Herr Faber, so danke ich Ihnen," sagte er aber one alle Wärme im Ton. Was ich angesichts der drohenden Arbeits­einstellung zu tun habe, werde ich mir überlegen."

Er griff nach der Feder. Aber Faber hatte noch etwas zu sagen:

,, Dürfte ich mir noch eine Bemerkung erlauben?"

Bitte."

,, Vermöge meiner Erfarungen in meinen früheren Stellungen wäre ich warscheinlich imstande, binnen sehr kurzem auszuforschen, wo für uns brauchbare Arbeitskräfte zu haben wären, und ich würde gern bereit sein, sie rechtzeitig zur Stelle zu schaffen

-

" So?" Wieder schaute Franz Stein den Techniker prüfend an. Sehr freundlich. Ich werde Ihre Hülfe nach dieser Richtung hin selbstverständlich nicht zurückweisen, wenn ich derselben be­dürfen sollte. Also bis morgen, Herr Faber, und nochmals meinen Dank!"

Der Techniker mußte nun wol oder übel sich verabschieden. Aber er tat es nicht sehr zufrieden mit dem Erfolge seiner Dienst­willigkeit, und als der alte Diener die Vorsaltür hinter ihm geschlossen hatte, brumte jener in den Bart: ,, Unausstehlicher zugeknöpfter Kerl- der,-na, mir fann's egal sein, kann ich bei dem nichts ordentliches verdienen, so müssen die Pfaffen her halten. Den Domherrn muß ich so wie so gleich berichten, wie's hier steht."

*

-

Franz Stein arbeitete, bis der Morgen graute. Dann legte er sich zu kaum zwei Stunden unruhigen Schlafes nieder. Er träumte von seiner Frieda einen schreckensvollen Traum. Er ah sie im Brautschmucke vor sich stehen ganz in weiße Seide gehüllt, über dem weißen Kleide den langen, weit über die Füße hinabwallenden duftig zarten Brautschmuck. Sie trug den Myrten­franz im Har und in der Hand die Knospe einer weißen Rose. Langsam und wie feierlich ernst beugte sie sich über ihn und füßte ihn auf die Stirn. Da, als er sie mit beiden Armen um­schlingen wollte, sank sie zu Boden, one daß er sie aufrecht zu erhalten vermochte und-o Grauen! als er nach ihr hinab­o Grauen! als er nach ihr hinab­schaute, da sah er, daß dicht neben seinem Bette ein schwarzer Sarg stand, indem sie jezt ausgestreckt, so, als ob sie sorgsam hineingebettet worden sei, lagleichenhaft starr das liebe Auge gebrochen, keine Spur von Lebensröte auf den eben noch so frischen Wangen, den Myrtenkranz von einem Cypressenzweig

verdeckt.

-

Dieser Traum ergriff ihn furchtbarer erwachte jählings mit dem lauten Schrei: Frieda, Frieda! gleichzeitig sprang er auf und sah tiefentsezt und verstört ringsum.

Er vermochte sich nur schwer zu beruhigen, und sich von neuem zum Schlafe niederzulegen, war ihm völlig unmöglich. So sezte er sich wieder zur Arbeit, nachdem er beschlossen hatte, mit dem nächsten Eisenbahnzuge zur Stadt zu faren.

Und er tat, wie er beschlossen hatte. Doch hatte er nicht versäumt, sich Gewißheit zu verschaffen über die Absichten seiner Arbeiter.

Die Werkmeister bestätigten, was der Techniker Faber ihm be­richtet hatte.

Schweren Herzens reiste Franz Stein nach der Hauptstadt. Eine Droschke fürte ihn nach der Wohnung seiner Braut. Sie fonte bereits wieder zuhause angekommen sein, denn Franz Stein wußte, daß sie an diesem Tage stets um elf Uhr des Vormittags ihre Unterrichtsstunden beendet hatte.

Aber er fand ihre Tür fest verschlossen. Nun wollte er sich nach dem Institut der Frau Krause begeben. Als er jedoch die Treppe hinabzusteigen begann, öffnete sich eine Tür und eine Frauenstimme rief:

,, Der Herr wünschen wol zum Fräulein Haßler?"

11

Zu meiner Braut," antwortete er. Mein Name ist Franz Stein."

Ah, sehr erfreut, die werte Bekantschaft zu machen," sagte Frau Zampel, indem sie auf die Treppenflur trat. Das Fräu­lein ist aber nicht zuhause muß wol verreist sein denk ich mir, denn sie komt auch in der Nacht nicht mehr nachhause."

-

Ein jäher furchtbarer Schred durchzuckte Franz Steins Brust und gewaltsam mußte er sich fassen, um seine Bestürzung nicht deutlich zutage treten zu lassen.

" Sie wissen nichts Näheres über den Aufenthalt meiner Braut, sie war doch nicht etwa krank?"

