bar, und das Blut sprang noch mit jedem Pulsschlage aus den durchschnittenen Gefäßen. Die zweite Leiche, welche man 22 Minuten nach der Exekution hereintrug, zeigte noch einen deut lich wahrnehmbaren Rest von Lebenswärme. Bei Wiederholung der bereits in Turin angestellten Versuche ergab sich fast das selbe Resultat. Die Zusammenziehung der Muskeln, welche man vermittelst der Volta'schen Säule an den Körpern der enthaupteten Verbrecher hervorrief, waren denjenigen ähnlich, die sich während des Lebens zeigen. Die stärksten Zusammenziehungen wurden bei den Muskeln des Gesichts, der Brust, der Glieder und des Zwerchfelles beobachtet; überhaupt zeigten sich alle die Muskeln leichter erregbar, welche im Dienste des Willens stehen, als diejenigen, welche diesem Einflusse entzogen sind. Die angewandten Apparate wirkten übrigens auf ein und dieselbe Weise, gleichgiltig, ob man die Berührungs- oder ReibungsElektrizität in Anwendung brachte, nur wirkte die leztere im allgemeinen auf weniger energische Weise als die BerührungsElektrizität.
In Frankreich schienen die Behörden eine Art von Abneigung gegen derartige Versuche zu hegen, die allerdings durch die grauenerregende Weise, auf die sie angestellt, diese Abneigung einigermaßen rechtfertigen. Indeß siegte auch hier die Beharrlichkeit und der Eifer der für das große Problem der Lebenskraft begeisterten Naturforscher. Den angestellten Versuchen gegenüber lag ja der Gedanke nicht fern, daß in dem getöteten Körper ein Teil der Lebenskraft noch so lange zurückbleibe, als die Lebenswärme denselben noch nicht verlassen habe. Und was von dem Körper im allgemeinen galt, übertrug man bald auf den Kopf, bei dem man, als Siz der gei stigen Kräfte, ein durch den Tod nicht sofort unterbrochenes Fortbestehen des Bewußtseins und verschiedener Sinnestätigkeiten, z. B. des Hörens und Sehens, vermutete. Zwei junge Mediziner unternamen es, über dieses Geheimnis des Menschenförpers ins Klare zu kommen. Ihren dringenden Vorstellungen verschlossen sich die Behörden nicht, und so postirten sich denn die beiden Jünger der Wissenschaft unter dem Schaffot, auf dem damals nichts seltenes eine Massenhinrichtung statteine Massenhinrichtung statt fand. Sobald der erste Kopf unter dem Messer der Guillotine gefallen war, ergriff ihn der eine, und der andere betrachtete ihn einige Augenblicke mit größter Aufmerksamkeit, ob er nicht eine ungewöhnliche Bewegung auf dem Gesicht, ein durch Schmerz hervorgerufenes Zusammenziehen der Muskeln wahrnehmen könne. Indes war das Gesicht starr und unbeweglich, und die halb geschlossenen Augen zeigten sich vollkommen unbeseelt. Der Beobachter schrie hierauf bald in das eine, bald in das andere Ohr:„ Hörst Du mich?" wärend sein Gefärte, welcher das Haupt hielt, aufmerksam den Eindruck beobachtete, welchen der wiederholte Schrei hervorbringen würde. Aber das Gesicht zeigte nicht die mindeste Bewegung. Fünf Köpfe wurden dem grauenhaften Versuche unterworfen und beständig blieben die Resultate dieselben; weder die Gesichtszüge noch die Augen der abgeschlagenen Köpfe zeigten die mindeste Bewegung, sondern blieben starr und unbeweglich.
Vielleicht wendet manch eine unserer zartfühlenden Leserinnen sich mit Schauder ab von den Versuchen, bei denen die Wissen schaft mit scheinbar grenzenloser Frivolität den menschlichen Körper zum Gegenstand ihrer Forschungen macht, dieser For schungen, in deren Interesse sie sich nicht scheut, den Körper eines Verbrechers zwar aber doch immerhin eines Menschenzu benuzen um, wenn man will, zu entweihen in grausen
erregender Art. Wir ehren dieses Gefühl, das den edelsten Gefühlen des Menschenherzens entstammt, aber wir können es nicht teilen. Uns jammern selbst die unzäligen Frösche, Ka ninchen, Hunde u. s. w., die lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken unter den größten Schmerzen hingeopfert wurden und noch werden, aber wir vermögen nicht jene Männer zu verdammen, welche mit dem zündenden Geistesfunken, dem Triebe nach wissen
schaftlicher Erkentnis in der Brust, der Stimme des Mitleides in ihrem Busen für kurze Zeit Schweigen auferlegen, wo es sich um Entscheidung der höchsten und folgenschwersten Fragen
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der Wissenschaft handelt. Wir wissen von dem edeln Alexander von Humboldt , daß er die Tier- und Pflanzenwelt in gleicher Weise mit einer Liebe und sinnigen Hingebung umfaßte, die fast etwas Rührendes an sich hat, und trozdem fand er sich in seinem Gewissen nicht darüber beschwert, daß auch er einst das Leben von Fröschen und Kaninchen der Erweiterung der Wissenschaft zum Opfer gebracht hatte.
