Sie war jung und er noch einmal so alt als sie, er zog sie nicht an sich heran, sie befand sich neben ihm wie an der Seite eines stockfremden Menschen, von seinem gelehrten Denken ver stand sie nichts, von Vergnügen war er kein Freund, er war ein einsamer Mensch, das hatte sie von ihm abwendig gemacht, ihre Jugend, die so Bitteres schon erfahren, ehe sie die Seine wurde, fühlte den Schauer der Dede um sich.

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Nur in der Liebe zu ihrem Kinde konnte er, was er ge­fehlt, wieder gut machen, und er tat es nach besten Kräften. Er hatte nicht unrecht, wenn er Gretchen seinen Hausengel nannte. Sie war ein heiteres liebenswürdiges Kind, und der Umgang mit ihr schloß ihm das verdüsterte Herz immer weiter auf, er wurde für manches empfänglich, was ihn früher ganz kalt ge­lassen.

Hildesheim   hatte nicht zu Hannover   gehört und deshalb war

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es frei von den staatlichen Wirrnissen geblieben, die so viele jahre­lang über dies Land Unsegen zuwege brachten. Die englische Regierung hatte schon lange nach dem Fürstentume Hildesheim  gestrebt, erst der wiener Kongreß  ( 1814) erfüllte diesen Wunsch des stolzen, habsüchtigen Englands und schlug diesen Zuwachs zu dem vom Kurfürstentum zum Königreich erhobenen Hannover  . Die Bevölkerung Hildesheims geriet darüber in keinen Glückselig­feitsrausch. Man kannte die Begehrlichkeit der englischen Krone aus den Beispielen im nachbarlich Hannoverschen Lande, und es war nur folgerecht, daß die Hildesheimer   als nunmehrige Hanno­veraner dasselbe fürchteten. An wenig Gutem reich, aber über­reich an Verkehrtheiten bietet Hannovers   Geschichte eine Samm­lung erheiternder Schilderungen, die ihren Eindruck sicher nie verfehlen. ( Fortsezung folgt.)

Der Unfug der Deposition und des Pennalismus auf den deutschen Universitäten. Ein Sittenbild aus dem 17. Jahrhundert, von A. M.

Während aber auf allen älteren europäischen   Universitäten ( Bologna  , Salerno, Paris 2c. 2c.) eine Gleichheit in den Rechten aller der Nation Angehörigen bestand, herrschte in den Lands­mannschaften des 16. und 17. Jahrhunders eine Rangordnung, welche den älteren Studenten eine gewisse Herrschaft über die jüngeren einräumte. Dieses Verhältnis der Aelteren zu den Jüngeren, sagt Keil in der Geschichte des jenaischen Studenten­lebens, hatte dadurch mißbräuchlich sich gebildet, daß die neu­ankommenden Studenten, welche nach den bestehenden Gesezen ihre Aufseher haben sollten, in Ermangelung hierzu geeigneter graduirter( mit einer akademischen Würde versehener) Personen ältere Kommilitonen sich zu solchen erwählten, oder auch diese von Universitätswegen zugeteilt erhielten. Statt aber den ihnen ob­liegenden Inspektur und Lehrerpflichten nachzukommen, fingen die älteren Studenten gar bald an, sich als die unbeschränkten Herren, die ihnen empfohlenen jüngeren Kommilitonen als ihre Bedienten und Untergebenen zu betrachten und hiernach die lezteren zu behandeln.

Daß schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts dieser Uebel­stand zu Tage getreten sein mag, läßt sich aus einer Verord­nung der Universität Rostock   vom Jahre 1619 schließen, und in einem jenaischen Programm vom Jahre 1661 heißt es: als bor nunmehr 50 und mehr Jahren dieses schädliche Gift( des Pennalismus) von benachbarten Orten hierher gebracht worden 2c."

