Kampf wider alle. Roman von Ferd. Stiller.( Forts.) Die Berufstätigkeit der Juden in Deutschland   und Rußland  . Von C Lübeck.( Forts.) Meine erste Gotthardfart. Reiseskizze von Carl Stichler.( Forts.) Fliederzweige. Eine einfache Geschichte von C. Dreßler. Hermann von Schlagintweit   Sakünlünsti.( Mit Porträt.) Der Schwertertanz.( Mit Jllustration.) Um Pflanzen zu raschem Gedeihen zu bringen. Schlingpflanzen für Garten- und Zimmerkultur. Kuhfleisch wird Hof: Ein neues Gemüse. vielfach für Ochsenfleisch verkauft.- Allgemeinwissenschaftliche Auskunft.- Redaktionsforrespondenz. Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser   in Stuttgart  .( Neue Weinsteige 23.) Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  . Druck und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart  .

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