Schoße in seiner Asche ruhenden Volke mehr. Es ist spurlos ver­schwunden, wie zahlreiche Völker vor ihm.

Von den anwesenden Engländern hatte sich jedenfalls Sir Richard Clinton, welcher sich sehr angenehm mit Lucie unter halten, am besten befunden, obwol sein Deutschsprechen eben nicht von besonders fließender Art war. Sein würdiger Oheim, welcher unter der Aufbruche eines so alten Heidengrabes sich etwas außerordentliches, eine Ueberraschung vorgestellt haben mochte, sah sich aufs ärgerlichste enttäuscht, und sein fleischiges von Schweißtropfen perlendes Gesicht verriet großen Verdruß, der nur vermehrt wurde, da er seinen Neffen in so eifriger Unterhaltung mit Lucie bemerkte.

Vorfaren!" brumte seine Lordschaft dem Lakai zu, und als auf dessen Wink der Wagen vorfur, erhielt John, der seinem wolgenärten Lord beim Einsteigen behiflich war, den Befehl, Sir Richard zu fragen, ob er sich vielleicht in der Heide häuslich niederzulassen gedenke.

Dheute und morgen noch nicht, teurer Dheim," ant­wortete der junge elegante Sir, der unbemerkt zu dem Wagen

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getreten war, lachend und schwang sich auf den Siz, den er beim Kommen eingenommen hatte. Mit vornehmer Hand­bewegung grüßte Lord Clinton den sich tief vor ihm verbeugenden Herrn Professor; Sir Richard aber mit freundlichem Kopfnicken die junge Frau, welche diesen Abschied nicht unerwidert ließ. Fast im gleichen Moment färbte ein tiefes Erröten ihre Wangen, sie bemerkte erschreckend, daß mehrerer Blicke sich verwunderungs­voll auf sie richteten. Bestürzt trat sie zurück, um sich dem Bereiche dieser sie beängstigenden Geschoße zu entziehen.

Bei der von ihr gemachten Wendung glaubte sie vor Ent­sezen in die Knie sinken zu müssen. Doktor Philipp, ihr Gatte, stand mit zornbleichem Gesicht neben ihr.

Komm!" sagte er leiſe.

Bald wurde es öde um das zerstörte Hünengrab, nur der Master in seinem weißen, rotgekleideten Mantelrock und an dem sackweiten schwarzgrauen Strumpfe fortbreidelnd, stand als un­vergängliche Type in der einsamen Heide unter seinen Meinen lustigen Heidschnucken!

( Fortsezung folgt.)

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Bur Entdeckungsgeschichte des Galvanismus.

Von D. Gronen.

Wo ist die gute, alte Zeit," geblieben? Jene Zeit, in der man freilich nicht versäumte, sein Testament zu machen, wenn man von Berlin nach Königsberg oder Hamburg reiste; in der aber auch dem Klang des Posthorns die unseren Vätern sehr wol bekante poetische Färbung inne wohnte, welche den roman­tischen Dichtern jener Zeit zur Belebung ihrer Lieder diente von den zarten Geheimnissen der altehrwürdigen Postkutsche ganz zu schweigen; jene Zeit, in der die Gefängnisse doch noch wenigstens die für ihre Insassen tröstliche Eigenschaft besaßen, daß man aus ihnen ausbrechen fonte, one befürchten zu müssen, in einigen Tagen sich genötigt zu sehen, ihre Gastfreundschaft aufs neue in Anspruch zu nemen, einen leidlichen Vorsprung und gute Beine vorausgesezt; ja, wo ist diese Zeit geblieben? sie ist unwiederbringlich dahingeschwunden seit jenem Augenblicke, da der grelle Pfiff der Lokomotive den weichen Ton des Posthornes ver­drängte und seitdem der Telegraph sein weitmaschiges, eisernes Nez über die Erde gespant hat.

Man hat den Telegraphen die glänzendste, wissenschaftliche Eroberung der Neuzeit genant. Mit Recht; denn erst in den lezten Jarzehnten vermochte sich die Naturwissenschaft zu der bis dahin fast ungeahnten Höhe zu erheben, auf der ihr die geist volle Benuzung einer seit Jartausenden bekanten Naturkraft mög­lich wurde, als deren Frucht wir den Telegraphen anzusehen haben. In der Tat, wie unzäligemale hat man von Alters her durch Reibung eines Stückchens Bernstein oder Siegellack die geheim­nisvolle Kraft der Elektrizität geweckt, one je auf den Gedanken zu geraten, die rätselhafte Zu- und Abneigung der Körper zum allezeit dienstbereiten Diener sich zu unterwerfen, der den Aus­tausch unserer Gedanken mit Blizesschnelle vermittelt. Die rohe, ungebändigte Kraft war von Anfang alles Seins an vorhanden, das machtvolle Zauberwort, dem sie gehorcht, aufzufinden, war unserer Zeit vorbehalten.

