Wo ist die Zeit, da Oberon entzückte, Und Hyon's Horn mit heit'rem Wunderklang Grauköpfe selbst der Wirklichkeit entrückte? Die Zeit, da ihren Schiller sehnsuchtbang Die zarte Jungfrau an den Busen drückte, Der Jüngling seinen Goethe noch verschlang In Wohllust schwelgend ew'ger Melodien? Statt ihn zu lesen, liest man über ihn.

Das Wort Goethes: Und wenn sich auch der Most noch so absurd geberdet, es gibt zulezt doch guten Wein" ist ganz besonders bei seinem kongenialen Bruder in Apoll  , bei Schiller  , zutreffend. Denn absurd genug geberdet sich allerdings der Most der schiller'schen Poesie in seinen Erstlingswerken.

Welch ein immenser Abstand zwischen diesen und den vol­lendeten Dramen und Dichtungen der späteren Zeit.

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Der kraftgenialische Titanismus, welcher jene literarische Epoche karakterisirt, der Sturm und Drang  , welcher alle Fesseln, auch die Rosenketten des Maßes und der Schönheit sprengte und im Ueberschwenglichen, Ungeheuerlichen, in Schwulst und Bombast sich gefiel, fand in Schiller   einen seiner gewaltigsten Repräsen tanten und in den Räubern, dieser vulkanischen Eruption, die wild unbändig und prächtig wie mächtige Lavaströme daherschießt, hat die Feuerseele des jugendlichen Dichters, welche unter dem Druck äußerer Verhältnisse sich noch ungestümer aufbäumte, diesen Titanismus in voller Energie ausgesprudelt. In den Räubern, sagt H. Heine   treffend, gleicht Schiller einem kleinen Titanen, der aus der Schule gelaufen ist und Schnaps getrunken hat und dem Jupiter die Fenster einwirft. Troz der großartigen Schön­heiten, die das Drama unleugbar besizt, ist es einem geläuterten, reifen Geschmack künstlerisch nicht recht genießbar und zwar nicht blos hinsichtlich der Sprache, sondern auch hinsichtlich der Ka­raktere, wie auch der ganzen Tendenz, die das Stück beseelt. Die Freiheit, wir geben hier einem hervorragenden Kritiker das Wort die darin verlangt und angestrebt wird, ist im Grund eine so inhalt- und ziellose, daß sie aus der Lust rousseau' scher Abstraktionen mit Notwendigkeit in den Schmuz des Räuber­lebens herabfallen muß. Abstrakt sind auch die Personen, ob­gleich Schiller in den Figuren seiner Bande verschiedene seiner Mitzöglinge zu portraitiren versucht hat. Lebenswirklichkeit muß man in dem Stücke nicht suchen: was für eine Schemengestalt ist z. B. Amalia! Aber freilich, was wußte der Karlsschüler, als er die Räuber schrieb, von den Frauen? Nichts. Was von der Welt überhaupt? Nur was im Plutarch und Rousseau   stand, denn den Shakespeare hat er selbstgeständlich erst viel später verstanden. Die Karaktere in den Räubern sind daher feine Menschen, sondern Abstraktionen himmelhoher Tugenden und höllentiefer Laster, wie eben der ins Ungeheuerliche vergrö­Bernde und zugleich verzerrende Hohlspiegel sie zeigt, in wel­chem eine geniale und unerfahrne Jugend die Welt zu sehen sich leicht verführen läßt. Auf Schiller, den Verfasser der Räuber, paßt vortrefflich, was Jean Paul   von einem seiner Jünglinge sagt: Dieser Heros, in der Kartause und mehr unter der Vorwelt als Mitwelt aufgewachsen, legte an alles antedilu vianische Riesenellen." Wie man weiß, hat der Dichter in spä­terer Zeit feineswegs mit väterlicher Zärtlichkeit auf seinen wilden Erstling zurückgesehen, ja er hat die Räubertragödie schon vier Jahre nach ihrer Vollendung als ein Ungeheuer" verdammt. Er ist dabei mit jener ganzen Strenge gegen sich selbst ver­fahren, welche nicht der geringste Vorzug eines Mannes ge­wesen ist, dessen Muse das Gewissen war.( La conscience est sa muse sagt Frau von Staël von Schiller in ihrem Buche De l'Allemagne.) Indessen abgesehen davon, daß die Räuber ein unvergängliches Dokument der Stimmung ihrer Entstehungs­zeit sind und abgesehen von der ungeheuren Wirkung, die sie getan, weist diese Tragödie Züge einer ursprünglichen Kraft und Größe auf, wie sie der Dichter später kaum übertroffen hat. Wer jemals aus dem Munde eines bedeutenden Darstellers den Traum Franz Moors vom Weltgericht vernommen hat, der wird gestehen müssen, daß hier eine Region des Erhabenen erreicht ist, welche selbst ein Aeschylos, ein Dante und Shakespeare   nur in glücklichsten Momenten erreichen. Bedeutsam ist folgende

