Schwesterherz! Die längste Zeit bist du allein gewefen, nach meiner Verheiratung komst du zu mir, dann hat die Arbeit ein Ende und das Vergnügen begint. Nicht war, du bist mir nicht böse, daß ich schon wieder gehe, aber ich muß jezt überall sein." Und mit einem flüchtigen Kusse stürmte sie wie ein Wirbelwind hinaus.
Wie gebrochen sank Hedwig zurück:
" Nun gehört er ihr," murmelte sie dumpf und heiße Tränen tropften auf ihre verschlungenen Hände.
Da wieder ein Klopfen an der Tür. Erschreckt wischte sie die Tränenspuren aus dem blassen Gesicht und auf ihr schwaches " Herein" sah sie verstört Professor Harms hohe Gestalt eintreten. Sie erhob sich, aber unfähig, ihm nur einen Schritt entgegen zu gehen, mußte sie sich zitternd auf einen kleinen Tisch, der ihr zur Seite stand, stüzen.
Der Professor, sich ihr nähernd, hielt ihr die Hand zur Begrüßung hin, aber sie schien es nicht zu bemerken, sondern sagte mit nervöser Hast, und doch mühsam:
" Gerta ist nicht mehr hier, sondern ging vor einigen Minuten fort."
" Ich weiß es; auch wollte ich nicht zu Gerta, sondern zu Ihnen. Sie verriet mir, daß jene herlichen Blumenstücke, wie ich freilich schon halb vermutet, von Ihrer Hand seien, und so eilte ich her, um Ihnen noch einmal mündlich meine innigste Freude und Bewunderung auszusprechen, die Blumen sind einzig schön. Der Flieder ist bereits in meinem Besiz; ich erwarb ihn, noch ehe ich wußte, daß Sie ihn gemalt, denn er erweckte in mir auch Erinnerungen an jene Fliederzweige, durch deren Vermittelung ich eine gewisse junge Dame kennen lernte, die, als ich sie ihr pflückte, damals freundlicher gegen mich war, als in den lezten zwei Monaten," jezte er mit leisem Vorwurf und leiser Trauer in der Stimme hinzu.
Röte und Blässe jagten sich auf Hedwigs Antliz; dieser so merkwürdig verschleierte Ton, den sie bisher noch nie von ihm bernommen und welcher in ihrer tiefsten Seele nachhallte in Angst und doch Entzücken, steigerte ihre schon so große Aufregung aufs höchste. Ihrer Sinne kaum mächtig, unfähig sich länger aufrecht zu erhalten, sank sie auf einen Stul, wärend sie ihm mechanisch andeutete, Plaz zu nemen.
Ihre tötliche Blässe bemerkend, rief der Professor heftig erschrocken:
" Mein Gott, wie leidend Sie aussehen, ist Ihnen nicht wol? Sie haben sich überanstrengt!"
Gewaltsam zwang sie die rebellische Natur zur Ruhe. Nur feine Schwäche vor ihm, um feinen Preis durfte er ahnen, wie sie in Warheit litt, und mit Selbstbeherschung entgegnete sie:
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" Ja, das wird es sein; meine Gesundheit hat ein wenig gelitten in den lezten Wochen, doch ist es nichts von Bedeutung angegriffene Nerven, die sich in der Muße leicht wieder stärken." Mit zitternder Hand glitt sie über die wirre Stirn, wie um die lezte Schwäche zu bannen. Dann sah sie voll und gefaßt ihm ins Auge:„ Erlauben Sie mir jezt,- Ihnen zu Ihrer Verlobung herzlichst zu gratuliren; Gerta teilt mir ihr Glück soeben mit. Sie wird Ihrem Leben ein steter Sonnenstral sein, ich weiß, Sie werden sie lieb und wert halten, ich darf sie Ihnen ruhig anvertrauen," und sie reichte ihm die bebende, marmortalte Haud.
und
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Er ergriff sie heftig und rief mit wehmütiger Bestürzung: " Ich verlobt! und Sie wünschen mir Glück? O Hedwig,
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wenn Sie es so ruhig zu tun vermögen zu einer Verlobung mit einer andern dann war meine stille, selige Hoffnung ein leerer Traum!" Und auch ihre andere Hand erfassend, ihr beschwörend und voller Liebe in die Augen blickend, flüsterte er in tiefer Bewegung:
,, Wiffen Sie es denn nicht, daß ich in der weiten Welt nur Sie liebe? daß ich namenlos unglücklich war, als Sie so plözlich gegen mich erfalteten! War es ein Irrtum, Hedwig, als ich glaubte, Ihrer wert zu sein?"
