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und einer Bevölkerung von 26 396 Personen. Nach den Arbeiten der etnographisch- statistischen Expedition Bd. 7. pag. 186-188 existirten in Kiew  , Volhynien und Podolien im Jare 1869 nicht weniger als 56 von Juden bearbeitete Kolonien mit einer männ lichen Bevölkerung von 20 665 Personen. In Kleinrußland und Weißrußland   befizen die Juden große Ansiedlungen mit Acker­wirtschaft, dazu kommt noch die ackerbautreibende jüdische Be­völkerung in Rautajien und Transkaukasien  . Alles zusammenge­nommen darf die jüdische( männliche) Bevölkerung, die sich der Landwirtschaft zugewendet hat, auf hunderttausend Köpfe ver anschlagt werden. Es würde dies etwa den sechsten oder siebenten Teil der gesamten arbeitsfähigen( männlichen) jüdischen Bevölke­rung ausmachen.

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Wir dürfen für heute auf die Schicksale und die Lage dieser jüdischen Kolonien nicht näher eingehen. Eins sei nur konstatirt, daß die ackerbautreibende jüdische Bevölkerung durchaus den bäuerlichen Karakter angenommen hat.

Viele der Angesiedelten, namentlich der zwangsweise Ange­siedelten sind den schweren Anforderungen des bäuerlichen Berufs nicht gewachsen gewesen, andere haben dabei troz bescheidenster Lebensansprüche die Möglichkeit zur Erhaltung ihrer Existenz nicht gefunden und sind in die Städte zurückgekehrt. Das ließ sich von vornherein erwarten, und stets werden große Bruchteile einer Gesellschaftsklasse verloren gehen oder sich als absolut un­tauglich erweisen, wenn man sie one Berücksichtigung der speziellen Anlagen der einzelnen gewaltsam einem Berufswechsel unter­werfen wollte.

Man hat aus unserer Darstellung ersehen, daß die Juden in Preußen in der Berufstätigkeit sich eben nur darin von ihren christlichen Mitbürgern unterscheiden, daß sie mehr als diese im Handelsstande und weniger als sie im schweren Gewerbe und namentlich in der Landwirtschaft vertreten sind. In Rußland  und Polen   liegen die Verhältnisse ähnlich, die Juden sind in den ihnen erschlossenen Gebieten stärker als die Christen im Handel, aber auch weit stärker im Handwerk und nur schwächer als sie in der Landwirtschaft.

Wir haben für beide Erscheinungen die natürliche Ursache angegeben. Von denjenigen Berufsarten, in denen sie heute ver­hältnismäßig schwach vertreten sind, waren sie gesezlich, syste matisch ausgeschlossen und dieser Ausschluß hat, eine gewisse Ein­seitigkeit vererbend, Jarhunderte hindurch gedauert. Die Berufs­tätigkeit der Juden hat sich tatsächlich genau nach den Wünschen und Interessen der Christen gestaltet, denen sie in Deutschland  am liebsten als Wucherer und Schacherer und in Polen   und

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Rußland am liebsten als Handwerker und Händler waren, von der großen, würdigen Periode abgesehen, in der in diesen Staaten auch ihre anderen Fähigkeiten vollauf zur Geltung kamen. Die den Juden gegenüber angewendete Gewalt hat hier wie dort keine guten Früchte getragen. Man versuche es jezt auf anderem Wege und zwar auf dem der Anziehung und Emporhebung und nicht auf dem der Abstoßung und Ausschließung. Dabei wird man besser faren als vorher, und will man ein übriges tun, dann spüre man den Krebsschäden in der allgemeinen Gesellschaft nach und suche sie zu heilen. Bei ehrlichem Forschen nach der Warheit wird man sie finden und zugleich auch die Mittel zu einem harmonischeren Leben als das unserer Tage, welches die Judenheze geboren hat.

Bei unserer Umschau nach den eigentlichen Ausbeutern des russischen Volkes und besonders der russischen Bauern haben wir andere Schuldige als die Juden gefunden, und wenn troz alledem noch auf die Raffinirtheit derselben, ihr großes Talent zur Aus beutung verwiesen werden sollte, so sei an ein russisches Sprüch wort erinnert, das uns leider nicht ganz genau in der Erinnerung ist, das aber besagt, daß schlau und raffinirt Griechen und Ar­menier, schlauer als diese aber die Juden, jedoch noch schlauer und geriebener als die Juden die Russen selbst seien. Diese Karakteristik der Russen stamt eigentlich von Peter dem Großen her.

