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wird, welche gewönlich von Hamburg bis Nio de Janeira 24-25 Tage dauert. Die Verpflegung auf diesen Schiffen ist gut, wenigstens bedeutend besser als auf den englischen Dampfern, und jedes Schiff hat einen Arzt am Bord, der jedem Passagier im Krankheitsfalle unentgeltlich zur Verfügung steht. Wem es seine Mittel erlauben, versäume ja nicht, Lissabon zu besuchen, es ist eine prachtvoll gelegene Stadt und die lezte, die man von Europa sieht. Der Dampfer hält hier gewönlich 24 Stunden, ladet und löscht, und dann geht's hinaus in die weite Wasserwüste, an den kanarischen Inseln vorüber, wo der Pik von Teneriffa von weitem sichtbar ist, dann weiter nach Sankt Vincenta, einem afrikanischen Felsennest, wo mitunter Kolen geladen werden. Auf hoher See ist die Seekrankheit fast immer vorbei nnd alles amüsirt sich nach Belieben. Unter dem Aequator werden vom Schiffsvolk die tollsten Sachen aufgefürt, und mancher Passagier erhält die Taufe", d. H. er wird mit Wasser begossen, zum Andenken an den Ueber tritt auf eine andere Erdhälfte. Der erste brasilianische Hafen ist Bahia . Hier hat das Schiff nur aus- und einzuladen. Auch diese Stadt ist sehenswert. Das ungebundene Treiben der BeDas ungebundene Treiben der Bevölkerung, die Bauart der Häuser und Straßen, die Neger und Mulatten, die in nahezu adamitischem Kostüm herumlaufen, die Straßenbahnen von Mauleseln gezogen, hier schlechtweg ,, Mule" genant alles zusammen macht auf den Europäer einen son derbaren Eindruck. Wir raten jedem Auswanderer, sich hier nicht niederzulassen, zumal keinem Landarbeiter, trozdem der Verdienst gut ist; es ist hier sehr warm, selbst wärend den Wintermonaten Mai, Juni, Juli, August und September, und der Deutsche ist mancher gefärlichen Krankheit ausgesezt, weil das Klima von dem europäischen gar zu verschieden ist. Nicht minder ist es die Lebensweise. Das Klima ist in allen Nordprovinzen, wie: Bahia , Pernambuko , Amazonas u. s. w. das gleiche, d. h. kein für den Deutschen zuträgliches, dagegen wird sich der Deutsche gar bald in den Südprovinzen wie: Sao Paulo , St. Caterina, Parana und Rio Grande do Sul heimisch fülen, besonders aber auf den Hochebenen dieser Provinzen, vorausgesezt daß der Ausgewanderte fein Heimweh hat. Wer das zu fürchten hat, der bleibe überhaupt lieber zu Hause, das ist für ihn viel besser! Wer einmal den Wanderstab ergriffen hat, der muß den festen Vorsaz haben, auszuharren und allen Vorkomnissen zu trozen. Doch jezt noch einmal zurück zur Reise! Von Bahia geht es immer an der brasilianischen Küste entlang bis nach Rio de Janeiro , der Haupt- und Residenzstadt dieses großen Reiches. Hier hält der Dampfer abermals gewönlich 2 Tage. Wir sind Wir sind nicht in der Lage, eine Beschreibung Rio de Janeiros zu geben, es genüge die Bemerkung, daß es allen Anforderungen entspricht, welche man an eine Großstadt stellt. Dem Auswanderer ist zu raten, jezt schon sich zu entschließen, nach welcher der Südprovinzen er gehen will.
Der hamburger Dampfer geht von hier nach zwei Tagen weiter bis nach der Hafenstadt Santos in der Provinz São Paulo , will man nach dieser Provinz, so bleibe man auf dem Schiffe und fare mit bis Santos. Santos ist eine mittlere, schmuzige Stadt, welche oft vom gelben Fieber heimgesucht wird, trozdem gibt es hier ziemlich viel Deutsche , die bereitwilligst Auskunft erteilen. Für Handwerker ist an diesem Orte der Verdienst gut zu nennen, doch würden wir raten, sich auf den Bahnhof zu begeben und nach der Stadt St. Paulo, das ist die Hauptstadt der Provinz São Paulo , zu faren; hier ist das Klima ein sehr gesundes und den Deutschen zuträglich; jeder geschickte Arbeiter findet hier sein Brod, denn diese Provinz hat einen der bedeutendsten Ausfurartikel: den Kaffee. Wer Landwirtschaft betreiben will, erhält jederzeit Land, natürlich in weiter Entfernung von der Stadt. Deutsche gibt es in dieser Stadt sehr viele, die allerhand Geschäfte betreiben und ihre Rechnung finden. Außer Kaffee wird noch manche andere Nuzpflanze gebaut, besonders aber Wein, wovon alljärlich mehr und mehr erzeugt wird und in Handel komt. Alle europäischen Getreidesorten kommen hier nicht fort, wärend Baumwolle ausgezeichnet gedeiht, außerdem hat die Stadt St. Paulo schon zwei Spinne