In der Naturwissenschaft gilt fast noch mehr, als sonstwo das Wort: Kleine Ursachen, große Wirkungen. Die Geschichte dieser Wissenschaft weist zahlreiche Beispiele nach, in denen irgend eine vereinzelt dastehende, zusammenhangslose Entdeckung urplözlich ein helles Licht warf auf ganze Gebiete des Wissens, aus der sich ein wichtiger Zweig der Wissenschaft entfaltete, wie der mächtige Baum aus dem unscheinbaren Samenkorn.

So hatte gewiß der italienische Arzt Aloisius Galvani zu Bo­ logna , der sich vorzugsweise damit beschäftigte, die Einwirkungen zu erforschen, welche die Elektrizität auf das tierische Nervenleben ausübt, keine Ahnung von der hohen Bedeutung, welche die von ihm untersuchten Froschschenkel für die Wissenschaft gewinnen wür­

Und doch haben sie unmittelbar den Anstoß gegeben zu einer Reihe glänzender Entdeckungen, one die wir heute den Tele­graphen möglicherweise noch nicht kennen würden.

Es war im Jare 1786, als Galvani eines Abends eine An­zal abgeschnittener Froschschenkel in seinem Laboratorium in der Nähe der Elektrisirmaschine liegen ließ. Dieselben waren nur teilweise vom Rumpfe getrennt und hingen noch vermittelst des blosgestellten Hüftnerven mit demselben zusammen. Der Zufall

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und dieser spielt auch in der streng aufbauenden Wissenschaft eine keineswegs bedeutungslose Rolle, wollte es, daß einer der Gehilfen mit einem Messer den blosgelegten Nerv berürte, und zum größten Erstaunen desselben wurde dadurch der Schenkel selbst in lebhaft zuckende Bewegung versezt. Galvanis Frau, welche gerade gegenwärtig war, kam sofort auf den Gedanken, daß diese Zuckungen mit elektrischen Funken im Zusammenhange stehen möchten, die ein anderer Gehilfe dem Leiter der Elektrisirmaschine entlockte. Galvani , von der auffallenden Erscheinung in Kent­nis gesezt, wiederholte und erweiterte diese Versuche. Einst hängte er Froschschenkel vermittelst eines fupfernen Hakens an einem eisernen Gitter auf, und so oft der Wind die Froschschenkel mit dem Eisengitter in Berürung brachte, gerieten sie in dieselben Zuckungen, die er schon beim ersten Versuche wargenommen hatte. Diese leztere Entdeckung nun war es, der er seinen unvergäng lichen, wissenschaftlichen Ruhm verdankt.

Wir sagten oben, daß die Untersuchungen Galvanis ursprüng lich auf Erforschung der Einwirkung hinausliefen, welche die Elektri­zität auf die tierischen Nerven ausübt. Demgemäß meinte er denn auch in den eigentümlichen Zuckungen der Froschschenkel Aeußerungen einer in den Nerven selbst liegenden elektrischen Kraft vor sich zu haben, die er natürlich für etwas bisher noch Un­bekantes und also von ihm Entdecktes ausgab. Ja, er ging in dem Eifer und dem Feuer, das in der Regel glückliche Entdecker beseelt, so weit, zu vermuten, daß er hier der eigentlichen Lebens kraft auf der Spur sei, welche sich selbst nach dem Tode durch elektrische Einwirkungen noch erregen lasse. Was der begeisterte Mann als Vermutung aussprach, wurde von vielen phantastischen und unklaren Köpfen bereits als unumstößliche Warheit der staunen­den Welt verkündet. Hätte man diesen karakteristischen Ueber treibungen Glauben schenken wollen, so mußte man annehmen, daß man auf dem besten Wege sei, dem garstigen Tode vollständig den Garaus zu machen, und daß der Galvanismus- diesen Namen hatte man der angeblich neu entdeckten Naturkraft bei­gelegt-es sei, der das Unmögliche möglich machen werde. So ungefähr war der Stand der Meinungen, als ein anderer