Schlüsselloch, das heißt: er horchte von außen zu, wenn ein anderer, vom Glück begünstigter Schüler Unterricht am Instrument empfing. Nach Beendigung der Stunde machte er sich an das­selbe Musikstück, das noch in seinem Ohr forttönte, bei welchen Studien ihn einmal einer der Lehrer überraschte und ganz er­staunt war, da er ihn eine Mozartsche Sonate ganz fehlerfrei vortragen hörte. Sofort empfing der Unbemittelte die nötige Anweisung, welche sich allerdings nicht allzuweit erstreckte, denn das Piano galt für Gustav nur als das Mittel, die Musik in ihm zur äußeren Darstellung zu bringen und der Melodie die rechte Harmoniefärbung zu geben. Der Gesang war ihm alles. Die Regimentsmusik auf der Wachtparade war damals die Duelle, aus der er seine gesamte musikalische Befriedigung schöpfte und später schmuggelte ihn ein Hautboist in das Teaterorchester ein, wo in ihm die Jdee erwachte, daß er wol einmal ein Bühnen­sänger werden könne.

So kam die Zeit heran, wo er auf das Seminar kommen sollte, was der Wunsch seiner Woltäter war, welche ihn durch aus zu einem Schulmeister erziehen wollten, wozu er, wie sie meinten, das rechte Zeug mitbringe. Er dachte allerdings ganz anders, denn seine Stimme, zu einem tiefen Bariton heran­gereift, hatte ihm bereits lebendigen Beifall erworben.

Also Sänger werden, Musik studiren, das war sein Wunsch, das war Tag und Nacht sein kühnster Traum. Mit sieben Talern in der Tasche, die er sich gespart, die er sich am Munde abgedarbt, beschloß er nach Berlin   zu gehen. Seinem ersten Woltäter wurde das Vorhaben vertrauensvoll mitgeteilt.

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Dieser blickte ihn scharf an und sagte: Junger Mann, Sie sind verrückt! Der also Angeredete stand da, wie ein Färber, dem die Indigoküpe übergelaufen. Der edle und dem Anschein nach etwas barsche Ratgeber wurde im Verlauf des Gespräches milder gestimmt und machte dem Niedergeschmetterten die tröstliche Mitteilung, daß für musikalisch besonders begabte

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Lehrer ein Stipendium bestehe, um diesen im königlichen Musik­institute in Berlin   das höhere Studium der Musik zu ermöglichen. Ein Stipendium? königliches Musikinstitut zu Berlin  ? das war Wasser auf seine Mühle. Vorwärts! ,, Schicksal, gehe deinen Gang", das heißt: geh in das Seminar, fort auf die Brücke zur Erreichung des ersehnten Zieles.

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Mit dem Zeugnis Nummer 1 und dem Ausgezeichnet" für seine musikalische Befähigung trat er in die Welt, um offen gesagt, ein Pyramidenleben als Lehrer und Kantor in der kleinen Posenschen Stadt Schubin   anzutreten.

Alexander Humboldt   sagte einmal in einem befreundeten Kreise, wo sich der Schreiber dieser Zeilen zu befinden die Ehre hatte: Ich beklage immer einen geistig befähigten Menschen, den das Schicksal verdammt hat, in einer kleinen Stadt zu leben. Man kann dies warhaft als ein Unglück bezeichnen, denn ein großer Geist wird unter kleinen Geistern Klein."

Diese Warheit mußte Hoffmann doppelt empfinden, er war gebeugt und atmete auf, als er nach anderthalb Jahren wieder nach Posen in eine Elementarklasse der höheren Bürgerschule ver­sezt wurde und sich kurz darauf die Gunst als Liedersänger in geachteten Kreisen, namentlich der Frauen, errang.

Immer heftiger aber gestaltete sich in ihm der Drang nach gründlich musikalischer Ausbildung und er bewarb sich erneuert um das Stipendium. Die Resolution lautete:" wegen mangeln­der Vakanz abschläglich beschieden."

In dieser kritischen Lage nahmen die Frauen des ,, Grabens" die Aenderung seines Schicksals in ihre Hand. Durch Zeichnung monatlich zu zalender kleiner Beiträge wurden die nötigsten Existenzmittel für die Studienzeit des jungen Mannes in Berlin  aufgebracht. Von diesem Augenblick an, wo man ihn als musi­kalisches Kind des Grabens" betrachtete, fügte er aus Dank­barkeit den Namen des Stadtteils seinem eigenen Namen bei; er gab sein Lehramt auf und wanderte nach Berlin  .

