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Helgoland.
Das fleine Felseneiland, welches sich so steil aus dem Meere cmpor hebt und seine phantastischen Klippen- und Grotten bildungen in den wogenden Fluten der Nordsee spiegelt, ist be fanntlich im Befize England's, an welches es im Jahre 1814 von Dänemark abgetreten wurde. Helgoland , auch wohl Heiligeland genannt, liegt gerade den Mündungen der Elbe und Weser gegenüber, und wie England es verstand, sich überall es sei nur an Gibraltar meerbeherrschende Pläze anzueignen es sei nur an Gibraltar und Malta erinnert, so hat es auch auf dieser Insel festen Fuß gefaßt und beherrscht von hieraus die Mündungen der beiden wichtigsten Ströme Deutschlands und deren Schiffahrt.
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Außer der eigentlichen Insel gehören zu Helgoland noch das sandige Vorland, die" Düne", sowie mehrere Riffe und Felsen, von denen nur noch zwei einen besonderen Namen erhalten haben, nämlich der„ Mönch" und der" Stein". Die Insel ist etwa eine viertel Meile lang, und die Breite beträgt nur etwa den dritten Teil der Länge.
Man kann annehmen, daß diese fleine Inselgruppe nur die Reste sind einer größeren Insel, welche nach und nach von der nie rastenden Flut zu dem gemacht wurde, was heute noch vorhanden ist. Immer noch dauert der Kampf fort zwischen Fels und Wasser; noch immer unterwäscht und benagt die brausende See das kleine Stückchen Erde , immer enger wird der Kreis, den das wogende Meer zieht, und fast fann man berechnen, wann die Insel ihrem Feinde verfallen, wann sie verschwunden sein wird. Jene schwermütigen Sagen aber, denen wir so häufig an den Küsten der See begegnen, und die erzählen von untergegangenen Wohnpläzen der Menschen, welche sich auf dem Grunde des Meeres befinden, und von denen herauf manchmal dem Glücksfinde noch das Leuten der Kirchglocken ertönt, wird vielleicht um eine vermehrt sein, welche Nachricht gibt über das untergegangene Helgoland.
Der Eindruck, den der Reisende empfängt, wenn er zum erstenmale die Insel im Sommerschmucke erblickt, ist recht hübsch in einem Verse eines alt- friesischen Gedichtes geschildert. Es heißt da:
„ Road es det Lunn,
Grön es de Kant
Witt es de Sunn;
Datt es de woager vant Helligeland".
Die Farben von Helgoland sind denn auch grün, weiß und rot und noch heute erblickt man auf Flaggen und Schildern obigen Vers in deutscher Sprache:
,, Rot ist die Klippe,
Grün ist das Land,
Weiß ist der Sand
Das sind die Farben von Helgoland ".
Die gewöhnliche Route nach Helgoland geht über Hamburg , von wo wöchentlich mehreremale ein Dampfschiff dahin abgeht. Die Fahrt dauert 8 Stunden; doch werden etwa nur 3 Stunden auf der See zugebracht, während die übrige Zeit von der etwas einförmigen Fahrt elbabwärts in Anspruch genommen wird. Für diejenigen, welche Interesse daran haben, zu wissen, wie einem Seekranken zumute ist, sei hier bemerkt, daß das Schiff bei etwas unruhigem Wetter schon recht schaukelt" und schon ein großer Teil der Touristen hier dem Neptun das bewußte Opfer dar bringen mußte.-
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die Kleidung der Frauen, welche aus hellen, rot oder gelb eingefaßten Unterröcken, leichten Oberkleidern und schwarzen Sonnenhüten besteht.
So klein auch die Insel ist, so kann sie doch zwei Drtschaften aufweisen, die eine auf dem Unterlande, nahe am Strande, die andere auf dem Oberlande, auf der Höhe des Felsens. Der Höhenunterschied zwischen beiden ist etwa 170 Fuß und der Besucher des Oberlandes muß 203 Stufen emporklimmen, um dasselbe zu erreichen. Hier befindet sich das Regierungshaus, die Kirche und die Batterien nebst den Militärmagazinen, und alles überragend der berühmte Leuchtturm, dessen Laterne sich 257 Fuß über den Meeresspiegel erhebt. Der Leuchtturmt dient nicht nur als Warnung vor den Felsen, auf denen er steht, sondern auch als Merkzeichen für die Fahrzeuge, welche die Mündungen der Elbe und Weser , der Jahde und Eider zu ge winnen suchen. Die Zahl der Häuser beträgt etwa 450, in denen einige tausend Bewohner leben, und sie sind es, die dem Plaze sein eigentümliches Gepräge geben. Sehen sie mit ihren dunklen Mauern und roten Dächern doch so sauber und niedlich aus, als hätten Kinder sie soeben ihrer Spielzeugschachtel ent nommen und sie hübsch in Gassen und Pläzen geordnet auf gestellt.