Traumverwirrt sahen ihre tränenfeuchten Augen sekundenlang zu ihm auf, aber als sie einem Blick unaussprechlicher Liebe und Zärtlichkeit in den seinen begegneten, da stratten sie in seliger Verklärung, wärend ihr holder Mund halb zweifelnd, halb jauch zend stammelte:
" Barmherziger Gott, ist es denn war, so komt das Glück nun doch endlich, endlich zu mir?... Ich litt ja unsäglich in dem Gedanken, daß Sie Gerta gehörten und erlag fast in all dem Weh."
" So liebst du mich, Hedwig!" jubelte er, sie an sich ziehend, ,, o Lieb, was für ein unselig- seliges Mißverständnis!" Durch Tränen lächelte sie glücklich zu ihm auf.
,, Gerta nante in ihrer Eile und Flüchtigkeit nur den Vornamen ihres Verlobten, aber er war ja auch der deine, und ich glaubte nur dich darunter zu verstehen, so daß ich sie nicht weiter fragte. Es war eine furchtbare Zeit für mich, diese zwei Monate, und ich namenlos unglücklich," sezte sie leise hinzu, sich in scheuer Hingabe inniger an ihn schmiegend. Aber nun ist alles gut! Weißt du, daß ich dich unsäglich liebe, und hast du mich auch wirklich so von Herzen lieb, genügt mein unbedeutendes Ich deinem reichen Geiſt?"
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"
" Du Liebstes mir auf Erden," antwortete er innig und seine Lippen legten sich heiß auf ihre schöne Stirn.
„ Alles, was ich je zu träumen gewagt, habe ich vollendeter noch in dir gefunden. Was gäbe es für mich Schöneres, Besseres, Edleres in der Welt als dich!!"
" Mein Herbert!" Sie sagte nichts weiter, aber ihre ganze Seele lag in dem unsagbar süßen Ton dieser Worte.
Ergriffen neigte er seine Stirn auf ihre Hände, aber nicht aussprechen, nur fülen konte er das Glück, so geliebt zu werden. " Und Gerta?" fragte Hedwig nach einer seligen Pause, denn unwillkürlich drängte sich ihr der Gedanke auf, ob sie wol so glücklich sein mag, als ich?"
" Ist die Braut meines Vetters, eines reichen Banquiers, des Neffen der Kommerzienrätin. Ihre fünftige Stellung wird sie befriedigen und sie ganz am rechten Plaze sein mit ihrer Anmut und ihrem lebhaften Geist. Ihr Verlobter betet sie an. Ob sie aber so glücklich sein werden, wie wir, mein Lieb, wage ich nicht zu behaupten. Ich fürchte, Gerta ist hauptsächlich durch Reichtum gefesselt worden, dich aber haben Kunst und Liebe mir zugefürt. Jene Fliederzweige sollen mir stets geheiligt sein."
" Und darf ich meiner Kunst treu bleiben, auch wenn ich dir gehöre?"
"
Sobald du sie nicht über mich stellst, Geliebte, und du, als Genie, mich armen Staubgebornen nicht zu sehr vernachlässigst!" drote er scherzend.
Sie aber antwortete hingebend:
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„ Nur in dem Reich der Liebe ist das Weib ein Genie ich verlange nach keinem andern Ruhm, als nur dich ewig lieben zu dürfen."
Aus dem Bereiche der Wolken.
Naturwissenschaftliche Betrachtung. Von P. Gronen.
Eilende Wolken, Segler der Lüfte,
Die Wissenschaft hat sich erst spät in den Bereich der Wolken Wer mit euch wanderte, wer mit euch schiffte. gewagt; wandelreich in der Form, wie sie sind, sind sie auch in ihrem Entstehen, in ihrem Sein und Wesen nur erst der fortgeschrittenen Wissenschaft begreiflich geworden. Phantasie und Wissenschaft schließen einander gewönlich aus; und da die unfaß bare Zal der Wolkengestaltungen anscheinend nicht die mindesten Anhaltepunkte für die, oft nur zu sehr nach starren Gestaltungsgesezen suchende Wissenschaft darzubieten schien, so war es fein Wunder, wenn Luke Howard's Versuch, die Wolkenformen dennoch auf gewisse Grundgestalten zurückzufüren, auf Goethe einen fast
Wer hätte nicht schon einmal ähnlich wie Maria Stuart empfunden, wenn er hoch in den Lüften die Wolkenscharen in einem oberen Luftstrom dahintreiben sah, wie von eigener innerer Straft bewegt, wärend unten um ihn vollkommene Windstille herschte. Da dachten wir, oder riefen es wol aus: wer mit euch wanderte, wer mit euch schiffte!