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Wir sind natürlich weit entfernt, die allen anderen Volks­elementen überlegene Schlauheit der Russen, welche sich tatsäch lich in der Uebervorteilung der mit ihnen in Berürung kommenden Personen zu äußern pflegt, als etwas Angeborenes, als eine Rasseneigentümlichkeit hinzustellen. Wie das Schachern und Wu­chern der Juden keine Rassenerscheinung, sondern etwas durch grausame Verhältnisse anerzogenes ist, das unter besseren, ges sunderen Verhältnissen wieder abgelegt werden kann, so verhält es sich auch mit der russischen Schlauheit. Sie ist nur ein Pro­dukt des ungeheueren Drucks, und der schrecklichen Ausbeutung, unter der das Volk bis dahin seufzte und die nach den verschie densten Richtungen hin demoralisirend wirkte. Schlauheit, Bos­heit, kriechendes, tüdisches Wesen, Unehrlichkeit hat sich stets im Gefolge der Leibeigenschaft befunden, und wenn einzelnen Juden gleichfalls derartige häßliche Eigenschaften anhaften, dann wissen wir, woher sie stammen, aus der Periode der tierischen Knecht schaft, zu der sie verurteilt waren.

Bei günstigerer Gestaltung der allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse in Rußland   wird sicher sowol die Korruption des russischen Beamtentums als auch die verrufene Schlauheit der russischen Bevölkerung samt den meisten der fatalen Eigenschaften der jüdischen Bevölkerung beseitigt werden.

Meine erste Gotthardfart.

Reisestizze von Carl Stichler.

Das eigentliche Hospiz befindet sich in dem alten massiven und an Umfang nicht bedeutenden ehemaligen Zollhause. Das­selbe steht am Lago grande, hat im Erdgeschoß eine von soliden Steinsäulen getragene Vorhalle, die mit ihren fünf Bogenöff nungen nach der Straße mündet, wärend an der entgegengesezten Rückwand des Gebäudes, den Abhängen der 2742 Meter Meeres höhe erreichenden Fibbia zugekehrt, das Mauerwerk gleich einem massiven Festungswalle verstärkt und geformt, mit schräger Fläche dem Anpralle heraustürmender Lawinen ausgesezt ist. Die zur Zeit benuzten Räumlichkeiten des Hospizes verteilen sich auf das Innere des Erdgeschosses, auf die erste Etage und auf den um­fangreichen Dachraum.

Als Scume, der Spaziergänger von Syrafus", am 18. Juni 1802 diesem Gebäude einen Besuch abstattete, fand er es ver­wüstet und zerstört; die kahlen Mauern des Zufluchtsgebäudes berichteten damals von den Gräueln des Alpenkrieges.

Seume   berichtet*:)" Es war nach dem Gewitter sehr schlechtes Wetter, kalt und windig, und in den oberen Schluchten konte man vor dem Nebel und noch weiter hinauf vor dem Schneegestöber durchaus nichts sehen; links und rechts blickten die beschneiten Gipfel aus der Dunkelheit des Sturmes drohend herunter. Nach zwei starken Stunden hatten wir uns auf die obere Fläche hinauf

*) Prosaische und poetische Werke von J. G. Seume. III. Teil. Seite 114-115. Gustav Hempel.

( Schluß.)

gearbeitet, wo das Kloster und das Wirtshaus steht und wo man im vorigen Kriege geschlagen hat. Das erste liegt jezt noch wüst und der Schnee ist von innen hochaufgeschichtet; das Wirtshaus ist ziemlich wieder hergestellt und hat man schon wieder leidliche Bequemlichkeit. Es muß eine herkulische Arbeit gewesen sein, hier nur kleine Artillerieſtücke heraufzubringen, und es war wol nur in den wärmsten*) Sommermonaten möglich. Der Schnee liegt jezt noch( 18. Juni 1802) auf dem Wege sehr hoch und ich fiel einigemale bis an die Brust durch. Den höchsten Gipfel des Berges zu ersteigen, würde mir zu nichts gefremt haben, da man in dem Nebel kaum zwanzig Schritte sehen konte. Es ist vielleicht in den Annalen der Menschheit aus diesem Kriege ein neues Phänomen, daß man ihn hier zuerst über Wolken und Ungewitter herauf trug."

Die Franzosen hatten im September 1799 nach mehrere Mo­nate wärender militärischer Besezung der Paßhöhe und der Zu­sluchtsgebäude das Hospiz und die Nebenbauten bis auf das massive Mauerwerk zerstört. Dem unter Suwarow's   Fürung hier oben vordringenden russischen Heere, wollte man dadurch alle Stüz punkte entziehen, und so geschah es, daß alles Holzwerk" aus den damals hier vorhandenen Gebäuden entfernt und vernichtet wurde.

*) Geschah im Herbste!