Indes ist man in neuerer Zeit bestrebt gewesen, jenen Versuchen ihren gräßlichen Charakter zu nehmen. Mit recht; denn die Lebenskraft, von deren Vorhandensein man früher alle Vorgänge im menschlichen Körper abhängig machte, ist von den Naturforschern längst in das Gebiet der Fabel verwiesen, und damit fällt die Frage von selbst: wie lange Zeit nach dem gewaltsam herbeigeführten Tode sie in dem Körper des Menschen noch ihr Wesen treibt. Man ist längst klar darüber, daß es für die Wissenschaft denselben Wert hat, wenn man die Versuche, die man früher an eben getöteten Körpern anstellte, an lebenden zur Ausführung bringt, da auch in diesem Falle die Volta'sche Säule selbst gegen den Willen des Menschen die Zusammenziehungen und Ausdehnungen der Muskeln bewirkt, über die man früher so erstaunte. über die man früher so erstaunte. Schon oben deuteten wir an, daß der wissenschaftliche Ruhm Galvani's durch Volta's Forschungen in Zweifel gestellt ſei, Forschungen in Zweifel gestellt sei, allerdings nur für jene Zeit, in der die glänzenden Resultate der Volta'schen Säule die wissenschaftliche Welt eine Zeit lang vollständig blendeten und die Augen von dem verkannten, fummerbeladenen Greise abzogen. Erst unserer Zeit blieb es vorbehalten, das wissenschaftliche Gedächtnis des verdienten bologneser Arztes wieder zu Ehren zu bringen.
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In seinen ersten Versuchen hatte allerdings Galvani nichts Neues entdeckt, wie er glaubte; er hielt irrtümlich die durch Berührung entstandene Elektrizität, die in den als Leiter dienenden Nerven der Froschschenkel zur Wirksamkeit gelangte, für eine ganz neu entdeckte tierische Elektrizität, ja, wie wir gesehen haben, für eine Aeußerung der geheimnisvollen Lebenskraft selbst. Was er aber hier irrtümlich entdeckt zu haben glaubte, entdeckte er später in Wirklichkeit. Er wies nach, daß, wenn man die Muskeln eines Froschschenkels mit den Nerven desselben in Berürung bringe, dieser Muskel in Zuckungen gerate, auch ohne die Einwirkung der in Metallen erzeugten Berührungs elektrizität. Und diese eigentümlichen Zuckungen erklärte er durch die Annahme, daß wirklich ein elektrischer Strom zwischen Muskel und Nerven hervorgerufen sei. Diesen äußerst wichtigen Ver such Galvani's übersah man jedoch in jener Zeit der Aufregung ganz und gar, und wenn auch kurze Zeit darauf die Versuche durch A. v. Humboldt wiederholt und ihre Resultate bestätigt wurden, so ruhte doch die Sache bis in die neueste Zeit hinein. Da war es der in Berlin lebende Naturforscher Du Bois Reymond, der die Versuche wieder aufnahm und diesem Zweige der Wissenschaft eine Ausdehnung und sichere Begründung verlich, die das Staunen der Sachverständigen erregte. Wir müssen es uns leider versagen, den Versuchen, die Du Bois- Reymond anstellte, im einzelnen zu folgen, und wollen daher hier nur einige der allgemeinen Resultate mitteilen, die er daraus zog. Darnach ist unbestreitbar nachgewiesen, daß durch das Nerven gewebe der Tiere sowol als der Menschen fortwährend elektrische Ströme freisen, die nicht erst durch die Volta'sche Säule her vorgerufen werden müſſen; ebenso ist festgestellt, daß jeder Muskel eines lebenden Wesens während des Lebens und aud kurze Zeit nach dem Tode der Siz einer elektrischen Strömung ist.
Hierdurch ist uns ein tiefer Einblick eröffnet in das Wesen der Muskeltätigkeit und in ihr Verhältnis zum menschlichen Wesen eines physikalischen Prozesses. Bekanntlich laufen die Willen. Dieses Verhältnis gewinnt hiernach ganz und gar das zarten Nervenfäden, welche unsere Muskeln durchziehen, gungspunkt im Rückenmark, durch das sie dem Gehirn, dent stärkeren Nervensträngen zusammen, und finden ihren Vereini Siz aller geistigen Kräfte, zugeführt werden. Das Gehirn
aber
die besteht aus zwei verschiedenen Massen, deren Ungleichartigkeit