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Die verunglückte Medizin.( Illustr. S. 371). Unserm Steffen geht es ähnlich wie jenem Bekannten, der die Nase furchtbar hoch trug und sich in alle Himmel irdischen Ruhmes träumte, dabei aber über einen Stein stolperte und so mit seinem Riechorgan in eine Pfüze fiel ein Vorfall, der ihn eindringlich genug ermahnte, wie schwierig es selbst bei der lebhaftesten Phantasie wird, die gemeine Anziehungskraft der Erde zu überwinden. Nur hat Steffen keine hochfliegenden Pläne und geizt nicht nach billigem Ruhm und Ehre. Er hat nur auf dem ganzen Wege von der Stadt nach seinem Heimatsdorfe die Säcke Korn und Kartoffeln und sonstige Erträgnisse seines Fleißes überzählt, welche ihm die heurige Ernte bringen soll und dabei ganz vergessen, daß ihm die Lise, seine beste Kuh im Stalle schwer erkrankt ist, daß er sich, um sich dieselbe am Leben zu erhalten, auf Anraten des Tierarztes in die Stadt begeben, um eine große Flasche Medizin zu kaufen und endlich daß er dieses Heilmittel in einer der mächtigen hinteren Taschen seines leinenen Kittels geborgen hat. Sinnend und träumend ist er dahin gewandelt, bis mit einemmale das Schild eines Wirtshauses an der Landstraße ihn freundlichst zur Einkehr geladen. Wer wird es ihm verargen, daß er dieser Einladung nicht genügenden Widerstand entgegenzusezen vermochte? Ein„ Bittrer" nach so beschwerlichem Marsche stärkt, denkt er und tritt ohne langes Besinnen ein. Das Packet pfälzer " Kanaster" sammt Sacktuch wird vorsichtig und gewohnheitsgemäß aus der andern hintern Rocktasche hervorgesucht, auf den Tisch gelegt und nun in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen, sich fest auf die mächtige Holzbant gesezt. Aber o weh, was war das! Ein verdächtiges Krachen und Knistern, ein Handgriff nach der gefährlichen Stelle uud jezt wird dem Steffen die Situation voll und ganz klar. Was er hervorzieht, sind nur noch die Scherben jenes Gefäßes, von dessen Inhalt das Leben seiner" Life" abhängen sollte. Was nun? Wir wissen's nicht und es ist auch höchst gleichgiltig wie sich Steffen aus dieser Patsche hilft; für uns genügt die lebenswahre Darstellung dieses Momentes vollkommen. Adolf Lüben, dem wir dieses reizende Genrebild verdanken, wurde 1867 als Sohn deutscher Eltern in Petersburg geboren, begann 1853 in Berlin seine künstlerische Ausbildung und jezte dieselbe 1860 in Antwerpen fort. Hierauf widmete er sich eine zeitlang der Landwirtschaft, kehrte dann aber in Berlin zur Malerei zurück und nahm 1876 in München seinen Wohnsiz. Sein Lieblings- und Hauptfach ist das Genre, und was er darin zu leisten vermag, zeigt vorstehendes Bild. Naturwahrheit und feine Karakteristik spricht aus allem, und man betrachte nur das Gesicht des Bäuerleins und die Aufmerk samkeit seines Ami", um die echte künstlerische Leistung zu erkennen. Vielleicht findet man dann auch heraus, wer von den beiden das Malheur mit größerer Philosophie erträgt als der andre.
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Literarische Umschan.
nrt.
Auf der Höhe. Internationale Revue, herausgegeben von Leopold von Sacher- Masoch . Leipzig , Verlag von E. L. Morgenstern.
Diese sich in einem sehr stattlichen Gewande präsentirende, in großem Stile angelegte Zeitschrift will sich durch ihren Titel karakterisiren:„ wir wollen uns in jeder Beziehung auf der Höhe" halten", heißt es in dem dem ersten Heft vorausgeschickten Programm, wir werden über den Parteien stehen". Das ist gewiß ein sehr vernünftiges und sehr ehrenwertes Vorhaben, welches allein für sich schon Grund genug gibt, das Erscheinen dieser neuen Revue in der Reihe, oder vielmehr außer der Reihe der in den lezten Jaren mehrfach entstandenen Monatschriften freundlich willkommen zu heißen. Es ist leider nicht zu leugnen, daß die lezteren alle, ohne Ausname, in ihrem Rahmen nicht das völlig treue, alle einzelnen Momente umfassende Spiegelbild des gesamten modernen Kulturlebens und-strebens bieten, welches man von einer derartigen Revue verlangen darf. Welch' eine hohe Aufgabe sich demgegenüber die neue Zeitschrift gestellt, geht weiter aus den Worten des Programms hervor:„ Wir werden uns nicht damit begnügen, auf politischem wie auf nationalem, auf religiösem wie auf wissenschaftlichem oder literarischem Gebiete jede Einseitigkeit, jede Gehässigkeit auszuschließen; was wir anstreben, ist viel mehr, unsere Revue soll ein neutraler Boden werden, auf dem feine Interessen gelten als jene der ganzen Menschheit, auf dem sich die bedeutenden Geister aller Nationen und Richtungen offen und gleich, aber stets würdevoll aussprechen sollen". Wenn das Blatt diese Aufgabe erfüllt, dieses Ziel immer und unverrückt im Auge behält, dann kann es in der Tat Großes leisten und von höchster Bedeutung werden, dann ist es die Pflicht aller warhaft Gebildeten und ehrlich Strebenden, von ihm Kentnis zu nemen und ihm an ihrem Teile Verbreitung, Gewicht und Einfluß verschaffen zu helfen. Schon das 160 Seiten Oktav umfassende erste Heft bietet uns vollen Anlaß, an den Ernst des Herausgebers zu glauben. Ein schwungvolles, fräftiges Gedicht Hermann Linggs, eines der wenigen modernen Dichter, die der Zeit an den Puls fülen und sie zu verstehen und im guten
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Sinne zu beeinflussen suchen, ist ihm als weihevoller Prolog vorausgeschickt. Die Genien der Menschheit" lautet seine Ueberschrift-
" Ich, sprach der Hellste dann, ich gründe Für ein künftiges, bess'res Geschlecht Menschlichkeit, aller Völkerbünde Höchstes Gesez und erstes Recht.