-

Nein frank wird sie wol nicht grade gewesen sein! Ich

-

323

-

weiß übrigens wirklich nichts, rein garnichts von dem Fräulein­nur das weiß ich, daß sie sich in der lezten Zeit sehr gegrämt hat, daß sie nicht glücklich war sonst weiß ich wirklich gar­nichts, denn s'ist eben nicht meine Manier, mich um die Ange­legenheiten meiner Mitmenschen zu kümmern ganz gewiß nicht."

Franz Stein betrachtete die Frau mit weitgeöffneten starren

Augen.

-

--

Sie hat sich gegrämt, sie war unglücklich- weshalb?" " Weshalbja weshalb!? Sie wird sich wol gar zu einsam gefült haben sie hat doch gar keine Abwechslung, auch kein bischen Zerstreuung gehabt, immer hat sie so allein gesessen, immer hat sie gearbeitet und das kann ich Ihnen sagen, mein hat sie gearbeitet Herr, so etwas hätt' ich auch nicht ausgehalten, wär ich so ein junges Blut, und das hält eben kein Mensch aus- da soll mir mal einer, der's versteht, sagen, ob man da nicht rein tiefsinnig werden muß ja tiefsinnig sag ich Ihnen, mein Herr."

-

-

-

In Franz Steins Gesicht hatte, wärend die Frau spizen, malitiösen Tones diese Worte herausstieß, keine Muskel gezuckt nur die Lippen hatte er fest aufeinandergepreßt und keinen Blick von dem aller karakteristischen, scharfen Züge baren schwammigen Gesichte der Frau abgewant.

Als sie geendet, griff er an den Hut, wante sich und ging eiligen Schrittes die Treppe hinunter.

-

Die Frau Zampel war sehr befriedigt. " Da hab' ich's einem mal ordentlich gegeben wie er's verdient hat genau so. Na, ich wünschte blos, sie wär' ihm durchgebrant, ob er sich was daraus machen möchte, ist frei­lich sehr fraglich."

-

-

Für die Frau Zampel mußte das fraglich sein, für den vor­urteilsfreien und scharfsinnigen Menschenkenner aber, der Franz Stein jezt beobachtet, wie er in großen, gewaltsam beschleunigten Schritten dahinstürmte, wie sich seine breite Brust in raschen, furzen Atemzügen hob und senkte, wie er so düster und bleich dareinschaute, für einen Menschenkenner wäre es, selbst wenn er Franz Steins Beziehungen zu Frieda Haßler nicht minder oberflächlich gekant hätte, als Frau Zampel, fürwar keine Frage gewesen, ob es Stein zu Herzen gegangen wäre, wenn er sein Mädchen hätte verlieren müssen.

--­

In kurzer Zeit war er an dem Institute der Frau Krause angelangt. angelangt. Im Erdgeschoß wohnte der Schuldiener. Bei diesem erkundigte er sich zunächst nach Frieda.

Der Mann sah ihn ernst und verwundert an und erwiderte, was mit dem Fräulein eigentlich geschehen sei, wisse er nicht, aber sie müsse wol krank sein, denn sie fäme seit mehreren Tagen nicht mehr zur Schule.

" Krank !" schrie Franz Stein auf und wieder sah er den Sarg neben seinem Bett stehen und die bräutlich geschmückte Leiche darin, bei der der Cypressenzweig die jungfräuliche Myrte bedeckte. " Wissen Sie das gewiß ist sie etwa gar schon tot? sagen Sie mir die Warheit- ich will Reden Sie, Mann Ihnen reichlich lohnen- reden Sie nur!" Der Schuldiener schüttelte den Kopf

-

,, Nein, nein", sagte er, tot- das ist ja unmöglich, dann hätte doch irgend ein Mensch im Institute was davon erfaren Also regen Sie Sich nicht so auf und angstigen Sie sich nicht, Herr Herr sie war ja so jung und kräftig und so gut-, aber ich fann Ihnen warhaftig nichts weiter sagen, weil ich auch kein Sterbenswörtchen weiß, aber gehen Sie doch zu unserer Frau Direktorin, die wird Ihnen Auskunft geben können."

-

Franz Stein griff hastig in die Tasche und drückte dann dem Schuldiener ein Geldstück in die Hand, über dessen Betrag der mit den Sorgen der Existenz siets in hartem Kampfe liegende Mann in augenscheinliches Entzücken geriet.

Diensteifrig begleitete er Franz Stein zum Direktorialzimmer hinauf und meldete ihn an.

Die Frau Direktorin hörte kaum den Namen Stein, als sie sehr eilfertig und vernemlich entgegnete, sie müsse bedauern, sie sei sehr beschäftigt.

Franz Stein hatte sehr wol gehört, was sie sagte, und er hatte auch aus dem Tone, in welchem die Abweisung geschah, sofort entnommen, daß die alte Dame gegen ihn eingenommen sein müsse. Aber er war nicht in der Stimmung, sich abweisen zu lassen- er wollte und mußte erfaren, wie es mit Frieda stand und sei es zehnmal auf die Gefar hin, ungezogen und aufdringlich zu erscheinen. Er trat daher in die Tür des Direk­torialzimmers, welche der Schuldiener zu schließen zögerte, ver­

-