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falls diesem früheren Verhältnis des Menschen zum Tiere. Daß diese zur Deutung der Gestirue an den Himmel versezt wurden, ist bekant, ebenso daß ihr Bild auf Heerzeichen und Wappen benuzt wurde und noch benuzt wird.

So beweist auch die Bedeutung des Tieres für den Menschen das übermäßig hohe Alter, welches lezterer vielen von den ersteren beilegte. So wurden in den griechischen Tiersagen dem Wolf 160 bis 180 Jare, dem Esel sogar ein Alter von 220 zugesprochen. Die Krähe erreicht neun Menschenalter, der Hirsch drei Krähenalter, der Rabe drei Hirsch­alter, der Phönix neun Rabenalter u. s. w. Nach einem mittelhoch­deutschen Spruch währt ein Zaun drei Jare, ein Hund drei Zaunes­alter, ein Pferd drei Hundealter und ein Mann drei Pferdealter; dem Esel wurden jedoch drei Menschenalter zugesprochen, der Schneegans drei Eselsalter, der Krähe drei Gänsealter, dem Hirsch drei Krähenalter, der Eiche drei Hirschalter und dem Elefanten drei Eichenalter. Schon die riesige Bal von 59 049 Jaren, welche dem Elefanten zugesprochen wurden, beweist am besten die Kindlichkeit der Menschen jener Zeit.

Genau wie wir nun heute diesem naiven Verhältnis des Menschen zum Tier entwachsen sind, und wie dies nur noch in der Fabel für die Kinderstube und höchstens hier und da noch in leisen Andeutungen bei einzelnen mit der Kultur nicht fortgeschrittenen Volksstämmen oder Landleuten existirt, so ist auch der Mensch selbst dem naiven fabelbil denden Alter entwachsen. Jemehr er in der Kultur fortschreitet und sich das Gefül seiner geistigen Ueberlegenheit entwickelt, jemehr ferner die Gesellschaft der Tiere entbehren konnte, desto größer wurde auch die Kluft zwischen ihnen und ihm. Die verschiedenen Sagen und Er­zälungen von Handlungen, deren Träger Tiere waren, lebten nur noch in seinem Gedächtnis fort, gingen von Mund zu Mund und fanden namentlich noch in naiven findlichen Gemütern warme Freunde und Berehrer, um später dann von den Dichtern in einem großen Epos verschmolzen zu werden und so künstlerische Form zu erhalten.

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J. Grimm, der durch seine Arbeiten die Forschung auf das Wesen und die Bedeutung dieses Gegenstandes aufmerksam gemacht und vielen Anregung zum Weiterarbeiten auf diesem Felde gegeben, sagt darüber in der vortrefflichen Einleitung zu seinem Reinhart Fuchs": Wie ein Kind jene Kluft des Abstandes wenig fühlend, Tiere beinahe für seines gleichen ansieht und als solche behandelt, so faßt auch das Altertum ihren Unterschied von dem Menschen ganz anders, als die spätere Zeit". Aber eben in diese Auffassung des Altertums wird sich der Dichter des Tierepos versezen müssen, wenn er seinem Gedicht den ihm notwendig eigenen Rarafter erhalten will. Er muß ein frischeres, sinnliches Na­turgefül"( J. Grimm) atmen, wie unsere alten Vorfaren, welche von diesen ihren Sagenhelden auf ihrem Lebensgange mittätig begleitet wurden.

Sehr nahe liegt demnach, daß in der Tiersage nur Glieder des Tierreiches auftreten konten, die dem betreffenden Menschen nahe standen, und daß hinwiederum solchen, die sich ganz besonders durch irgend welche Eigenschaften auszeichneten, eine hervorragendere Rolle zuteil wurde. Es waren also in Deutschland   die Bewohner der deutschen Wälder, welche zur Repräsentation der Myte wurden. So der Bär ( Braun), der Wolf( Jiegrim), der Fuchs( Reineke) u. a. Ursprünglich war auch ersterer König der Tiere und erst später wurde es Nobel( der Löwe), woraus Kurz( Gesch. d. deutsch. Literatur) schließt, daß die Tier­fage und namentlich Reineke Fuchs" auf deutschem Boden entstanden set, da der zu ihrer Entstehungszeit sicher fremdländische Löwe erst zu diefer hervorragenden Stellung in derselben in Frankreich   gelangte.

