Titel günstigere Stimmung für sich erzeugen will. Besonders erheiternd wirkt das zweideutige Verhältnis des jungen leichtfertigen Neffen( Fuchs ) zur schönen Gattin des alten griesgrämigen Oheims( Wolf ).
Dieser Gegensaz spricht sich auch in der Färbung aus. Stimmt das Grau zu der alten und grämlichen Stimmung des Wolfes, so das Rot zu dem boshaften, listigen und untreuen Wesen des Fuchses. In unserer Sprache hat sich diese Beziehung der roten Farbe zum Fuchs so eingebürgert, daß wir heute noch die roten Goldstücke„ Füchse," wie auch das rotharige Pferd Fuchs nennen.
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Eigenschaften wie die oben angeführten,- daß auch den übrigen Tieren in der Tiersage ähnliche beigelegt wurden, liegt auf der Hand waren und sind nun in der Natur dieser Tiere begründet, und eben diese Natur machte ihre Träger besonders zu Akteurs in der Fabel geeignet. Lessing , der große Gesezgeber im Reiche der Kunst, hat denn auch in diesem Falle wieder das richtige in seiner klassischen Weise ausgesprochen, wenn er die allgemein bekannte Bestandheit der Karaktere" als die Ursache für den Fabulisten ansieht, die Tiere als handelnde Personen in der Fabel zu verwenden, anstatt der Menschen. Ein Mensch und selbst ein in der Geschichte durch seinen Karakter und glänzende Talente sich auszeichnender Mensch, ist viel zu wenig in seinen Eigenschaften der großen Menge des Volkes bekannt und verständlich, während Fuchs, Wolf und andere seit langem allgemein als Personifitationen einer Summe bestimmter Karaktereigenschaften gelten. Lessing demonstrirt dies in seiner scharfsinnigen Abhandlung über die Fabel folgendermaßen: Man hört Britannicus und Nero . Wie viele wissen, was sie hören? Wer war dieser? Wer jener? In welchem Verhältnisse stehen sie gegen einander?- Aber man hört: der Wolf und das Lamm; sogleich weiß jeder was er hört, und weiß wie sich das eine zu dem andern verhält. Diese Wörter, welche stracks ihre gewissen Bilder in uns erwecken, befördern die anscheinende Erkenntnis, die durch jene Namen, bei welchen auch die, denen sie nicht unbekannt sind, gewiß nicht alle vollkommen eben dasselbe denken, verhindert wird. Wenn daher der Fabulist keine vernünftigen Individuen auftreiben kann, die sich durch ihre blosen Benennungen in unsere Einbildungskraft schildern, so ist es ihm erlaubt, und er hat Fug und Recht, dergleichen unter den Tieren, oder unter noch geringeren Geschöpfen zu suchen. Man seze in der Fabel von dem Wolfe und dem Lamme anstatt des Wolfes den Nero, anstatt des Lammes den Britannicus, und die Fabel hat auf einmal alles verloren, was sie zu einer Fabel für das ganze menschliche Geschlecht macht. Aber man seze anstatt des Lammes und des Wolfes den Riesen und den Zwerg, und sie verliert schon weniger; denn auch der Riese und der Zwerg sind Individuen, deren Karakter ohne weitere Hinzutuung ziemlich aus der Benennung erhellt! Lessing erzählt als weiteres Beispiel noch die Fabel von dem Priester, der dem armen Manne, unter der Vorspiegelung, die Götter verlangten es, sein einziges Lamm*) wegnahm, und fügt hinzu:„ Und wenn in dieser Verwandlung die Fabel noch weniger verloren hat, so kommt es blos daher, weil man mit dem Worte Priester den Karakter der Habsüchtigkeit beider noch geschwinder verbindet, als den Karakter der Blutdürftigkeit mit dem Worte Riese, und durch den armen Mann des Propheten die Idee der unterdrückten Unschuld noch leichter erregt wird, wie durch den Zwerg." Besser und klarer läßt sich wohl das Wesen der Fabel, welche moralisch belehren soll, nicht definiren, als in diesen Worten, und es wird sich nun später noch darum handeln, zu untersuchen, ob die Fabel überhaupt die Bestimmung der Belehrung hat.
