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Mögen deine Grüße rauschen Vom Gestein, du trauter Bach; Doch der Freund ist mir verloren, Der in dein Gemurmel sprach.

Blumen fort und Nachtigallen, Und das gute Mädchen auch! Meine Jugend fort mit ihnen, Alles wie ein Frühlingshauch!

Baum, wo sind die Nachtigallen, Die hier sangen einst so süß? Und wo, Wiese, deine Blumen, Die mir Rosa sinnend wies?

Nikolaus Lenau  .

Desterreich und das ,, bischen Herzegowina.

( Dazu die Illustration Festung Branduk in Bosnien  .)

Von manchem Strauß fönte sie uns erzälen die alte, auf unserm Bilde sichtbare Festung Wranduk, der hier gegen die europäische   Türken­herschaft ausgefochten wurde und von manchem Austurm, den sie unerschütterlich zurückgeschlagen. Jezt freilich sind ihre Mauern zer­fallen, zerbröckelt allmälich wie auch die Herschaft des Halbmonds in Europa  . Aber immer noch umgibt sie die alte Gebirgsromantik, rauschen an ihr vorbei die Wogen der der Save zueilenden Bosna und immer noch ist der alte Kampf zwischen den Völkern nicht erlo­schen, der seit Jarhunderten um den Besiz dieser Landschaften, wie end­giltig um den Schlüssel" zu Asien  , dem schönen und gewaltigen Kon­ stantinopel  , entbrant ist. War es nun früher vornemlich Deutschland  , das die Türkei   in ihrem Vormarsch gen Europa   aufhielt, so hat in neuerer und neuester Zeit Rußland diese ,, Kulturmission" übernommen, und der lezte russisch  - türkische Krieg, der lediglich, d. h. wie man vor­gab, von dem nordischen Bären gefürt wurde, um ,, die armen unter­drückten Christen von der grausamen muhamedanischen Herschaft zu be freien", ist noch zu lebhaft in aller Gedächtnis, als daß man darob viel Worte zu verlieren nötig hätte. Damals hat denn die Diplomatie der europäischen   Großmächte auf dem Berliner   Kongreß die orien­talische Frage, auch wie man der Welt glauben machte, zu aller, d. h. der Christen Zufriedenheit gelöst und das bischen Herzegowina" des tonangebenden europäischen   Staatsmannes mit noch verschiedenen an­dern den Frieden Europas   störenden Faktoren zur Ruhe gebracht. Steptiker und die ewig Unzufriedenen behaupteten zwar demgegen über das Gegenteil, indem sie meinten, die orientalische Frage sei nur vertagt worden, um über kurz oder lang der Diplomatie wie den Völkern wieder arges Kopfzerbrechen zu verursachen, aber sie waren in der Minderheit und was noch schwerer wiegt, nicht tonangebend. Und so wurde denn die ,, Selbständigkeit" der Balkanvölker anerkant, das Fürstentum Bulgarien installirt und dem zerbröckelnden Kaiser­staate an der Donau  , jedenfalls wider den Willen Rußlands  , die Pflegschaft wie sich der mit mehr Eifer als Geschick neuerdings die Kriegstrompete tutende russische General Skobeleff ausdrückt über Bosnien   und die Herzegowina übertragen. In lezteren Landschaften wollte der mehr fidelen Sinn als Kentnisse von diesen zeigende Graf Andrassy mit einer Kompagnie Soldaten und einer Musikbande einziehen und damit sich die Herzen aller befreiten Brüder" im Sturme erobern. Die Flintenschüsse der lezteren waren die vorläufige Antwort.

