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Gustav Graben- Hoffmann  .

Eine Künstlerbiographie von Theodor Probisch.

Als er die Türme der Residenz erblickte, da war ihm zu Mute, als lägen sie ihm alle der Reihe nach auf der Herz­grube. Er wollte sich, seines Alters schon 23 Jahre, als Sänger für die Oper ausbilden und hörte schon im Geiste seinen Namen neben Ziesche, Bader   oder Mantius nennen. Der Unter­richt begann bei dem pensionirten und als Gesangslehrer rühm lichst bekannten Hofopernsänger Heinrich Stümer  , der ein Schüler Righinis war. Bald aber gelangte er zu der Selbsterkenntnis, daß seine Stimme, welche im Salon alle Herzen bewegte, doch nicht ganz ausgiebig für die Räume eines Teaters sei und ihm somit der vorzüglichste Teil der ausübenden Kunst ver­schlossen bleiben müsse. Außerdem hatte er sich bei seinem Ge­sangsstudium in der Komposition versucht und war der Meinung, daß er in diesem Fach eine größere Selbstbefriedigung finden werde als in der Stellung eines Opernsängers.

( Schluß.)

Periode erinnerte er sich eines humoristischen Gedichtes von Dettinger, das sich unter seinen Papieren befinden mußte und ihn schon vor einigen Jahren ganz besonders angesprochen hatte. Er sucht die komische Dichtung hervor und sie gefällt ihm noch besser als bei der ersten Bekanntschaft derselben, er findet sie für seinen Zweck wie geschaffen.

In diesem seligen Moment aber fällt es ihm ein, daß dies Lied bereits schon zwei Komponisten gefunden, deren Tonweise aber so gut wie gar nicht existiren und bei denen jedenfalls große Mängel in der Komposition Schuld an ihrer Verbreitung ge­tragen. Er wurde unschlüssig, gedachte aber zu seiner Tröstung der goetheschen Worte: ,, Alles Gescheite ist schon gedacht wor­den, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken." Also noch einmal denken und zwar auf die Art und Weise, wie Carl Zöllner   seinen bekannten Speisezettel" oder die So ging denn sein ganzes Streben dahin, sich in Berlin   ,, deutschen Kleinstaaten" behandelt und so großes Aussehen in eine Existenz als Konzertsänger und Gesangslehrer zu gründen, den Quartettvereins Gesellschaften gemacht hatte. Der Er was denn auch nach so manchen herben Erfahrungen geschah, folg dieser Bagatellen, wie sie von blasirten Kritifern genannt denn nach kurzer Zeit zählte er zu den beliebtesten Konzert wurden, munterte ihn auf und ganz besonders stärkte ein Spruch fängern Berlins   und hatte das Glück, schon mit dem fünften von Grillparzer   seine Kourage, worin es unter Anderem hieß: Werke seiner Kompositionen, mit dem Liede: Fünfmalhundert ,, Kraft und Mut ist Heldenbrauch. Was ein anderer tausend Teufel" einen durchschlagenden Erfolg zu erringen.

Jedenfalls dürfte es von Interesse sein, die näheren Um stände zu erfahren, wie das Lied entstand, wo es zuerst gesungen und mit so kolossalem Beifall aufgenommen wurde.

Zu den vielfachen geselligen Vereinen Berlins   in der Mitte der Vierziger Jahre zählte der sogenannte Hutverein", zu dessen Mitgliedern auch Graben- Hoffmann gehörte. Der Verein bestand aus intelligenten, lebensfrohen jungen Leuten, die bei ihren Versammlungen zu harmloser Unterhaltung sich das Recht vorbehalten, bedeckten Hauptes zu bleiben, wenn einem der Mitglieder diese Bequemlichkeit beliebte, was um so eher ge­billigt wurde, als die Gesellschaft aus lauter Herren bestand. Deshalb der Name ,, Hutverein".