Aus allen diesen Gründen bleibt der Fabeldichter aber nicht dabei stehen, seinen Tieren nur die angeführten, in ihrer Natur begründeten Eigenschaften beizulegen, er geht weiter und verleiht ihnen noch andere menschliche Gaben, läßt sie lachen, weinen, schluchzen, lächeln, sie füssen einander, haben Hände und Füße u. dgl. Daß sie das Vermögen der grüßen und bewillkommnen sich und nehmen dabei den Hut ab. Schließ lich sind es denn auch menschliche Handlungen, die ihnen zugesprochen werden. Auch die Nachahmung der königlichen Herrschaft, zu welcher das hervorragendſte und sich besonders auszeichnende Tier, also entweder das größte, stärkste und kühnste( Löwe) oder das zierlichste und Heinste( Bauntönig, auch die Lerche ist hie und da als Herrin, Königin bezeichnet) erwählt wird, gehört hierher. Am frühesten taucht im Altertum daß in der deutschen Tiersage erst der Bär als König auftritt, ist be reits gesagt worden. Nach Grimm dauerte diese hervorragende StelForscher ist auch der Meinung, daß die Stellung des Löwen etwas fremdartiges für die deutsche Tiersage habe, das sich auch nicht dadurch beseitigen lasse, wenn man annähme, daß der Löwe früher selbst Bewohner unserer Wälder gewesen, später hie und da zur Schau herumgeführt und an den Höfen der Fürsten als Gegenstand des Prunkes gehalten worden sei, wodurch er für diesen Zwed einmal genügend be fannt, andererseits aber gerade vermöge seines Wesens und seiner Stellung im Hintergrunde der menschlichen Phantasie die geeignetste Figur abgegeben habe. Genug, die drei: Fuchs , Wolf und der König ( Sieger, Unterliegender und Richter), sind die Hauptfiguren in der Tierfabel und an diese reihen sich die übrigen mehr oder weniger untergeord
net an.
( Schluß folgt.)
Todschlag und Ehebruch mit Urias' Weibe diesem erzählte. Fabel siche 2. Buch Sa *) Wahrscheinlich ist diese Fabel eine Nachbildung der, welche Nathan wegen Davids
muetis 12. Kap. 1-4.
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Karnevalsfest im Dogenpalast zu Venedig. ( Illustr. Seite 480 und 481.) Das einzig in seiner Art dastehende, großartig schöne Gebäude, der Wohnsiz der alten Dogen der Republik Venedig , widerhallt in seinem Innern von allerhand Scherzspiel der Karneval, dessen grotesk buntes und ausgelassenes Treiben die Straßen durchtobt, wird auch in diesen prunkvollen Räumen in Lust und Liebesrausch begangen. Soeben tritt der Doge, seine schöne Gemahlin am Arm, in den Saai, mit vollen Gläsern begrüßt, seine Begleiterin von vielen bewundert. Die possenreißenden Harlekins begnügen sich jedoch nicht, diese Bewunderung still darzubringen, unter den Klängen des Tambourins versichern sie abwechselnd der Herrin des Hauses ihre ewige Verehrung. Es ist eben Karneval, die Zeit von einigen Tagen, in der der Mensch seine das ganze Jahr unterdrückte Ausgelassenheit und Narrheit öffentlich ungestrast zur Schau tragen kann, und da kann es denn nicht Wunder nehmen, wenn der strenge Herr fröhlich dreinschaut und die schöne Venetianerin an seinem Arm die Huldigungen des fecksten Burschen mit einem verliebten Blicke erwidert. Aber der Maler hat uns von dem Feste in diesen Räumen nur eine Szene vorgeführt, die übrigen Säle sind nicht minder angefüllt von der bunt verkleideten Menge, die sich teils nach den Klängen der Musik auf dem Parket dahin bewegt, teils auch unter der Verkleidung auf galante Abenteuer ausgeht oder sich plaudernd oder das Treiben beobachtend bei Seite hält. Ueberall aber ertönt fröhliches Lachen und zwischen hindurch das Klingen der gefüllten Gläser, all' das Uebel und Weh, das diese Menschen sonst bedrückt, ist der Karnevalsstimmung gewichen oder doch unter der bunten Maske versteckt, und es hat ganz den Anschein, als wären sie dauernd von aller Widerwärtigkeit völlig befreit. So auch in den Straßen, wo das Volk seinen Karneval feiert, nur daß dort noch viel mehr Ausgelassenheit zu finden ist und oft sogar recht derbe, drastisch wirkende Scherze mit alledem getrieben werden, das sonst nur ein Gegenstand der Verehrung sein darf. Aber heute ist selbst unter dem grausamsten Pfaffenregiment vollständige Freiheit und zwar nicht nur des Denkens, sondern des Redens in Wort und Bild kann man sich über gewisse, sonst sehr empfindliche Personen und Tinge lustig machen, ja sie sogar bitter verspotten. Morgen, wenn der Rausch verflogen, stellt sich dann wol bei manchem ein geringer Kazenjammer ein, wenn ihm die prosaische Alltäglichkeit wieder überall entgegentritt und ihm völlig zum Bewußtsein kommt, daß der Hochgenuß der freien Bewegung nichts als ein Traum war. Vielleicht ahnt man heute schon diese unangenehme Erfahrung und ist deshalb umso ausgelassen närrischer.