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Da kleine Tiere in ihrer gesamten Lebensbetätigung für die Alten biel zu unbedeutend waren heute ist man durch fleißiges Beobachten ja zu einem anderen Resultat gelangt so konten sie keinen Plaz in der Sage finden oder wurden doch nur zu Nebenrollen verwant. Aber auch dem Pferde, dem Hunde, dem Ochsen wurde, weil sie durch ihre Dienstbarkeit dem Menschen gegenüber diesen viel zu wenig interessant waren, feine hervorragende Stellung angewiesen. Dagegen sind Haus­tiere, wie die Kaze und der Hahn, infolge ihrer Unabhängigkeit eher und des öfteren dazu berufen. Was von der menschlichen Phantasie heldenhaft und groß dargestellt werden soll, muß sich auch durch seine eigene auszeichnen und mit Hilfe dieser vor allem imstande sein, sich eine freie, unabhängige Stellung zu sichern; es muß also der Betätigung des dichterischen Triebes   wert sein. Ist dieser Wert vorhanden, so ist die menschliche Phantasie sehr freigebig und stattet ihre Helden bereitwilligst mit übermäßiger Kraft, Gewantheit und Schlauheit aus und versezt sie und, indem der Mensch sich an dem heiteren, dem menschlichen durchaus Werke, die jene Phantasiegebilde vollbringen. verwanten Treiben ergözt, erfreut oder erstaunt er ob der titanenhaften

Aehnlich auch in der Tierfage. Hier muß es der Künstler ver­stehen, den Tieren ihr eigentümliches zu lassen und sie zugleich in die thm dazu noch Geberde, Stellung, leidenschaftlichen Ausdruck des Menschenähnlichkeit zu erheben; er muß den tierischen Leib beibehalten, Menschen zu verleihen wissen"( J. Grimm). Reineke bleibt daher immer der schlaue Fuchs mit allen seinen tierischen Eigenschaften, was den Dichter gar nicht genirt, ihn zum frommen Klausner zu machen und Baft mit dem Bauer wegen Schonung seiner Hühner abschließen zu faffen. Aehnlich ist es auch mit den anderen in dem Tiermytus als Afteurs tätigen Individuen.

( Schluß folgt.)

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Sommernacht am Posilipp.

( Mit Justration. S. Seite 341.)

Fremdling komm in das große Neapel  , und sich's, und stirb! Schlürfe Liebe, geneuß des beweglichen Augenblids Reichsten Traum, des Gemütes vereitelten Wunsch vergiß, Und was Quälendes sonst in das Leben ein Dämon wob:" Ja, hier lerne genießen, und dann, o Beglückter, stirb!-