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( Schluß folgt.)

Der Eltern Sünde.

Eine Skizze nach dem Leben von M.. B....

eines jungen Schmetterlings ruht, der sich zum erstenmale in den Strahlen der Frühjahrssonne wiegt. Wenn du von dem Schmetterlinge den Schiller, der auf seinen Farben liegt, von den Blumen den goldigen Blütenstaub nimmst, so bleibt dir ein entstelltes Nichts dir ein entstelltes Nichts und ein eben solches Nichts ist das Weib, von dem dieser unendlich zarte Duft, den, nur die Unschuld, die reizende Unbefangenheit des Geistes verleiht, ge­nommen ist.

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Auf ihr aber lag das duftende Geheimnis der Unschuld sie war so rein, wie ein Kind, anmutig wie die aufknospende Rose, die die laue Frühlingssonne bestralt;-- aber die zarten Finger an den weißen Händen jener vornehmen Frauen, die in ihren Boudoirs nur auf Seide und Samt ruhen, können auch so unzart sein in ihren nervösen Anwandlungen, daß sie eine unschuldige Knospe mitleidlos zwischen ihren Lilienfingern zerbrücken, wenn sie nach ihrer Meinung ohne Berechtigung in dem Sonnenlicht der guten Gesellschaft" sich freuend auf­blüht zur Vollpracht der Blumenkönigin. Hüte dich, du kleine, unbesorgte Blüte du!

Sie war schön, reich und zudem von vornehmer Geburt. Ihre natürlichen Anlagen hatten eine treffliche Ausbildung er­halten, so daß sie mit Recht für flug und geistreich gehalten wurde; denn sie besaß eine Bildung des Geistes und des Herzens, wie man sie in Pensionsanstalten nach französischem Muster nicht empfängt; sie hatte sich mancherlei tüchtige Rentnisse angeeignet, die über das Bedürfnis des Salons hinaus gingen und hatte Verstand genug, sich leicht ein sicheres und oft richtiges Urteil zu bilden, und, was nicht weniger wert war, die Gabe, ohne ihrer Weiblichkeit zu schaden, ihre verhältnismäßig hohe Bildung in einer für sie höchst vorteilhaften Weise an den Tag zu legen. Sie war schön, sagte ich, und ich verstehe unter ihrer Schönheit nicht jene Regelmäßigkeit des Gesichtes und der Figur, wie sie der Geschmack des griechischen Idealismus verlangt, also nicht jene falte klassische Schönheit, sondern diejenige, die sich gerne Abschweifungen von der strengen Regelmäßigkeit erlaubt und dafür durch eine gewisse Wärme und Innigkeit des Ausdrucks und einen sprechenden, anmutenden Reiz der Figur reich ent­schädigt. Sie hatte also auch nicht jene vielgerühmte griechische" Nase, nein, die ihrige war wirklich ein bischen stark gebogen, was ihr jedoch ein recht interessantes Air tecken Uebermuts und anmutiger Schelmerei gab; ihr Auge hätte jedoch einer Juno gehören können, wenn es nicht eben einen so reizvollen Schmelz gehabt hätte, wie wir ihn und an einer Juno niemals vor­- ihre Gestalt war ebenfalls nicht nach grie chischem Modell geschaffen, sonst hätte ihre Erscheinung gewiß nicht dies duftige und zugleich unnahbare Etwas gehabt, was nur zu vergleichen ist mit dem aromatischen Blütenstaub, der im Kelche einer Nelke, und dem Goldstaub, der auf den Flügeln daß sie, wenn sie von den hundert und aber hundert Kerzen­

ſtellen können;

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Wenn Adrienne von V.... in Gesellschaft war, so war sie der mächtigste Anziehungspunkt sowol für die Damen als

auch für die Herrenwelt.- Konte jene doch versichert sein, neben der außerordentlichen Anmut ihres Wesens, die kaum den Neid selbst aufkommen ließ, immer eine neue originelle und schöne Idee zu einem Kleiderschnitt, zu einer Schmuckfassung oder zu einer Frisur bei ihr zu finden, denn Adrienne ver­

stand es mehr als alle anderen, ihre schönen Glieder in eine immer neue, überraschend geschmackvolle Hülle zu bergen, so