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Die Bulgaren   haben ihren Staatsstreich und werden wol auch sonst Gelegenheit genug gehabt haben, um Vergleiche zwischen der früheren türkischen und der jezigen Wirtschaft des von Rußland ge­tüzten Fürsten Alexander Battenberg   anzustellen. Das interessanteste ist jedenfalls, daß das bischen Herzegowina" seit leztem Herbst wiederum auf der europäischen   Tagesordnung steht und daß die österreichische Mission, Kultur nach dem Osten zu tragen, auf dem Punkt angekommen ist, um von den hartköpfigen, für dergleichen Kultivirung wenig Ver­ständnis zeigenden Bosniaken und Herzegowzen vereitelt zu werden. Denn wiederum ist ein Ausstand unter diesen wilden Söhnen der Berge ausgebrochen, der solche Dimensionen angenommen hat, daß man in Wien   nicht nur deshalb die Delegationen zur Bewilligung einer außer­ordentlichen Kriegsausgabe von 8 millionen Gulden zusammenberufen, sondern auch eine ganz bedeutende Truppenmacht nach den insurgirten Distrikten senden mußte.

Der Aufstand nam seinen Anfang in der Krivoscie, einem zu Dal­ matien   gehörigen, an den Meerbusen von Cattaro  , im Osten an Mon­tenegro grenzenden Bergland, das 5000 Seelen zält. Nicht lange dauerte es, so hatten sich auch die Bewohner des Berglandes der an­grenzenden Herzegowina den Aufständischen angeschlossen und schließlich folgten auch einige Gegenden von Bosnien   nach. Anfangs hieß es offiziös, die Aufständischen seien Räuber, die ihre Vieh- und sonstigen Diebstäle ausfürten, und man suchte mit dieser Ausflucht die mißgestimten Gemüter zu beschwichtigen.

Als man jedoch nicht mehr läugnen konte, daß die ganze Gebirgs­gegend von der montenegrinischen Grenze bis Fotscha und unweit Mostar   rebellirte, rückten denn auch verschiedene Leute mit der Sprache heraus über die Ausübung der Kulturmission der Desterreicher in den offupirten Provinzen. Höheren" Drts meinte man nun, das neue Rekrutirungsgesez sei schuld. Andererseits ist man jedoch der Ansicht, die gesamte Art der Verwaltung und der Regirung habe den Aufstand

angezettelt.

Die hier in Frage kommenden Provinzen werden als ein schon durch ihren Wasserreichtum besonders sich für den Ackerbau eignendes

und fruchtbares Lard geschildert. Außerdem sind sie reich an Natur­schönheiten. Es wären also schon Bedingungen vorhanden, um den Wolstand und damit geordnete Verhältnisse zu fördern. Die türkische Verwaltung soll dies nun nicht nur nicht getan haben, sie soll durch ihre Mißwirtschaft im Gegenteil noch mehr den wirtschaftlichen Ruin gefördert haben. Deswegen jagte man die Moslems hinaus und be­traute die Desterreicher mit der wichtigen Aufgabe, diese Länderstriche zu pflegen. Desterreichs politische und wirtschaftliche Verfassung wäre nun aber schon Grund genug gewesen, um seine leitenden Kreise von solch einer Mission fern zu halten, und so gewint es fast den Anschein, als hätten die Weisen vom Berliner   Kongreß den Teufel mit Beelzebub austreiben wollen.

Genug, 1) langte die andrassysche eine Kompagnie mit der Musik­bande nicht und die Besizergreifung resp. Offupation fostete 150 mil­lionen Gulden; 2) blieben die Agrarverhältnisse, welche früher zur Rebellion gegen die türkische Herschaft gezwungen, dieselben; 3) war die Rechtspflege sehr mangelhaft; 4) vermehrten sich die Steuern derart, daß sie für die unglücklichen Bewohner unerschwinglich wurden; 5) überschritt mit dem Wehrgesez die österreichische Regirung die ihr vom Berliner   Kongreß eingeräumten Rechte u. s. w. Summa summarum war es eben unter der Pflege" der Madame Austria   in diesen Ländern eher schlechter wie besser geworden. Das wird von vielen nachgewiesen und selbst österreichische Minister gestanden ihre in diesem Punkte ver­übten Sünden.