Man belegte die Neulinge mit den verschiedensten Namen: Quasimodogeniti, Neovisti, Rapschnäbel, Haushähne, Mutter­fälber und Säuglinge, Innocentes( Unschuldige), Half- Papen, Beani, Bachanten, Spulwürmer, Pech, Feix, Delberger, vor­nemlich aber Pennäle, von welchem Spottnamen die ganze Ein­richtung mit dem Namen Pennalismus bezeichnet ward. Ueber die Entstehung des Namens Pennal, schreibt Schöttger in seiner Historie des Pennalwesens:" Der gelehrte Rivinus meint, es wäre dasselbe pönalizein, einen sehr plagen. Allein diese Her­leitung ist allzugelehrt und hat weiter nichts für sich, als die Gleichheit des Wortes. Die andere Meinung ist derjenigen, welche den Namen von dem Pennal oder Federbüchse herführen. Denn es hielten die Studenten vordem und noch heutigen Tages den Gebrauch, daß sie Feder und Tinte bei sich trugen und ihrer Professoren Worte fleißig nachschrieben, und wurden des­wegen mit diesem Namen betitult. Es war also dieses anfäng­lich kein Schimpf- sondern ein Ehrentitul, dessen sich niemand zu schämen hatte, weil die Feder einem Studenten ebenso nötig, als einem Soldaten sein Gewehr. Es sind nachgehends etliche junge Herren auf Universitäten gekommen, welche aus dem Stu­diren nicht viel gemacht, sondern nur Pflaster treten gegangen und die anderen, welche so nicht mit gemacht verächtlich gehalten und also dem an sich guten Namen eine schimpfliche Bedeutung

( 1. Fortsezung.)

gegeben haben. Es bekräftiget dieselbe auch ein damals berühmter Jurist, Abdias Jonas von Kocher, der den Vers gemacht hat: A penna pennale trahunt ignobile nomen.

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( Von der Feder leidet man den Schimpfnamen Pennal ab.) Wie im Altertum die Studenten zu Athen  ( und wie wohl heute auf den Universitäten noch üblich) auf Neuankommende fahndeten, gerade so machten es die älteren Studenten in Bezug auf die Ankommenden damals: Sobald man merkte," sagt Schöttgen a. a. D., daß ein neuer Pennal von der Schule, oder von einer fremden Universität, aus Frankreich  , Holland  , Dänemark   u. s. w., wo dergleichen nicht war, ankam, reiseten ihm die alten Bengel entgegen und empfingen ihn mit vielen Höhnereien; das erste war ein Acceßschmaus, da der Pennal eingeweiht ward." und weiter erzählt Magister Georg Schröder in seiner Friedens­Posaune":" Wenn junge Leute auf Akademien kommen, kaum, daß sie einen Fuß ins Thor, oder Haus, oder Stadt geſetzet, so sind diese National- Brüder vorhanden. Wollen jene zum Magnifico und sich verpflichten, in billigen Sachen ihm zu ge­horsamen, so sagen sie:" Was Magnificus( Rektor)? Du hast feinen freundlichen Mann an ihm, er wird dein nicht achten. Wir wollen Dir rathen, wie Du Deine Sachen sollt ausstelle, daß Du uns Dein Leben lang sollt danken; folge unserem Rathe mit gute, dem Du sonst mit Unmuthe mußt folgen; begieb Dich in die Nation, es gehet ein Jahr bald hin;" da sie doch hernach mit ihnen so umspringen, daß sie ihr Leben lang ihnen mögen fluchen. Hierzu brauchen sie sowohl List, als Gewalt."

Von dem Augenblicke des Eintritts in die Nation beginnt nun für den Neuling auf 1 Jahr 6 Wochen, 6 Tage 6 Stunden und 6 Minuten( so lange dauerte die Pennalzeit) ein Leben der traurigsten Art; er unterwirst sich einer Behandlung, die alle Menschenwürde mit Füßen tritt, ihn zum Tiere erniedrigt, seine Gesundheit schädigt, seine Sittlichkeit vernichtet. Sein Geld, seine Bücher, seine von zuhause mitgebrachten guten Kleider mußte er den Schoristen ausliefern und erhielt dafür elende Lumpen, statt des Mantels einen elenden Fezen, den er am Arme tragen mußte, statt der Schuhe garstige Pantoffeln und einen alten durchlöcherten Hut. Wehe dem armen Bennale, der nicht willig den lezten Heller des von seinen Eltern oft sauer verdienten Geldes hergab! Das wurde von den Schoristen in Schmausereien verpraßt, zu denen die Pennäle aufwarten mußten. Einer jenaer Verordnung vom 11. März 1638 gegen dieses Unwesen, ent­nehmen wir folgendes:" In ihren Wohnungen werden sie( die Bennäle) aufgesucht, bei den Schmausereien zu erscheinen werden sie befehligt, bei denen auf das ärgste gepraßt, gezecht, gelärmt und getobt wird. Dabei hat man die armen Jünglinge, auf deren Kosten gezecht wird, zum Besten, sie erhalten nicht nur