Mit diesen Versen beginnt Platen sein Idyll ,, Bilder Neapels  " und deutet damit die unvergleichliche Schönheit dieser Stadt wie der sie um­gebenden Landschaft an. Hierin steht er nun mit diesem seinem Urteil nicht allein, denn die Zal derer, denen das Glück zuteil wurde, mit eigenen Augen die wundervolle Natur, welche hier unter dem tiefblauen Himmel Italiens   alles umgibt und durchdringt, zu schauen und dann die wargenommene Herlichkeit ihren weniger glücklichen Mitmenschen durch Schrift und Wort mitzuteilen, ist ziemlich groß, wenn sie auch nicht alle in der glücklichen Lage waren, die empfangenen Eindrücke in nicht geringerer Meisterschaft hat es aber der Künstler verstanden, dem so schöner gebundener Rede wiederzugeben, wie unser Dichter. Mit unser herrliches Bild sein Dasein verdankt, die Schönheit der neapoli­tanischen Natur wiederzugeben. Die hie und da nur durch einen Ruder­schlag unterbrochene nächtliche Stille, die heilige Ruhe, welche sich auf den Golf, auf die ganze Landschaft gelagert, ist meisterhaft zur Dar stellung gelangt, ja man glaubt sogar hin und wieder die bleichen Stralen des Mondes durch die ruhige Luft erzittern zu sehen. Das tiefdunkle Firmament, die hochanstrebenden Burgen und Gebäude Neapels  , das satte, tiefe Grün der Vegetation bestralt und erglänzend vom intensiven Mondlicht, das gibt eine Stimmung und muß eine Wirkung auf das menschliche Gemüt ausüben, die allerdings nicht oft ihresgleichen findet. Dazu komt noch, daß der Beschauer an Ort und Stelle das weite Meer und den finster grollenden Vesuv   vor sich hat, wärend andererseits die rebengeschmückten Höhen desgleichen zur Hebung des schönen Gesamtbildes ein gut Teil beitragen. Zu diesen funkelnden Feuerwein spendenden Bergen gehört nun auch der Posilipp, der sich im Westen von Neapel   hinzieht. Der sorgenverscheuchende Göttertrant reichte sicher allein schon hin, um ihm im Gedächtnis der Menschen einen dauernden Plaz zu bewaren, aber die Grotte, oder vielmehr der Tunnel, der durch seine Eingeweide hindurch führt und der vor mehr als drei­tausend Jaren gebaut wurde, wird nicht minder beitragen, um das Gedächtnis von Mitwelt und Nachwelt an dieses schöne Fleckchen Erde  zu fesseln. Um aber vollends dem menschlichen Geschlecht für alle Zeiten die Erinnerung hieran zu erhalten, ließ der römische Dichter Virgil hier seine Asche zur ewigen Ruhe bestatten. Inmitten der von saftigen Trauben beschwerten Reben wird dem Wanderer heute noch sein Grab gezeigt. Und so ist es denn neben der üppigen Schönheit der Natur, die hier ihren Reiz auf den Wanderer ausübt, auch ein Hauch aus dem Klassischen Altertum, der zugleich in seine Seele zieht und mit jenem in harmonischen Afforden sein Inneres durchklingt. Das stralt auch aus unserem Bilde wider, ein Geist, wie der von der Antike gehegte und gezogene weht uns aus dem Ganzen entgegen, und wie dieser von den alten Griechen hierher verpflanzte Geist heute noch wenigstens in der Anmut und Grazie der Haltung und Bewegungen der Neapolitaner fortlebt, so wird auch der kalte Nordländer davon ergriffen und ge­hoben. Geben wir zum Schluß nochmals unserem Dichter das Wort: O balsamische Nächte Neapels  ! Erläßlich scheint's, Wenn auf furze Minuten das schwelgende Herz nun auch Selbst Sankt Peter vergißt und das göttliche Panteon, Monte Mario   selbst, und o Villa Pamfili, dich, Deiner Brunnen und Lorbeerumschattungen fühlsten Siz!

Literarische Umschau.

nrt.

Deutsche Sagen. Der deutschen Jugend und unserem Volte wieder­erzält von Heinrich Pfeil  . Zweite verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 45 Text- Illustrationen, zalreichen Anfangs- und Schlußvignetten und einem Titelbilde. Leipzig   und Berlin  , Verlag von Otto Spamer. Ein Büchlein wie dieses, das uns alle die Riesen, Heren, Berggeister und Kobolde vorführt, welche in unserer Kindheit eine so große Rolle spielten und an den langen Winterabenden unsere kindliche Phantasie belebten, wird nach Brauch und Sitte von den Zeitungen gewöhnlich für den Weih­nachtstisch" besprochen. Wenn wir nun gegen diesen Brauch verstoßen, so geschieht es, weil wir meinen, daß ein gutes Buch wie das vor­liegende immer gelesen und gekauft werden sollte. Recht gut und freund­lich ausgestattet bringt es auf 326 Seiten neunundneunzig Sagen, unter deren Gestalten wir viele alte Bekannte finden, die sich in der Ihnen vom Verfasser mit inniger Liebe gewidmeten Behandlung recht vorteilhaft ausnehmen. Möchte nur Jung und Alt von dieser Lektüre recht viel profitiren!

Preisräthsel.

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Unsere Preisrätsel sind bereits einmal durch den im Verlage der " Neuen Welt" erscheinenden Omnibuskalender veröffentlicht worden. Es erging ihnen jedoch nicht wie den Preisrätseln des Omnibus  " vom vorhergehenden Jahre, welche mehrere hundert Löser fanden und viel­seitig als zwar sehr gut, aber doch zu leicht lösbar befunden wurden.