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Stelle in einem 1784 im deutschen Museum II 365 abgedruckten Aufsaze Schillers:" Früh verlor ich mein Vaterland, um es gegen die große Welt auszutauschen, die ich nur eben durch die Fernröhre kannte. Ein seltsamer Mißverstand der Natur hat mich in meinem Geburtsorte zum Dichter verurteilt(!). Neigung für Poesie beleidigte die Geseze des Instituts, worin ich erzogen ward, und widersprach dem Plan seines Stifters. Acht Jahre lang rang mein Entusiasmus mit der militärischen Regel. Aber Leidenschaft für die Dichtkunst ist stark wie die erste Liebe: was sie ersticken sollte, fachte sie an. Verhältnissen zu entfliehen, die mir zur Folter waren, schweifte mein Herz in eine Ideal­welt aus. Aber unbekannt mit der wirklichen, von welcher mich eiserne Stäbe trennen, unbekannt mit den Menschen denn die vierhundert, die mich umgaben, waren ein einzig Geschöpf, der getreue Abguß ein und desselben Modells, von welchem die plastische Natur sich feierlich lossagte, unbekannt mit den Neigungen freier, sich selbst überlassener Wesen, denn hier kam nur eine zur Reife, die ich jezt nicht nennen will: jede übrige Kraft des Willens erschlaffte, indem eine einzige sich konvulsivisch spannte; jede Eigenheit, jede Ausgelassenheit der tausendfach spielenden Natur ging in dem regelmäßigen Tempo der herr­schenden Ordnung verloren; schenden Ordnung verloren; unbekannt mit dem schönen Ge­schlecht die Tore dieses Instituts öffnen sich, wie man wissen wird, Frauenzimmern nur, ehe sie anfangen, interessant zu werden, und wenn sie aufgehört haben, es zu sein;- unbekannt mit Menschen und Menschenschicksal, mußte mein Pinsel notwendig die mittlere Linie zwischen Engel und Teufel verfehlen, mußte er ein Ungeheuer hervorbringen, das zum Glück in der Welt nicht vorhanden war und dem ich nur darum Unsterblichkeit wünschen möchte, um das Beispiel einer Geburt zu verewigen, welche die naturwidrige Ehe der Subordination und des Genius in die Welt sezte. Ich meine die Räuber."

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Freier noch als in den Räubern, wo die Rücksicht auf das Teaterpublikum eine gewisse Reserve gebot, läßt der jugendliche Stürmer und Dränger seinem kraftgenialischen Pegasus in einer Sammlung von Gedichten den Zügel schießen, welche bald nach den Räubern unter dem Titel: Antologie auf das Jahr 1782, Gedruckt in der Buchdruckerei zu Tobolsko," erschien. Folgendes war der Anlaß hierzu. Im Jahre 1781 hatte ein Landsmann Schiller's  , der Dichterling G. F. Ständlin, die schwäbischen Dichter unter seiner Fahne gesammelt und eine schwäbische Blumenlese unter dem Titet: Schwäbischer Musenalmanach ( Tübingen  , J. G. Cotta) herausgegeben, welche jedoch, einige wenige gute Gedichte abgerechnet, besser eine Distelnlese genannt werden dürfte. Als Vignette trug sie eine über Schwaben   auf gehende Sonne. Schiller, der zur Beisteuer aufgefordert worden war, sendete dem Herausgeber mehrere Oden und Gedichte. Dieser nahm aber nur ein einziges Gedicht auf, die Entzückung an Laura, und dieses mit Verstümmelungen. Dadurch persönlich verlezt, schrieb Schiller  , dem ohnehin die Bedeutung, welche der Almanach mit der Titelvignette sich anmaßte, mißfallen mußte, eine beißende Rezension, worin er sich besonders über die auf­gehende Sonne lustig machte. Sie ist nach Inhalt und Aus­druck karakteristisch, zeigt ganz die Physiognomie des jugendlichen Schiller, und verdient um so mehr aus dem Dunkel der Biblio­teken ans Licht gezogen zu werden, als manche Stelle darin auch auf gewisse Erscheinungen der Gegenwart Anwendung findet. " Bei der gegenwärtigen Mode" beginnt dieselbe, Kalender zu machen,( Seuche darf ich sie doch nicht nennen, denn man streitet, ob Krankheiten aufkommen, die die Alten nicht schon gehabt haben, und Musenalmanache hatten sie doch wohl nicht) bei der so empfindsamen Witterung in ganz Deutschland   ist eine württem bergische Blumenlese kein Phänomen mehr. Man beschuldigt sonst die Schwaben  , daß sie erst anfangen, wenn ihre Nachbarn Feierabend machen, und in dieser Hinsicht endliche prophetische Ankunft des schwäbischen Musenalmanachs! gesegnet sey die Bücher dieser Art lassen sich nur von drei Seiten ansehen. Entweder sie sind die Freistadt   angehender schüchterner Schrift steller, die hinter dieser Tapete Ruf oder Abschreckung vom Publikum erwarten. Man billigt sie in dieser Rücksicht, nut