All der Kühnen wird froh gedacht, Die des Eises Veste gebrochen, Die des Polarmeers ewige Nacht, Felsen und trennendes Land durchstochen Und die Wüsten fruchtbar gemacht. Allen auch, die Blut und Leben Gegen Willfür und Uebermacht Todesfreudig dahingegeben."
Also die Genien, und heiligen Mutes Ueber verwüstender Heere Zug,
Ueber den Strömen vergossenen Blutes Schwingt sich der Zukunft entgegen ihr Flug"-
heißt es darin.
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Das Arrangement des Inhalts muß man als ein sehr geschicktes bezeichnen. Außer belletristischen Beiträgen( darunter einer vom Herausgeber:" Der Judenraphael") enthält das Heft u. a. folgende gediegene Arbeiten:„ Desterreich- ungarische Zustände und Gesaren" von einem verabschiedeten Staatsmann, verabschiedeten Staatsmann, Ueber den Ursprung des organischen Lebens" von Karl Vogt ,„ Prisenrecht und Prisenrechtfrage" von dem leider zu früh verstorbenen Bluntschli,„ Spracheigentümlichkeiten bei Lessing" von Daniel Sanders u. s. w. Das Mitarbeiterverzeichnis weist eine große Anzal sehr flangvoller Namen auf, was an sich wenig fagen will, es sind aber wirklich sehr gute, die Namen sehr tüchtiger Männer darunter. Indes auch junge Talente sollen„ auf die Höhe" kommen dürfen,-sonst läßt man sie bekantlich im dunklen verhungern. ,, Nicht der Mann, nicht die Person wird bei uns in's Gewicht fallen, immer nur die Sache, die Leiſtung",- das ist eine sehr schöne Be merkung des Programms. Vielleicht gelingt es dem Herausgeber, für politische und volkswirtschaftliche Aufsäze noch einige gediegene Mitarbeiter zu finden, damit möglichst, wie es das Programm ja will, alle Richtungen vertreten sind.
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Besonders gefallen will uns auch, daß man in der Zeitschrift eine ehrliche literarische Kritik zu üben es fehlt derselben dazu freilich eine besonders sehr zu wünschende Rubrik- und gegen die Herschaft der Clique" die Waffe zu füren beabsichtigt, vor allem gegen die„ Clique der Mittelmäßigkeiten in Berlin ", die die Kritik beim deutschen Publikum vollständig in Mißkredit gebracht und hinter der sie nur ihre eigene Unfähigkeit zu mastiren versucht hat". SacherMasoch hat befantlich eine sehr geharnischte Broschüre über den Wert der Kritik" geschrieben.
So wünschen wir denn dieser internationalen Revue guten Weg; möge sie recht viele„ auf die Höhe" geleiten! Dr. M. V.
Redaktions- Korrespondenz.
Ratibor . L. 5- n. Das fragliche Schmuhmachen" verfällt freilich strafgefezlicher Ahndung. In folgenden Reymondschen Gedächtnisversen wird der be zügliche§ 150 des Reichsstrafgesezbuchs höchst eindrucksvoll in Poesie übertragen:
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Wer Geld beschneidet oder feilt Und sonst im Wert verringert, cilt Der rächenden Justiz entgegen, Wenn solche Münze er verwegen Als voll zu Markte bringen will, Ob wenig fehle oder viel Kriegt er Gefängnis nicht, so zahl er Ein Strafgeld bis zu tausend Taler. Gut ist es, wenn er nicht vergißt, Daß auch Versuch schon strafbar ist. Auch wer die Münz ' nicht selbst beschnitt, Jedoch im Einverständnis mit
Dem Künstler, der die Tat vollzogen, Sie weiter gibt als vollgewogen, ( Vielleicht auch aus Gewohnheit nur!) Berfällt der gleichen Prozedur.
In beiden Fällen obgenant,
Wird oft auch Ehrverlust erkannt.
Frankfurt aM. Frau P. Wir werden uns bemühen, Ihre Wünsche zu er füllen, bemerken aber im vorhinein, daß das garnicht leicht ist, da wir solchen Zweden, der einem Blatte, wie die N. W., notwendigen Reichhaltigkeit des Inhalts willen, nur einen sehr beschränkten Raum zumessen können.
Inhalt: Verschlungene Lebenswege. Roman von Franz Carion.( Forts.) Helgoland . Das Reichsgesundheitsamt und die Wissenschaft der Zukunft.( Schluß.) Der Eltern Sünde. Eine Skizze nach dem Leben von M.. B...( Schluß.) Im Kampf wider alle. Roman von Ferdinand Stiller.( Forts.) Zum Kapitel Weltsprache. Poetische Aehrenlese. Pfahldorf.( Mit Illustration.) verunglückte Medizin.( Mit Jllustration.) Literarische Umschau: Auf der Höhe. Redaktionskorrespondenz.
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Berantwortlicher Redakteur Bruno Geifer in Stuttgart. ( Neue Weinsteige 23.) Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart . Drud und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart .
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