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Karneval wird abgeleitet von caro vale, d. h. Fleisch, lebe wohl, und man vermutet, daß diese Festlichkeit ihren Ursprung in den altlatinischen Festen, den Saturnalien hätte. Diese nach der Sage von Janus, nach andern Behauptungen 507 v. Chr. zum Gedächtnis des glücklichen, von Freiheit und Gleichheit geschaffenen Zustandes der Menschen unter der Regierung des Göttervater Saturnus eingeführt, dauerten anfangs nur einen Tag im Dezember, wurden jedoch unter Augustus drei Tage lang gefeiert. Unter Tiberius fügte man noch einen vierten und unter Caligula noch einen fünften Tag hinzu. Während man sich an diesen Festtagen dem ungezügelten Vergnügen hingab, ruhten alle Arbeiten und herrschte überall uneingeschränkte Freiheit. Selbst die Sklaven wurden ihrer abhängigen Stellung entkleidet, durften mit ihren Herren an einem Tische ſizen und empfingen auch von jenen Dienstleistungen. Deffentliche Spiele, Gladiatorenkämpfe und Wettrennen im Zirkus wurden an diesen Festtagen abgehalten, desgleichen öffentliche Schmausereien von Wohlhabenden veranstaltet, bei denen sich die Teilnehmer mit Myrtenlaub bekränzten. Das eigentliche Land des Karnevals ist denn auch Italien geblieben, namentlich spielte er im Mittelalter in Venedig eine große Rolle, und während er sonst meist nur an den Tagen statthatte, die dem Aschermittwoch vorangehen, begann er hier schon am 26. Dezember. Maskenaufzüge, Tiergefechte, Feuerwerke und allerlei belustigende Veranstaltungen wurBenedigs wanderte aber auch der Glanz des Karnevals nach Rom
den geboten. Mit dem Niedergang der Größe und Machtstellung
aus, wo er seine höchste Blüte entfaltete und von Goethe in seinem Das Karneval in Rom " nach eigner Anschauung ausgezeichnet beschrieben wurde. Wer sich über das bunte närrische Treiben der Volksmenge in den Straßen, die bunte und oft kostbare Pracht des Korso und dergleichen andere Belustigungen während der 8 Festtage eingehend unterrichten will, der lese die betreffende Abhandlung. Wenn man die
ausgelassene Freude, den sinnlichen Genuß in den bunten Bildern an sich
vorüberziehen sieht, so erscheint es, als wolle man sich allgemein schon von vornherein für die kommende, von der Religion vorgeschriebene nüchterne und klanglose Zeit des Fastens und Betens entschädigen. So kam es denn auch, daß man bei dieser Gelegenheit einen fetten Ochsen, der mit vergoldeten Hörnern und Bandwerk geschmückt war, durch die Straßen zur Schlachtbank führte, wodurch das zeitweilige Aufhören des Fleischessens simbolisch angedeutet wurde.
Ein dem italienischen Karneval ähnliches Fest bildete sich in Deutsch land seit dem Mittelalter im Fasching aus; von der Reformation und dem dreißigjährigen Kriege fast verdrängt, wurde es zu Anfang dieses Jahrhunderts aber durch die Franzosen wieder eingeführt und fand auch in den rheinischen Städten Aufnahme, wo es sich namentlich in Köln und Mainz noch am besten erhalten hat. Die Fastnacht und die Masfenbälle mit ihrem Mummenschanz in Deutschland sind wohl dem allgemeinen Hange zu diesem närrischen Treiben entsprungen und gewähren