daß an manchen Tagen hier 200 000, während der wenigen Meßwochen aber 1 mill. Menschen verkehren. Der jährliche Durchschnittswert der zu kaufenden und verkauften Waren beträgt 200 millionen Rubel, davon fallen ca. 80 millionen auf Rohstoffe. 1878 betrug der Wert des auf der Messe befindlichen Teelagers allein 3 millionen Rubel; außerdem wurden die zugleich gemachten Abschlüsse nach Mustern in dieser Branche auf 10 millionen Rubel geschäzt. An getrockneten Fischen, Kaviar und Fischtran wird eine Quantität gleichfalls von 3 millionen Rubel Wert vorhanden sein. Der große steinerne Bazar besteht aus 60 fast gleichen Gebäuden mit 2500 Läden und einem Palast für den Gouverneur, der hier während der Messe seinen Wohnsiz nimmt. Diese riesigen Räumlichkeiten reichten jedoch bald nicht mehr aus, und so reihten sich denn eine große Anzahl Gebäude an, die Läden, Magazine, Restaurants und dergleichen enthielten, für den Marktverkehr direkt bestimmte Lokalitäten, denen sich Bäder, Teater, Spitäler, Belustigungsorte aller Art, Kirchen, ein Moschee u. s. w. zugesellten. Welch lautes Leben zur Meßzeit hier herrscht, ersieht man bereits aus dem bunten Gemisch der verschiedensten Stilarten der auf unserem Bilde hervorragenden Gebäude. Neben den sich hie und da geltend machenden Formen der Antike stehen wunderliche chinesische architektonische Gebilde, byzantinische Kioske zusammengewürfelt wie die tausende von Menschen, die von allen Enden des russischen Reiches herbeikommen und in deren mannigfachem Sprachengewirr sich kaum ein Sterblicher voll und ganz zurecht finden kann. Daß die bei solchen großen Märkten natürlich nicht fehlenden Vergnügungen in nicht minder großer Zahl und Mannigfaltigkeit zu haben sind, leuchtet Der Hauptunterschied zwischen der leipziger Messe und der zu Nischni- Nowgorod ist wohl der, daß an lezterer sich nur vorwiegend die Völker des russischen Reichs beteiligen, während an der leipziger alle Völker, die nur irgend für den Weltmarkt produziren oder Bedarf an fremden Waren haben, teilnehmen, wodurch diese einen internationalen Karakter und Ruf besizt. Heute freilich ist sie lange nicht mehr von der Bedeutung wie früher, da noch nicht das Dampfroß und der elek= trische Funke den geschäftlichen Verkehr vermittelten. In unserer Zeit, wo alle neuen und neuesten Muster auf den Ausstellungen zu sehen sind, wo neue Moden durch eine große Zahl von Journalen allen zugänglich gemacht werden, wo der Commis voyageur mit seinem Musterfoffer von Haus zu Haus, von Land zu Land mit fast beneidenswerter Schnelligkeit dahineilt, da muß natürlich die Messe, welche einst großartige Schaustellung und Gelegenheit zum Kaufen und Verkaufen zugleich war, diese ihre Bedeutung verlieren. Wesentlich sind es heute die Ausstellungen, seien sie nun Welt-, Landes- oder Provinzialausstellungen, welche uns die Fortschritte von Kunst und Industrie zeigen und zum Kaufen einladen; die Vermittlung dieses Geschäfts selbst besorgen unsere Kommunikationsmittel, welche uns eine lange und langweilige Reise nach einem großen Weltjahrmarkt ersparen. Haben wir doch zu lezterem Unternehmen auch heute sowieso keine Zeit. Wenn einst die weiten russischen Gefilde von Eisenschienen durchzogen sind, und wenn mit diesen ein höherer Kulturzustand eingekehrt ist, dann wird es der Messe zu Nischni - Newgorod genau so ergehen wie der unfrigen. Vorläufig hat es dazu wohl aber noch lange Zeit.