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reien und Webereien. Nach St. Paulo sei noch die regelmäßig schön gebaute Stadt Campinas hervorgehoben, die große Aehnlichkeit mit Mannheim hat. Weiter in das Innere des Landes hinein gibt es sehr große Kaffeeplantagen( Fazendas), wo oft 200 und noch mehr Neger arbeiten, die noch Sklaven sind; auch sehr viele freie Arbeiter sind hier beschäftigt und auf manchen dieser Plantagen werden bis 500 000 Sad Kaffee erzeugt. Der Kaffeebau ist ziemlich mühsam. Zuerst wird der Urwald umgehauen, nach ca. 3 Monaten dann verbrant, dann aufgemautet, und die jungen Bäumchen schön reihenweise gepflanzt. Bäume müssen sehr reinlich gehalten werden, ebenso der Boden. Im dritten Jare ist die erste ausgiebige Ernte zu hoffen. Solch eine Kaffeepflanzung gewährt einen sehr hübschen Anblick mit ihren weißen Blüten und den großen roten Kirschen, wovon jede zwei Bohnen enthält. Wenn der Kaffee ausgereift ist, werden die Kirschen gepflückt, dann auf einen Haufen gebracht und solange liegen gelassen, bis die rote Schale weggefault ist, darauf wird er in der Sonne getrocknet, in Säcke gefüllt und verkauft. Kaffee wird in allen nördlichen Provinzen gebaut. Hat der Ansiedler die drei ersten Jare glücklich überstanden, dann kann er auf ein rasches Vorwärtskommen unbedingt rechnen.
Freilich sind die ersten Jare schwere entbehrungsreiche Jare, die manchen Zaghaften mutlos machen, jedoch sind sie es nicht allein hier in Brasilien , sondern überall, wo sich der Europamüde niederläßt, zumal auf neu angelegten Kolonien, wo es weder Weg und Steg gibt und alles erst angelegt werden muß.
So sehr auch Brasilien verschrieen ist, so besizt es doch einen sehr bedeutenden Vorzug vor manchem anderen Land in seinem ungeheuern Holzreichtum! Solche Uebelstände, wie sie vorigen Winter im Staate Minesota ( Nordamerika ) vorkamen, daß nämlich die Ansiedler in der Prairie ihre Blockhäuser verbrennen mußten, um nur Feuerholz zu haben, sind hier geradezu undenkbar! Die meisten deutschen Kolonien, wovon mehrere sehr blühend sind, befinden sich in den Provinzen Rio Grande do Sul und St. Caterina und ziehen sich meistens an der Küste hin oder höchstens 2-3' Tagereisen ins Innere. Auf diesen Kolonien werden besonders viel Kartoffeln gebaut d. h. brasilianische, als: Bataten( süße), Yams u. s. w., europäische Kartoffeln gedeihen wenig. Daneben wird viel Zuckerrohr und Tabak gebaut, aus ersterem wird Zucker verschiedener Qualitäten, sowie Caschasa ( Schnaps) erzeugt, beides läßt sich gut verwerten. Die bedeutendsten deutschen Kolonien sind wol Blumenau und Dona Franziska in St. Caterina und San Leopoldo, St, Cruz, Teutonia 2c. in der Provinz Rio Grande. Nimt sich jemand auf irgend einer Kolonie Land, so muß er sich auf manche Entbehrung und auf harte Arbeit gefaßt machen, die meist dem eingewanderten Fabrikpoletariat äußerst schwer fällt; allein Schreiber dieser Zeilen kennt viele böhmische und sächsische Fabrikarbeiter, die nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten tüchtige Kolonisten geworden sind und um feinen Preis mehr in das Joch der Fabrikarbeit zurück möchten! Nun will ich eine kleine Schilderung entwerfen von einer ersten Niederlassung im Urwald. Hat man sein Grundstück zugemessen erhalten, was durch die Ingenicure der Koloniedirektion geschieht, so baut man sich eine Hütte der allerprimitivsten Art, daß man nicht unmittelbar der Witterung ausgesezt ist. In dieser ,, Rancho", wie der Brasilianer es nent, schlägt man mit Sad und Pack sein Quartier auf, macht daneben im Freien die Feuerstelle und kocht da seine Malzeiten. Der Auswanderer wird daher gut tun, sich eisernes Kochgeschirr mitzubringen, was hier ziem lich teuer ist. Ist das alles in Ordnung gebracht, dann schleife man seine Art und gehe ans Holzschlagen im Urwald, wol die schwerste von allen Arbeiten. Hat man eine beliebige Anzahl von Morgen Wald niedergehauen, so muß der Wald 2-3 Monate liegen bleiben, bis er recht trocken ist, dann macht man Feuer darunter und verbrennt, was verbrennen will. Die zurückbleibende Asche gilt zugleich als Dünger, obwol Waldboden wenig oder gar keinen Dünger braucht. Wärend der niedergeschlagene Wald trocknet, sucht sich der Kolonist einen passenden Plaz zum Hausbau aus, wo er gut tun wird, darauf zu sehen, daß fließendes Wasser in der Nähe ist. Das Haus wird ganz aus dem Holz