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der Palme( Palmiden) hergestellt, mit Ausname der Eckständer,| die aus festem Holz gemacht werden, an welchem kein Mangel ist. Die Nachbarn sind alle gerne unentgeltlich behülflich. Die Palmide läßt sich sehr gut spalten und alles wird mit einer Schlingpflanze, Cipo genannt, festgebunden, so daß sich auch kein eiserner Nagel im ganzen Haus befindet! Das Dach wird von Blättern gemacht, die so geschickt angebunden werden, daß kein
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Tropfen Regen durchgeht. Die Türen werden aus Brettern gefügt, Fenster mit Glas gibt es im Anfange nicht, da werden Läden vorgemacht, Fußboden und Decke fehlen meistens, sind auch nicht gar notwendig, denn ist der Kolonist nicht von besondern Unglücksfällen heimgesucht, so baut er sich in wenigen Jaren ein neues feuerfestes Haus.
( Fortsezung folgt.)
Eine Künstlerbiographie von Theodor Probisc.
Im Talmud findet sich die tiefsinnige Behauptung, daß von den Söhnen der Armen die Lehre ausgehe. In allgemeiner Anwendung ist diese Behauptung eine Parodie, in tausend Fällen aber eine unanfechtbare Warheit, die sich namentlich auf den Mann anwenden läßt, den wir hier im Bild anschauen.
An seiner Wiege und an seinem Taufstein sah man durchaus nicht die Göttin des Glückes stehen, wol aber einen unsichtbaren Genius, der ihm stillfreudig einen Kirchentaler einband, dessen helles Gepräge die Musen des Gesanges und der Tonkunst darstellten.- Der Kleine Täufling, geboren den 7. März 1820, war der Sohn des Kantors zu Bnin, einem kleinen polnischen Städtchen, vier Stunden von Posen entfernt.
als zu ihm der Stadtprediger sagte:„ Gustav, du hast heute die Orgel nicht blos mit den Händen, du hast sie auch mit dem Herzen gespielt!" da glänzte sein Auge so freudig und
( Nach einer Photographie für die„ Neue Welt" in Holz geschnitten.)
Als das sechste von den zwölf Kindern des Vaterhauses, empfing er daselbst den ersten Unterricht, und nebenbei durfte er sich musitalisch üben auf einem Kla vier, das von dem Verdacht, ein wiener Flügel zu sein, vollkommen freigesprochen werden konnte. Da wollte es das Verhängnis, daß der Vater schwer erkrankte und ein Stellbertreter an der Orgel wärend des sonntägigen Gottesdienstes für ihn gesucht werden mußte. Infolge der färglichen Besoldung gestaltete sich dieser Punkt zu einer brennenden Frage, deren Lösung der dreizehn Jare alte Kantorssohn unternahm, indem er sich als Ersazmann für seinen Vater anbot. Als der leztere diesen Entschluß hörte, sagte er: Wenn der Junge will, dann kann er es auch!" fügte aber für selbigen noch die Mahnung hinzu:„ Schmeiß nicht " Nun, Vater!" entgegnete ihm das Söhnchen,„ ich schmeiße nicht um!" und schon am nächsten Sonntag hieß es im Städtchen:„ Kantors Gustav spielt heute in der Kirche die Orgel!" Noch ehe die Kirchenglocken die Gläubigen zur Andacht in das Gotteshaus riefen, stand der Knabe oben auf dem hohen Chor, den Blick nach jenem erhabenen Instrument gerichtet, das bem religiösen Leben mit aller Pracht und Fülle der Harmonien huldigt. Ganz in der Stille und von niemand belauscht, kniete er an der Orgelbank nieder und betete zum Schöpfer aller Dinge, an den sein kindlich frommes Gemüt glaubte, daß er ihm sein Vorhaben gelingen lasse und ihm dazu seinen Segen
um!"
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berleihen möge.
Er spielte zur allgemeinen Erbauung der Gemeinde, und
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hell wie die vergoldeten Engel an dem Taufstein. Von diesem Augenblick an fühlte er sich ermutigt, auch die Leitung der Schule zu übernehmen, denn der Spruch des Vaters:„ Wenn der Junge will, dann kann er es auch!" hatte bei ihm tiefe Wurzel gefaßt und diente ihm fortan als Leitstern auf allen seinen Berufswegen. Schon am anderen Tag war der„ Präzeptor" fertig, wenn auch nicht nach der Form eines Pestalozzi, Salzmann oder Dinter. Der Gustav aber war start von Körperbau, so zu sagen ein ramassirtes Kerlchen, das der Jugend seines Ortes Respekt einzuflößen wußte. Wo der Respekt nicht ausreichte, half der Haselstock nach, welcher damals in den Volksschulen noch eine wichtige und oft sehr heilsame Rolle spielte.
Nur zu bald aber wurde ihm klar, daß sein Wissen hier nicht ausreiche und es an Vermessenheit grenze, sich eine Stellung angemaẞt zu haben, der er nicht gewachsen war. Da starb sein Vater und ein neuer Lehrer trat in dessen Amt. Den Kleinen beseelte die Hoffnung, daß durch den Neuerwählten sein Wissensdrang gefördert und ein Fortschritt in der Musik ihm möglich werde. So trat er gleichsam als Lehrling in die Dienste des neuen Schulmonarchen, welcher in dem jungen, kräftigen Burschen sich einen Aufseher über die Schuljugend zu erziehen gedachte. Nebenbei konte er den Gustav ja auch zum Stiefelpuzen und sonstigen häuslichen Arbeiten verwenden, was sehr bald in ausgedehntem Maße geschah.
Entrüstet über solche Verwendung, teilte der Sohn seinen Kummer der Mutter mit, welche gegen ihn den Wunsch äußerte, daß er ein Handwerk lernen möge. Ein Handwerk? vielleicht ein Schlosser? Nein, die Harmonie von Hammer und Ambos war nicht nach seinem Geschmack. Hinweg, fort, in eine große
Stadt, um dort etwas zu lernen, eine Kunst, eine geistige Beschäftigung. Es war dies alles recht gut, recht schön, wenn die Armut der Kantorswittwe der Ausführung nicht einen Hemm
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schuh angelegt hätte. Woher, sagte sie zu ihrem Sohn, soll
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für dich Nahrung und Kleidung herkommen? Da erinnerte sich derselbe, einmal von einem Studenten das Trostwort„ Frei