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Rebhühner. Von allen den geflügelten Bewohnern unserer Felder gehört die muntere Gesellschaft, welche unsere Illustration auf Seite 395 vergegenwärtigt, unstreitig mit zu unseren Lieblingen. Und sind es auch für die meisten Menschen nicht die diesem Vogel eigentümlichen anziehenden Eigenschaften, die das Interesse für ihn erwecken, so doch mindestens Jagdliebhaberei oder das Verlangen nach dem guten Braten, den diese Tiere ihren menschlichen Verfolgern bieten. Die Kenntnis der Färbung des Gefieders des Rebhuhns dürfen wir wohl bei unseren Lesern voraussezen; wir begnügen uns daher bezüglich seines Aeußeren zu bemerken, daß des Rebhuhns Länge 12 Zoll, seine Breite, die je 6 Zoll langen Flügel inbegriffen, 20 Zoll, die Länge des Schwanzes 3 Zoll beträgt. Das kleinere Weibchen ist, unbedeutende Abweichungen abgerechnet, dem Männchen gleich. Ihr Vaterland ist Mitteleuropa und ein Teil Mittelasiens. Im Süden sind diese Vögel nur hie und da anzutreffen, im Norden hat man sie erst eingeführt. Vor allem leben sie in Deutschland , Dänemark , Großbritannien , Holland , Belgien , Nordfrankreich, Ungarn , in der Türkei und einem Teile Griechenlands , Norditalien , ebenso in Asturien , Hochkatalonien, einigen Gegenden von Aragonien ; häufig sind sie in der Mitte von Südrußland, in der Krim und Kleinasien . Sie geben den Ebenen vor den Gebirgen den Vorzug, sind aber in der niederen Schweiz in den Bergen auch 3000 Fuß über dem Meer anzutreffen. Zum Aufenthalt beansprucht das Rebhuhn angebaute und abwechslungsreiche Gegenden und siedelt sich, wie bei uns, auch im Felde an. Zu seiner Sicherheit gebraucht es nur Buschdickicht und ist deshalb auch da am meisten zu treffen, wo es hie und da Wäldchen oder von Buschwerk bewachsene Hügel gibt. Größere Waldungen meidet es sonst und hält sich nur am Rande derselben auf. Es verschmäht aber auch den Aufenthalt an nassen und sumpfigen Orten nicht,
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wenn nur das gewünschte Buschwerk in der Nähe ist und einige Inselchen aus dem Wasser oder Sumpf hervorragen. Sobald der Schnee zu schmelzen beginnt, lösen sich die Scharen, in denen die Rebhühner den Winter über gelebt haben, auf, und die einzelnen Pare ziehen sich zu ehelicher Gemeinschaft zurück. Kommt noch hie und da Kälte, so sammeln sie sich wohl wieder in größerer Anzahl an, gehen aber pariveis wieder auseinander. Bei der Bewerbung der Männchen um die Weibchen geht es ohne Streit und Kampf unter den ersteren nicht ab, und der Sieger kehrt dann freudig zu dem geliebten Huhu zurück. Man behauptet sogar, daß die einmal geschlossene Ehe unauflöslich sei, doch ist dies nicht ganz sicher. Ende April oder Anfang Mai fängt die Henne an Eier zu legen. Das Nest ist eine einfache Bertiefung im Boden mit weichen Halmen gefüttert und mitunter auch von Buschwerk beschützt. Meist wird es auch in frühaufschießendem Getreide, Weizen, Erbsen, Rübsen, Klee , auch in hohem Grase auf der Wiese u. s. w. angelegt. Die 9-17 Eier, welche ein Rebhuhn legt, sind birnförmig, haben glatte Schale, glänzen wenig und sind blaßgrünlich und braungrau gefärbt. Tie Henne brütet ungefähr 3 Wochen und zwar sehr anhaltend und verläßt dabei das Nest nur im äußersten Notfalle. Das Männchen ist dabei immer in der Nähe, warnt, wenn sich Gefahr zeigt, und gibt sich derselben lieber preis, als daß es dem nahenden Feinde gestattet, sein Weibchen anzugreifen. Wird es getödet, so steht auch der Henne meist der Untergang bevor. Allerliebst sind die Jungen. Sie bewegen sich schon vom ersten Tage ihres Daseins an mit vielem Geschick, verlassen oft schon das Nest noch ganz naß und mit den ihnen anklebenden Eierschalen. Die Eltern nehmen sich jedoch ihrer mit vieler Liebe an und unterrichten sie in den Künsten des Futtersuchens und des Sichschüzens vor den Feinden, worin sie es erstaunlich weit bringen. In der Jugend leben sie fast nur von Kerbtieren, später jedoch viel und oft ausschließ= lich von Pflanzenstoffen. Bis zur Ernte halten sie sich auf in Getreidefeldern, später in Kartoffel- und Krautäckern, im Spätherbst in den Stoppeln und auf Sturzäckern, sie besuchen die angrenzenden Wiesen und machen Jagd auf Heuschrecken, und