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Geschäft zuliebe, sie vernachlässige und dem harten Schmerze| Frieda nur in den kleinsten Teil ihrer Mitteilungen Zweifel sezen der Ungewißheit und des Zweifels überantworte.

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Kaum war sie aufgestanden von dem tränenreichen Lager dieser Nacht, da hatte es an der Tür gepocht und fatal wie immer, wenn nicht grade heute ungelegener und unangenemer noch, als irgend sonst kam die Nachbarin zu Besuch.

Friederike wollte der geschwäzigen Frau bemerklich machen, daß sie gar keine Zeit habe, da sie sich noch vorbereiten müsse auf eine Lektion, welche sie heut Vormittag zu erteilen habe, da ward sie schon von dem Redestrom der Frau Zampel so über­flutet, daß sie garnicht zu Worte kam.

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" Nein, sehen Sie heute angegriffen aus, mein liebstes Fräu­lein Friederikchen das ist ja wirklich ganz erschrecklich. Ja, das komt davon, wenn man immerfort, Tag und Nacht über den Büchern sizt oder über den feinen Handarbeiten und sich gar feine Erholung gönt. Na, so etwas sollte mir fehlen. Ich bin doch gegen Sie, mein gutes Fräulein Friederikchen, eine ältere Frau, wenn ich auch sonst noch in meinen besten Jaren bin und einer Jungen was nachgebe das weiß der liebe Gott, sag' ich Ihnen, Fräulein Friederikchen, aber ich muß mich amüsiren, wenn ich fülen will, daß ich lebe und' n Mensch bin, und wie hab' ich mich gestern wieder amüsirt im Cirkus  , na, ich sage Ihnen blos, herzallerliebstes Fräulein Friederikchen, da hätten Sie dabei sein sollen, wie die Mamsell Elena- Miß läßt sie Miß läßt sie sich schimpfen, na, mir sollte jemand kommen und mich Miß nennen, dem wollt' ich heimgeigen also wie die Elena mit dem Pferde die große Treppe hinauf und hinunterritt. Na, und wie da die Herren weg waren ich sag' Ihnen wie verrückt waren sie in die Elena, die nämlich schlechtweg Lene heißt, Lene Müller aus Pasewalt und' ne Barbierstochter ist, aber' n forsches Mädel, das muß war sein- ich kenne nämlich die ganze Kunstreiter mir macht keiner was gesellschaft bis auf's Tüpfelchen über i weiß mit den verdrehten ausländischen Namen und Titulaturen wie sie ihr Blumen geschmissen haben, Bouquets, wie die Wagenräder so groß, und dann gar das furchtbar, warhaftig furchtbar schöne goldne Armband mit den Diamanten und Sma ragden und Brillanten und Gott weiß was sonst noch drin na das brauch' ich Ihnen nicht erst zu schilderu, das kann Ihr Herr Bräutigam, der vorneme, das muß man wirklich sagen, der wird auch genau sehr vorneme Herr Stein besser als ich wissen, was das Armband gekostet hat, sehen Sie, liebstes Fräu­lein Friederikchen, das möcht' ich für mein Leben gern wissen, denn darüber haben wir uns gestern noch die halbe Nacht gezänkt, denn ein par von den Cirkusdamen Damen sollte man eigent lich garnicht sagen bei denen, wissen Sie, liebstes Fräulein- die natürlich ganz kolossal neidisch waren auf die Mamfell Elena, ' n par sag' ich, meinten,' s könt wol' n par hundert Mark kosten, wenn' s echt wär, aber mein Bruder, der' n Kenner ist und selber schon die allerfeinsten Sachen gekauft hat, der behauptet, das foste wenigstens' n par tausend Mark, und nun bin ich, wie Sie Sich ja denken können, allerliebstes Fräulein, neugierig, wer recht hat

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Die Frau hatte so rasch gesprochen, daß sie schließlich voll­ständig außer Atem gekommen war und sie mochte sich an­strengen, wie sie wollte, nicht mehr weiter fonte. Sie schnappte wie ein Fisch, der seinen Kopf aus dem Wasser hervorstreckt, um sich den auch ihm nötigen Vorrat von Sauerstoff aus der Atmosphäre zu holen, nach Luft und ließ sich schwer und plump auf einen Stul niederfallen.

Frieda hatte anfangs mehrfach Zeichen ihrer Ungeduld ge­geben, aber als Frau Zampel ihren Franz erwänte und ihn mit den Vorkomnissen im Kunstreitercirkus in Verbindung brachte, da wurde sie nicht nur aufmerksamer, sondern es legte sich ihr auch eine schwere Bast auf das onehin bedrückte Gemüt- Franz, ihr Franz Stein- sollte er one ihr Wissen, hinter ihrem Rücken mit dem Cirkus und seinen Damen irgendetwas zu schaffen haben nein, neinnein, es war ja garnicht möglich und völlig undenkbar.

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Aber sie brachte es doch nicht anders übers Herz sie mußte fragen, mußte hören, was Frau Sampel wol gemeint haben könte.

