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lichtern des Salons umstralt war, wirklich feenhaft schön er schien; mochte sie in Weiß, in Lila, Blau oder in was auch immer für eine Farbe gekleidet sein, mochte ihr glänzend schwarzes Har in Locken ihr Haupt umflattern oder in wallender Flut bis auf die schlanke Taille herabwogen-immer war sie schön, schöner als alle andern; darum war sie für die Herren eine viel umworbene Erscheinung, die erobert zu haben ein jeder sich nicht genug gerühmt hätte; wußte ja auch der Neuling, der zum erstenmale die Schöne sah, daß sie nicht weniger reich, als mit geistigen und leiblichen Vorzügen verschwenderisch ausgestattet war. Adrienne hatte denn auch viele Anträge bekommen, aber sie lachte meist über die Bemühungen der Herren, die ihr in ihrer Oberflächlichkeit oder Geziertheit alle nicht zusagen konnten; da war der Baron von X., der am liebsten von seinen Pferden, Hunden und Wetten sprach; dann ein Graf Y., der sich in formellster Etiquette hielt, was zu seiner steifen Figur allerdings recht gut paßte, für Adrienne aber unausstehlich war; und unter den vielen anderen Bewerbern schließlich noch der Lieutenant von 3., der nur von„ kolossalen Ausgaben", Duellen und„ reicher Partie" sprach.- Es war nur ein einziger unter allen, der in ihr einige Sympatie erweckt hatte, aber bald ihr ebenso zuwider wurde, als er ihr anfänglich angenehm war, nachdem sie gehört hatte, daß nicht Liebe, sondern eine gemeine Spekulation auf ihr Vermögen ihn zu ihr gefürt. Albert von G..... war der Sohn eines früheren Offiziers, der nach seinem Austreten aus der Armee ein hervorragender Börsianer geworden und sich in furzer Zeit ein beträchtliches Vermögen„ erarbeitet", jezt aber durch bedeutende Verluste den größeren Teil desselben eingebüßt hatte und kaum noch in der Lage war, den gewohnten Glanz seines Hauses aufrecht zu erhalten. Eine Geldheirat seines Sohnes sollte dem Mißstande abhelfen und Adrienne sollte das Opfer dieser Spekulation werden. Sie war oft und gerne in dem Kreise, den der Finanzmann in seinen Salons versammelte, wo man sie stets mit der ausgesuchtesten Artigkeit und Zuvorkommenheit empfing; als sie sich aber mehr und mehr von der Familie zurückzog, konnte Frau von G., selbst mit den raffinirtesten Bemühungen, dem Auge Adriennens die Umwandlung ihrer Gefüle, die früher so warme waren, in eine gewisse Kälte, die für Adrienne etwas unheimliches hatte, nicht verbergen; indessen unterließ Albert seine Bewerbungen keineswegs.
Unter allen diesen Menschen sehnte sich Adrienne nach einem Manne, der so viel edle Männlichkeit befizen müßte, daß sie mit Achtung zu ihm aufsehen, an den sie sich in aller Not und Gefahr getrost und guten Mutes anschmiegen könnte, in dem sicheren Bewußtsein, daß er sie beschüzen wolle und könne; es schien ihr, als ob sie über ihre Umgebung weit, weit erhaben wäre; es kam ihr das Leben in den Salons, das sich immer nur um so oberflächliche, allen tieferen Interesses bare Dinge drehte, allmälich so langweilig vor, daß sie endlich das Bedürfnis hatte, einen Mann zu finden, der sie aus dieser stagnirenden Atmosphäre des gesellschaftlichen Lebens erheben möchte in den Bereich seines Geistes, in dem sie mit allen ihren Vorzügen aufgehen und aufleben könne. Aber wo in diesen Kreisen, in denen sie ausschließlich verkehrte, einen solchen Geist finden?
