vorstudentischen Menschen mit all seinen Unarten und Unge schliffenheiten dargestellt werden sollte, auf die zulezt eine Weihe für den neuen Stand der Sittlichkeit und Weisheit folgte. Von einem besonderen Akte dabei, dem Abstoßen oder Abhauen auf gesezter Hörner( cornuum depositio) erhielt die Ceremonie ihren Namen. Der neue Ankömmling, der sogenannte Bean oder Bachant, ward angesehen als ein pecus campi, cui cornua deponenda essent( ein Stück Vich, dem die Hörner abgenommen werden müßten), der erst enthörnt und so gewissermaßen enttiert werden, als ein grober Kloz, der durch allerhand Instrumente erst behauen und zurecht gemacht werden mußte."

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Auf sämmtlichen deutschen   Universitäten war die Deposition gradezu gefordert, und niemand konnte das akademische Bürger­recht und später einen akademischen Grad erlangen, der sich ihr nicht unterworfen hatte. Die Handlung ward vollzogen im Bei­sein des Dekans der philosophischen Fakultät und geschah, wie aus einer Dissertation des Magister Sahmens hervorgeht, in der Mitte des 17. Jahrhunderts etwa auf folgende Weise: Wer von den Neuankommenden deponirt sein wollte man fonnte sich später auch mit Geld loskaufen mußte sich bei dem Dekane der philosophischen Fakultät melden. War dann eine passende Anzahl Beanen zusammen, so bestimmte der Dekan Tag und Stunde der Feierlichkeit und berief den Depositor mit seinen Instrumenten und dem Diener an den festgesezten Versamm lungsort. Derselbe erschien, breitete seine Werkzeuge der Reihe nach aus und zog ein Gewand an, wie es herumziehende Schauspieler zu tragen pflegen. Dann puzte er auch die Beanen mit solchen lächerlichen Kleidern auf, färbte ihnen den Bart mit Schuh­schwärze, verteilte unter sie seine Instrumente: eine Art, Beil, 3ange, Hammer, Säge, ein Becken, Stuhl, hölzernes Scheer messer, Spiegel, Horn, hölzerne Gabel, Bohrer, Kamm u. dgl. und stellte sie der Ordnung nach in bestimmter Reihe auf. War dies geschehen, so zog er als Führer an der Spize mit ihnen vor den Dekan und die versammelten Zuschauer, hielt eine An­rede und begann dann den Akt in folgender Weise. Eine mit Sand oder Kleien gefüllte Wurst in der Hand, ließ er die Beanen bald hierhin bald dorthin laufen, legte ihnen verfäng­liche Fragen vor, und wenn sie sie nach seinem Geschmacke nicht beantworten konnten, prügelte er mit der Wurst heftig auf sie los. Hatte ein jeder sein Teil, so hieß er sie die Instrumente weglegen und sich der Länge lang an die Erde strecken derge= stalt, daß die Köpfe zusammen kamen und sie so mit ihren Kör­pern einen Kreis bildeten. Dann machte er sich daran und be­arbeitete sie mit den einzelnen Werkzeugen; er behieb ihre Schul­tern mit der Art wie Bretter, bohrte mit dem Bohrer an den Knöcheln, bis er sie gehörig zugerichtet wieder aufstehen hieß. Dann sezte er ihnen Hörner auf und hieb sie mit dem Beile wieder ab, sezte jedem einen ungeheuer großen Zahn ein, den sogenannten Bachantenzahn, und zog ihn mit der Zange wie­

der aus.

Darauf mußten sie sich der Reihe nach auf einen einbeinigen Stuhl sezen, und er rasirte sie, wobei er statt der Seise einen

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Ziegelstein, dazu ein hölzernes Messer und statt einer Serviette zum Abwischen die gröbste Sackleinwand anwendete; er vollzog über­haupt dieses Geschäft mit solcher Zartheit, daß das anfängliche Lachen auch der Stärksten sich häufig ins Gegenteil verkehrte. Dann kämmte er ihnen die Hare und warf Hobelspäne hinein. Zulezt prügelte er sie mit der Wurst aus dem Zimmer hinaus und lief selber hinterdrein.

Draußen machten sich die Beanen wieder zurecht, brachten ihre Kleider wieder in Ordnung, auch der Depositor zog sich wieder anständig an und führte sie ins Zimmer zurück. Da empfahl er in lateinischer Rede die Kandidaten dem Dekan und bat ihn in ihrem Namen um das Zeugnis der Deposition. Der Dekan antwortete ebenfalls lateinisch, empfahl den Brauch und erklärte die symbolische Bedeutung der Ceremonien nicht ohne väterliche Ermahnungen.