durchforschen das Gehölz, um Ameisenpuppen als Nahrung zu finden. Ihre Nachtruhe halten sie immer auf freiem Felde. Mit dem Winter beginnt jedoch ihre traurige Zeit und zwar weniger wegen Kälte als wegen des Schnees, der ihnen das Nahrungsuchen gänzlich unmöglich macht, wenn die weiße Decke so fest gefroren ist, daß die armen Tierchen nicht imstande sind, sie zu durchscharren. Außer dem Winter haben aber diese anmutigen Vögel noch viele Feinde, und man hat mit Recht dafür plädirt, ihnen Schuz zu gewähren durch Anlagen von Buschwerk im freien Felde, in das sie sich flüchten können; sowie durch Fütterung im Winter. Man sagt ihnen nach, sie seien klug, vorsichtig, scheu, gesellig, friedliebend, treu, aufopferungsfähig und sehr zärtlich gegen Gatten und Kinder. So zeigen sie sich denn auch gezähmt, und ihr Betragen in menschlicher Gefangenschaft allein rechtfertigt den oben verlangten Schuz. Man erzählt, wie einzelne gezähmte Exemplare nicht nur im Zimmer zu bleiben ver= schmähten, wenn alle menschlichen Bewohner fortgingen, sondern wie sie in's Freie nachgeholt keineswegs davonflogen. Ein Hahn, der besonders einem Knaben zugetan war, war untröstlich, wenn dieser von ihm ging und freute sich unbändig, sobald er den Tritt des Zurückkehrenden vernahm. Und als einst sein Liebling weinte, kam er spornstreichs herzugelaufen, sezte sich auf dessen Achsel, schaute ihn mit seinen nußbraunen Augen an und gab sich unter Zurufen augenscheinlich große Mühe, ihn zu beruhigen. Aehnliche Fälle werden mehrere von zuverlässigen Forschern berichtet; sie liefern einen schönen Beweis für das hochentwickelte Seelenleben vieler Tierarten.
Redaktions Korrespondenz.
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Nürnberg . E. W. Sie scheinen zum Kritiker im Sinne unsrer Zeit wirklich geboren zu sein, d. h. zum Kritiker, wie sie eben gegenwärtig zu sein pflegen. Sie fritisiren lustig ins Blaue hincin, ob Sie Grund dazu haben oder nicht, ob recht oder unrecht. 8. B. will es Ihnen nicht gefallen, daß wie auf S. 243 dieses Jahrganges der N. W. ein am Nervenfieber tranter Knabe seine Schwester fest umschlungen hält. Warum nicht, bester Herr? Ferner verlangen Sie, daß in der N. W. fühlen immer ohne h, also fülen, geschrieben werde, weil das nach neu preußischer Metode hier ebenso gehalten werden müsse, wie bei wälen, zälen, stelen" u. s. iv. Die offizielle nene jogenannte Ortographie denkt aber garnicht daran, felen, wälen, zälen, stelen u. s. w. zu schreiben, sondern schreibt im Gegenteil, wie Sie z. B. in Dudens ortographischem Wörterbuch für die Schule" sehen tönnen, ganz gemütlich alle diese Zeitwörter mit dem alten h. Wäre es nicht flug, wenn derjenige, welcher sich für berufen hält, andere in hochfahrendem Tone zu belehren, sich über die Grenzen seiner eigenen Irrtümer einige Klarheit zu schaffen suchte?
Braunschweig . J. 2. Bezüglich des Pierer'schen Konversationslexikons von 1867 hat Jhr Buchhändler entschieden recht, es ist völlig veraltet. Die neueste Auflage des kleinen Meyer'schen Lerikons würde sich Ihnen dagegen recht nützlich erweisen, indessen werden Sie es so teuer nicht zu bezahlen brauchen, da Sie es bei den Antiquaren in Braunschweig jedenfalls in wohlerhaltenen Exemplaren zu wesentlich herabgeseztem Preise erhalten tönnen.
Hamburg . Frau E. D. Es freut uns, Ihnen mitteilen zu können, daß sie bis jezt die erste und einzige Löserin dieses einen unsrer drei Preisrätsel sind. Sie werden doch nun wol auch den beiden andern tapfer und scharfsinnig wie jenen zu Leibe gehen?
Dresden . W. P. Wir sollen die Liebe aus den Romanen weglassen?" Mit Vergnügen, wenn Sie dafür sorgen, daß die Liebe aufhört, alles Lebens A und O zu sein.
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Der Unfug der Deposition und des Pennalismus ( Forts.) Eine Säfular Erinnerung an Schiller . Die Messe zu Nischni- Nowgorod.( Mit
Inhalt: Verschlungene Lebenswege. Roman von Franz Carion.( Forts.) auf den deutschen Universitäten. Ein Sittenbild aus dem 17. Jahrhundert. Von A. M. Von Dr. A. Jsrael.( Forts.) Im Kampf wider alle. Roman von Ferdinand Stiller.( Forts.) Illustr.) Rebhühner.( Mit Illustr.) Redaktionskorrespondenz.
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