Der erste Eindruck von Helgoland erinnert an nichts mehr, als an eine Szene aus der Oper„ Der fliegende Holländer ". Dieselbe glänzende See, die dunklen Klippen und das sandige Ufer. Und derselbe lange, aus Baumstämmen gefügte Hafendamm ragt aus den blauen Fluten hervor, dieselben Gruppen
derber, kräftig schöner Nordseefischer bedecken ihn. Auch die weiten Hosen, die hellblau gestreiften Matrosenhemden, die blau
oder rotwollenen Müzen, mit denen die Männer bekleidet sind,
machen einen teatralischen Eindruck, der noch erhöht wird durch
Ein sehr eigentümliches Gebäude ist die Kirche und noch sonderbarer ist die innere Ausstattung derselben. Von der Decke herab hängen eine Anzahl Schiffsmodelle, die im vollen Schmuck der Segel prangen, und welche als Geschenke an die Kirche sehr in Ehren gehalten werden. Erwähnenswert ist auch der Taufstein, der durch zwei Figuren gehalten wird, von denen Kenner behaupten, daß sie von einem heidnischen Altar herrühren.
Wie angeblich italienische Räuber, che sie auf Raub aus gehen, ein brünstiges Gebet zur Mutter Maria emporschicken, um sich ihre Hilfe bei ihrem Unternehmen zu sichern, so ist es auch noch nicht allzulange her, daß in der Kirche zu Helgoland der Prediger von der Kanzel herab ein Gebet zum Himmel schickte, daß der Gemeinde doch das Wrack eines gestrandeten Schiffes als Beute gesandt werden möchte. Und wenn während des Gottesdienstes die Nachricht kam, daß der heulende Sturm ein Schiff auf die Klippen der Insel gesezt hatte, so klappte wohl der Prediger seine Bibel zu, ergriff die lange, beil artige Picke, die für solche Fälle in Bereitschaft stand, und schritt Es war seiner Heerde voraus, sie zu ihren Booten führend. nicht die Besorgnis um Menschenleben, welche diese Leute hinaus trieb, sondern die Gier nach Erwerb, das materielle Interesse. die Strandräuberei. Erachteten sie doch das, was das Meer an ihre Küsten warf, auf Grund des sogenannten Strandrechts als ihr Eigentum. Seit Generationen hatte jeder männliche Bewohner der Insel sich an diesem Erwerb beteiligt, der Brauch war gewissermaßen geheiligt durch sein Alter, und als endlich von außen her ein Druck auf die Bewohner der Insel ausgeübt wurde, jenen Brauch abzuschaffen, da wurde derselbe wohl heim licher geübt, als vorher, aber erhalten blieb er doch. Damit niemand Kunde von dem Geschehenen bringen konnte, verschwand die Schiffsmannschaft, das Meer deckte das Opfer und das Geheimnis; niemand kehrte zurück und berichtete, welcher Art das Willkommen war, das ihnen geboten wurde von diesen un barmherzigen Felsenbewohnern.
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Erst dem vorlezten Gouverneur der Insel ist es gelungen, der Strandräuberei einen Damm entgegenzusezen. Aber auch er mußte einschen, daß Geseze uralten im Volke wurzelnden Bräuchen und Ansichten gegenüber ohnmächtig sind, und wen man heute nichts mehr von Strandräuberei vernimmt, so ist das wohl weniger den eingeführten Repressivmaßregeln, der Furcht vor Entdeckung, als vielmehr den durch die steigende Kultur veränderten Ansichten der Inselbewohner zuzuschreiben. Der erwähnte Gouverneur hat eine Strandwächtertruppe, zumteil aus Bewohnern der Jusel, zumteil aus Engländern bestehend,