So bestand die ,, Agrar- Reform" darin, daß man ein türkisches Agrargesez wieder einfürte. Dabei wurden die türkischen Grundbesizer in jeder Weise bevorzugt und gerade denjenigen unter ihnen, welche selbst von der mohamedanischen Bevölkerung verachtet wurden, großer Einfluß auf die Regirung gestattet. Das dritteil oder vierteil, das der Bauer an den Herren" zu bezalen hatte, wurde mit größerer Strenge wie früher, oft selbst durch Militärgewalt eingetrieben. Die Last für den Bauern wurde auch noch dadurch vergrößert, daß der Zehent für den Staat in 27 Kreisen des Landes in barem Gelde und nur in 20 in natura eingezogen wurde und zwar in einer Zeit, wo das Getreide schwer oder doch nur mit Verlust verkauft werden konte. Ebenso wurden durch die Regulirung der Einkommensteuer vom Werte der Grundstücke und Häuser, der Hauszinssteuer und anderer Abgaben, wie beispiels= weise der schon unter der Herschaft der Türken verhaßtesten Steuer auf Kleinvieh- von jedem Schaf oder Ziege 2, von jedem Schwein 4 Piaster die bäuerlichen Bächter noch mehr belastet, weil die Grund­herren diese Abgaben von den lezteren bezalen ließen. Dazu kommen noch die städtischen Steuern, welche zur Zeit der Türken gar nicht eri­stirten, die Viehtagen, Wegmauthen, Erwerbsteuer, Verzehrsteuer für Zucker und Getränke, das Salz- und Tabaksmonopol nach österreichi­schen Normen. Die Verwaltung der Landesteile kostete eben 6 Millionen und diese sollten durch Steuern gedeckt werden. Man trieb daher die Steuern streng ein, one Rücksicht auf die durch die frühere mangelhafte Verwaltung und durch Aufstände und Kriege zerrütteten Verhältnisse. Konten die Leute nicht zalen, so trieb man ihnen das Vieh weg und versteigerte die Häuser. So sollen jezt allein im Kreise Mostar   150 Lizitationen ausgeschrieben sein.

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Daß unter solchen Verhältnissen von einem Wolbefinden unter den Einwohnern der Herzegowina und Bosnien   keine Rede sein kann, ist flar. Wer daher konte, wanderte aus, wer dazu nicht fähig war, schloß sich den Räuberbanden im Gebirge an. In Mostar  , der Haupt­stadt der Herzegowina, sollen fast allein 900 Auswanderungsgesuche vor­liegen. Die von der sozialen Misère betroffenen, ganz gleich ob Mo­hamedaner oder Christen, sehnen sich nach dem türkischen Regiment zu­rück und wandern auch nach der Türkei   aus, wenn irgend möglich. Hätte sich daher Desterreich die Sympathien der Bevölkerung erwerben wollen, so hätte es den Wolstand heben, das Verkehrswesen fördern müssen. Dazu wäre aber eine Zufürung von Geldmitteln nötig ge­wesen, die dort nicht vorhanden sind und die aber leider zu solchen Zwecken auch in dem nach außen glänzenden Kaiserstaate fehlen. Da eine absolute Beamtenherschaft sämtliche Angelegenheiten re­gelte, so konten etwaige Beschwerden und Klagen nicht zum Ausdruck kommen und so wurden denn auch höchstens Huldigungs- Deputationen nach Wien   erlaubt. An Stelle der wenn auch nicht besonders guten, aber doch schnellen türkischen Rechtspflege war eine endlose Vielschreiberei getreten.

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Ordentliche Advokaten gab oder duldete man nicht, nur in Sera­jewo wurde ein abgebranter serbischer Teaterdirektor als Advokat ein­gefürt. Kurz, in allen möglichen Einrichtungen wurden die größten Fehler gemacht und auf die Verhältnisse und Gewonheiten des Landes gar keine Rücksicht genommen. Und als nun schließlich noch im Oktober