Adrienne war zwanzig Jahre alt geworden, und ihre Freundinnen fürchteten, sie würde, wie es so oft geschieht, zwar als eine gefeierte, aber auch wegen der vielen von ihr abschlägig beantworteten Heiratsanträge gefürchtete Schönheit betrachtet werden, von der man glaube, sie mache es sich zum Vergnügen, die Freier triumphirend abzuweisen, und schließlich troz all' ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit mehr gemieden als gesucht werden. In der ihr eigenen Sorglosigkeit dachte sie selbst niemals an diese Möglichkeit, und als einst eine ihrer Freundinnen es wagte, ihr diese vorzuhalten, lächelte sie so kindlich unbefangenen Sinnes, daß jene von dem Zauber ihres Wesens entzückt, alle Besorgnisse schwinden ließ. Ich weiß", sagte Adrienne, ,, daß ich zu lieben und in der Liebe mein Glück zu finden geboren bin, gleich euch andern! Welches Weib ist denn nicht zur Liebe geschaffen? Aber ich weiß ebenso gut, daß ich einen Mann unwiderstehlich anziehen werde, den ich lieb gewonnen;
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glaubst du, daß einem Weibe der widersteht, den es mit aller Innigkeit und Glut erster Leidenschaft liebt? Und kann man überhaupt lieben, ohne geliebt zu werden? Liebe um Liebe! Das Mädchen darf nicht dem Manne mit seiner Liebe entgegen tommen, es muß sich suchen und erobern lassen, wenn es nicht alle Weiblichkeit verleugnen will. Allerdings mag es in unserer extravagirenden Zeit Mädchen genug geben, die anders denken und handeln, das ist mir aber gewiß kein nachahmungswertes Beispiel; ich will warten bis ein Mann kommt, der mein. Herz in Liebe auflodern läßt und der mir ein Herz, das zu befizen Glück und Ehre zugleich ist, dafür entgegenbringt, ich selbst aber kann und will mich nicht bemühen, geliebt zu werden, am wenigsten den Herren gegenüber, die sich selbst für die Zierden unserer Gesellschaft halten. Ich würde mich verachten, wenn ich sie nicht abwiese. Kannst du mich schelten, daß ich so denke?" Adriennens Mutter berürte nie diesen Punkt; sie war eine viel zu schlichte Frau, die ihre Tochter, wie sie sagte, aus Trauer über den Tod ihres Gemals auch nie in Gesellschaften begleitete und überhaupt nur selten ihre einsame Villa verließ. Und wenn Adrienne einmal selbst Gelegenheit nahm, von ihrer etwaigen Zukunft zu sprechen, antwortete sie stets mit denselben Worten: ,, Kind, tu wie's dein Herz dir sagt!" Inniger und herzlicher als die beiden sich liebten, konnte keine Mutter ein Kind, und kein Kind eine Mutter lieben; wo sie sich auch nur die einfachste Freude machen konnten, scheuten sie keine Mühe; aber dennoch lag stete Trauer auf der Mutter Adriennens. Seit dem Tode ihres Gatten hatte die Wittwe beständig so zurückgezogen in ihrer Villa gelebt, wo sie sich allein dem Glücke ihrer Tochter widmete, des einzigen, was ihr immer neue Lust zu leben und Trost in den Stunden trübseliger Erinnerung gab. Etwas Fremdartiges in ihrem Wesen, durchgeistigt obschon sie eine Einheimische war- von einem festen, nie weichenden melancholischen Zug, war sie für den Beobachter eine geheimnisvolle Erscheinung. Obschon sie die dreißiger Jare zu verlassen sich anschickte, war sie doch noch von einer wunderbaren, reizvollen Schönheit, die neben der Adriennens wie die Pracht der vollentwickelten Rose neben der aufbrechenden Knospe gar nicht beeinträchtigt wurde. Aber wie ein Reif lag jener nie weichende melancholische Zug auf ihr. Ihre Melancholie galt ihrem Gatten, den ein jäher Tod von ihrer Seite gerissen.
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Es waren noch nicht drei Wochen, daß sie verheiratet waren, als Herr von V..... höchst verstört nach Hause kam; er ſezte sich nicht, wie er es sonst tat, an die Seite seines jugendlichen Weibes, wie stumpfsinnig vor sich hinblickend, beantwortete er nicht einmal die bangen Fragen, die sie in ihrer Herzensangst an ihn stellte, und als sie mit einem innigen Blicke ihn an ihre Brust zu drücken suchte, war alles, womit er ihre Zärtlichfeit beantworten fonnte, ein gepreßtes: Mein armes Weib!" Nichts konnte sie dem bleichen Munde entlocken, was ihr über sein beängstigendes Wesen hätte Aufschluß geben können. Sie ging hinaus, um der zweifelerfüllten Brust durch Tränen Erleichterung zu schaffen. Die ganze Nacht blieb ihr Mann in Brüten versunken. Da alles vergeblich war, ihn zum Sprechen zu bewegen, überließ sie ihn endlich seinen traurigen Gedanken, obschon ihr das Herz vor Angst springen wollte; als sie ihn am anderen Morgen aufsuchte, war er schon ausgeritten. Draußen regnete es, er mußte bald wiederkommen aber er kam nicht. Es wurde Mittag, Nachmittag; ihre Angst stieg von Stunde zu Stunde, und als sich der Abend mit seiner unheimlichen Dämmrung in die halbdunklen Zimmer schlich, da lag sie in dem höchsten Grade von Aufregung auf den Knien und betete in ihrer Herzenseinfalt für ihn und für sich. Da hörte sie Schritte, Türen gingen auf und zu, Stimmen flüsterten bald laut, bald leise, unfaßliche Angst schnürte ihre Brust ein, sie ahnte ein furchtbares Unglück. Warum dachte sie jezt gerade an einen Selbstmord ihres Gatten? Ja, Selbstmord er hatte sich getötet die Türe ging auf sie wagte nicht hinzusehen, wer eintrat. ,, Gnädige Frau", hörte sie den alten, getreuen Diener ihres Gemals sprechen ,,, fassen Sie sich, es ist ein Un
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