Die Versammlungen geschahen wöchentlich Abends einmal im Saale des früheren Urania Teaters, welcher im ehemaligen Sparwaldhof zwischen dem Spittelmarkt und der Kommandanten Straße lag. Die hier dargebotenen musikalischen und deklama­torischen Unterhaltungen fanden mit der Zeit solchen Anklang, daß auf vielfachen Wunsch auch Damen den geselligen Kreis durch ihre Gegenwart erweiterten und verschönten. So wurde denn alle vier Wochen ein sogenannter ,, Damenabend" arrangirt, an dem der Artifel von der Berechtigung des Hutaufbehaltens allerdings in Wegfall fam, ja sogar der schwarze Frack Heimatsrechte empfing. Bei den Unterhaltungen wirkten jezt hervorragende Künstler und Künstlerinnen, oft selbst Mitglieder des königl. Hofteaters in ge­eigneten Vorträgen freiwillig mit. Graben- Hoffmann war nicht Graben- Hoffmann war nicht der lezte in dieser Reihe, nur selten fehlte sein Name auf dem Programm, und er hatte im Vortrag von Liedern stets das ganze rührselige Publikum für sich. Ihm blieb nicht unbemerkt, daß bei dem Vortrag eines gemütvollen Liedes sich in so manches Frauenauge eine Träne stahl und sichtbares Ergriffenſein eigentlich mehr Wert habe als rauschend ausbrechender Beifall, der nicht selten sehr wohlfeil zu haben ist, namentlich bei Gesangstücken, die auf den Effekt berechnet sind. Dennoch waren Ovationen obiger Art dem jungen Sänger nicht so recht genügsam; er sehnte sich auch einmal nach rauschendem Beifall, wie ihn andere oft mit weit weniger fünstlerischen Mitteln errangen, weil sie es verstanden, das Publikum zu erheitern.

Da beschloß er, sich im heiteren Genre zu versuchen. Aber der Text! Hier war so zu sagen Holland   in Nöten, denn die wenigen guten Sachen im Bereich des Humors waren zu bekannt, um sich davon Erfolg zu versprechen. So wußte er auch aus Erfahrung, daß der Reiz der Neuheit bei solchen Sachen immer großen Anteil am Erfolge hat. In dieser Sturm- und Drang

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kann auf Erden, ei, bei Gott  ! dies kann ich auch." Vorwärts! flüsterte er sich zu, laß die Kritifer, welche nur in Mendelssohn- Bartholdy   oder Robert Schumann   ihre Selig­keit finden; das Simmlich- Schöne hat in der Kunst auch Berech­tigung. Nach mehreren Wochen des Sinnens und Dichtens war Graben- Hoffmann mit seinen 500 000 Teufeln zu Rande, sie konnten losgelassen werden und dazu war der nächstfolgende Damenabend" im Hutverein bestimmt.

,, Mit Eleganz und Liebereiz überladen; die Waschfrau hat mich etwas Erkleckliches gekostet", wie Doktor Bartolo sagt, be­trat der Komponist den Konzertsaal, welcher heute von Hörern wahrhaft überfüllt war. Das Programm versprach Hochgenüſſe besonderer Art, denn da fanden sich Namen wie Rudolf Löwen­ stein  , der spätere ,, Gelehrte des Kladderadatsch", welcher nicht nur ein trefflicher Dichter, sondern auch ein vorzüglicher Dekla­mator war. Es folgten Fräulein Pauline Marr, die damalige Primadonna des königlichen Opernhauses; der Hofschauspieler Franz, der königl. Kammermusifus Tuzek u. s. w.

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Den Reigen beschloß Graben- Hoffmann mit eigener Kom­position neu, zum ersten Mal. Obgleich er den Saal mit einem Gefühl betreten, das an ,, Willkommen, o seliger Abend!" erinnerte, wurde ihm von einer Programm- Nummer zur andern doch etwas bänglich zu Mute. Sein Vordermann war der Hofschauspieler Franz, der sich zur Deklamation ein hochtragisches Gedicht gewählt hatte. hochtragisches Gedicht gewählt hatte. Schon nach Verlauf der ersten Worte herrschte im Saale wahre Kirchenstille. Immer mehr ließ der Deflamator sein mächtiges Organ anschwellen, bald lispelnd, wie in Geistertönen, bald donnernd wie ein Berg­strom und sein Vortrag wirkte so erschütternd, daß keiner in der lauschenden Menge aufzuatmen wagte, bis das Gedicht, dumpftönend wie eine Grabesglocke, leise und immer leiser ver hallte.

Die Genugtuung für den ergreifenden Vortrag konnte, nach dem sich das Publikum einigermaßen gefaßt hatte, nicht aus­bleiben, und jezt, nach so ernsten Momenten sollte Graben- Hoff­mann auftreten, der, wie er selbst erzählte, durch den Vortrag so bewegt und erschüttert war, daß er an allen Gliedern bebte. Und in dieser Verfassung sollte er jezt heiter und lustig sein.

Auf dem schmalen Wege nach dem Podium mußte er dem Künstler begegnen und die eintretende Konzertpause benuzte er, um selbigem seine Bewunderung für die treffliche Leistung aus­zusprechen. Hierbei konnte er jedoch nicht die Meinung ver hehlen, daß Herr Franz ihm dadurch wohl keinen guten Dienst geleistet habe, er sei im Innern aufgeregt worden wie noch nic.