Sodann gab er ihnen Salz zu kosten, als Symbol der Weisheit. Wie das Salz alles vor Verderben und Fäulnis bewahre und die beste Würze der Speisen sei, so sei auch das einzige Mittel, das menschliche Gemüt vor dem Verderben und der Fäulnis der Laster zu bewahren, die Weisheit, der sie von nun an emsig nachtrachten müßten. Endlich goß er ihnen Wein auf's Haupt, als Wahrzeichen der Freude; denn wie der Wein des Menschen Herz erfreue, so würden sie eine besondere Freude empfinden, wenn sie der Weisheit nach allen Kräften oblägen 2c. 2c. War dies alles vorüber, so stellte der Dekan den Kandidaten das Zeugnis über die ausgehaltene Deposition aus, und sie waren nun wirkliche Studenten.

Von den Fragen, welche der Depositor den Neulingen z. B. zu Marburg   vorlegte, wollen wir nur einige von Schuppius mitgeteilte anführen: Der Depositor gibt dem Jungen eine Ohrfeige und fragt: Hast du auch eine Mutter gehabt?" Der Junge antwortet: Ja!" Der Depositor gibt ihm noch eine Ohrfeige:" Nein, Schelm, sie hat dich gehabt." Er fragt weiter: Wie ist die Erbse auf die Welt gekommen?" Der Junior sagt: er wisse das nicht; da muß er abermahlen eine Ohrfeige haben, und der Depositor sagt: Du Schelm, sie ist rund auf die Welt gekommen." Sage mir ferner:" Wie viel Flöhe gehen in einen Scheffel?" Der Knabe antwortet mit Zittern und Beben: Ach, das hat mich mein Präzeptor nicht gelehrt, ich habe nur die Grammatik und ein Compendium Logicae et Rhetoricae gelernt." Was" sagt der tyrannische Bedell, du mußt mehr wissen, wenn du nicht mehr ein Bachant seyn wilt; lerne das heute von mir, daß die Flöhe nicht in den Scheffel gehen, sie hüpfen hinein." 2c. 2c.*)

* Außer auf den deutschen   Universitäten findet man die Deposition noch auf der Universität zu Upsala  ( Schweden  ), wo sie mit dem in Deutschland   geübten Gebrauche im wesentlichen übereinstimmt, sich dem Pennalismus aber insofern nähert, als die jungen Studenten nach der Deposition noch 6 Monate lang schwarze Mäntel tragen und sich mancherlei Verhöhnungen gefallen lassen müssen. Nach Verlauf dieser Frist lösen sie sich durch einen Schmaus.

Eine Säkular- Erinnerung an Schiller  *).

Von Dr. A. Jsrael.

Es ist ebenso interessant als lehrreich, das Werden und Wachsen des Genius von seinen frühesten Regungen an zu ver folgen, dem Stammeln seiner Kinderjahre zu lauschen, den Win­dungen und Krümmungen nachzuspüren, die der Duell seines Geistes einschlug, bis er zum breiten, majestätisch dahinflutenden Strom anschwoll. Selbst wo er in jugendlichem Ungestüm wild überschäumt, wie der tosende Waldbach im Frühling, offenbart er jene schaffende Kraft, die, durch Regel und Maß gezügelt, die Fluren erquickt und unsterbliche Früchte treibt, welche Mit und Nachwelt erfreuen. Damit soll feineswegs jenem literar­historischen Kultus der Aeußerlichkeit das Wort geredet werden,

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( Fortsezung folgt.)

der dem unbedeutendsten biographischen Zug bedeutender Menschen mit ängstlicher Sorgfalt nachspionirt, über die gerinfügigste Va­riante in ihren Werken lange Abhandlungen schreibt, während man den ächten Kultus des Genius, die Verbreitung seiner Werke,

vernachlässigt; über welchen Gözendienst Paul Heyse   mit Recht

flagt:

*) Benüzt: Eduard Boas  , Nachträge zu Schillers sämmtlichen Werken. Stuttgart  , 1839. J. Scherr  , Schiller   und seine Zeit. New­ York  , L. Hauser. E. Palleske, Schillers Leben und Werke. Stutt­ gart  , 1877,