Mein Bräutigam, Frau Zampel", sagte sie und ihr armes Herz pochte dabei, als wolle es zerspringen, mein Bräutigam wird wol kaum etwas vom Cirkus wissen ich glaube nicht­nein, ich glaube bestimt nicht, daß er ihn, solange dieser Cirkus jezt hier ist, auch nuc einmal besucht hat--"

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So?" richtete sich Fran Zampel auf, ganz indignirt, daß

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fönne, someinen Sie, liebstes Fräulein Friederikchen? Nun, ich hoffe, Sie werden mich nicht für eine Lügnerin halten und Sie werden auch glauben, daß ich ein par gesunde Augen im Stopfe habe was meinen Sie, Friederikchen? Ich sage Ihnen also, Ihr Herr Bräutigam, der ja wirklich ein ganz charmanter Herr ist, in den sich nicht blos so unerfarene junge Mädchen ver­lieben fönnen, wie Sie sind, nemen Sie mir's nicht übel, aber ' ne Schande ist's ja am Ende doch nicht für' n unverheiratetes Ihr Herr Bräutigam also Frauenzimmer, unerfaren zu sein war gestern mit seinem guten Freunde, dem Herrn David, dem tollsten Lebemann in der ganzen Stadt, im Cirkus   und stand neben ihm in der Fremdenloge, als der das wunderschöne Arm= band der Elena in die Hände schmiß das hab' ich gesehn mit meinen eignen Augen, Fräulein, und ich hab' auch noch viel­mehr gesehen oder eigentlich gehört, wenn sie's denn wissen wollen, ich hab' auch' n par Ohren, auf die ich mich verlassen tann und wenn Sie's interessirt, mein liebstes Fräulein Friederik chen, dann kann ich Ihnen auch ganz genau mitteilen, wo Ihr Herr Bräutigam vorher gewesen ist, ehe er in den Cirkus ge­kommen in sehr, wirklich und warhaftig sehr interessanter Ge­sellschaft, das kann ich Ihnen versichern, Fräulein Friederikchen, und daß die Gesellschaft ihm sehr interessant war, das hat er selber gesagt und Sie können's ihm wiedersagen, wenn Sie wollen, denn ich bin eine ehrliche Frau und, na ich wollte davon eigent­lich kein Wort zu Ihnen sagen, aber die Galle läuft einem schließlich über, wenn man sieht, wie' s die Männer mit uns armen Frauenzimmern treiben, wie sie schlecht sind und alle zu­sammen nicht wert, daß ein rechtschaffenes Mädchen ihnen auch nur' n lumpigen Ruß gibt, geschweige denn was andres. Na mir soll heute auch keiner mehr kommen, ich kenne sie alle, alle, sage ich Ihnen!"

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,, Aber sagen Sie mir um Gotteswillen, Frau Zampel, was hat das alles mit meinem Bräutigam zu tun! Wenn er auch im Cirkus   war ich kann es mir freilich nicht erklären, es ist mir er mag fast ganz unmöglich, es zu glauben, aber wenn auch seine Gründe dazu gehabt haben deswegen ist er doch ganz -er ist nicht schlecht, Frau Zampel, gewiß noch nicht schlecht mein Franz

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Sie fonte nicht weiter Tränen erstickten ihre Stimme und sie verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.

,, Soer ist nicht schlecht, nun, mir soll's gewiß nur lieb sein um ihrethalben, denn so'n junges Mädchen, das ihr ganzes Herz an einen Mann gehängt hat, tut mir immer in der Seele weh, darauf können Sie' s Abendmal nemen, so war ist es. Aber was er für honnete Gründe gehabt haben kann, allein, one sie und mit dem Herrn David in den Cirkus zu gehen und vor­her ganz mutterseelenallein bei der Specht in ihrer Wohnung eine furchtbar interessante und aufregende Stunde zu verleben, wie er selber gesagt hat's werden wol' n par Stunden ge­wesen sein, denk ich mir was das für Geschäfte gewesen sein müssen, kann ich mir freilich nicht denken, oder, wenn ich ehrlich sein soll, ich bin ja' ne Frau, also nicht mehr so erschrecklich un­erfaren, das kann ich mir also eigentlich ganz gut denken

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kennen Sie die Specht, liebstes Fräulein Friederikchen?" Frieda hatte sich gewaltsam gefaßt-es mochte fommen, was da wollte, diese Frau sollte nicht merken, wie unsäglich tief sie schmerze, was ihr da in so unzarter Weise eröffnet wurde. " Nein ich kenne niemanden dieses Namens", entgegnete sie möglichst ruhig.

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Nun, da können Sie Gott   danken ich kenne sie leider schon seit Jaren, diese Elfriede Specht, und die ganze Stadt tennt sie fast so gut, als ich. Das ist so eine, wissen Sie, liebstes Fräulein, so eine, na, wie soll ich sagen, die heute dem seine Liebste ist und morgen dem andern seine. Unsere Offiziere wissen davon was zu erzälen, das können Sie mir glauben, na und Ihr Herr Bräutigam ja auch, fragen Sie ihn, liebstes Friederikchen leugnen wird er wol nicht und wissen Sie, wenn er leugnen sollte da sagen Sie nur, die Repräsentationsdame vom Res staurant Zampel im Cirkus hätte's gesagt und rufen können Sie mich, wenn Sie wollen, da will ich's ihm sagen, dem saubern Herrn, daß er gestern den ganzen geschlagenen Nachmittag bei der, na ich will's nur nicht so grade heraussagen, was das für eine ist, ihretwegen nicht, Fräulein Friedrikchen, bei der Elfriede Specht gewesen ist, statt bei seinem armen unglücklichen Dinge von Braut, na, ich wüßte was ich mit so einem Bräutigam ans finge-

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