möglich machen, daß sie in zahlreiche Hände kommt." Diese Bemerkung des vierten, der noch gar nicht gesprochen, fand allgemeine Zustimmung.

,, Sie muß dann ein Ereignis behandeln, das den Patrio tismus des Volkes wach schüttelt," sagte Doktor Philipp.

Dasselbe ist meine Ansicht," meinte voriger. Vielleicht Vielleicht habe ich das rechte getroffen. Habt Ihr Lust über mein Ge­schreibsel zu Gericht zu ſizen, so will ich's euch vorlesen." Versteht sich," stimmten die anderen bei.

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Ein zusammengerolltes Papier aus der Rocktasche ziehend, begann der Aufgeforderte, nachdem er es so gut wie möglich geglättet, dessen Inhalt abzulesen.

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Welcher Grundübelstand eine dreifache Regierung für ein Land sein könne, hat unser Kurfürstentum zur vollen Genüge erfahren, als Napoleon ( I.), welcher schon seit einem Jahre ge­droht hatte, in unser Hannoversches Land einzufallen, seinem Marschall Mortier mit 15 000 Mann am 26. Mai 1803 über Bentheim in Hannover einzurücken befahl, nachdem England ihm 8 Tage vorher, also am 18. Mai, den Krieg erklärt hatte. In London glaubte man vielleicht, die Franzosen würden sich geniren, das ihnen so nahe zur Hand gelegene Hannover , dessen Regent, sein Gegner, der König von England war, sofort zu besezen... diese Selbsttäuschung überstieg alle Begriffe, das hannöversche Volk ward also das Opfer einer sinnlosen Re­gierung. Es ist unglaublich, in welcher Verblendung die drei regierenden Gewalten, Hof, Adel und höhere Beamte, sich be­fanden! Diese ganze vornehme Gesellschaft war unübertrefflich steifleinen.

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Als schon die Franzosen zum Einmarsch bereit sich an der Grenze sammelten, hielt sich die Seele des in Hannover re­gierenden Geheimkabinets, der Geheime Kabinetsrat Rudloff, nicht für veranlaßt, Bürger und Bauern von der drohenden Gefahr in Kenntnis zu sezen. Ob man sich auf die auf's beste ausgerüstete Armee von 20 000 Mann unter Feldmarschall Graf Johann Ludwig Wallmoden- Gimborn verließ? Eher ist anzunehmen, daß man gar keinen vernünftigen Plan im Kopfe hatte, denn sonst wäre folgender offizielle Aufruf an Wallmoden's Armeekorps eine vollständige Unmöglichkeit gewesen. In diesem Aufrufe fand sich die sonderbare Weisung:

Alles zu vermeiden, was ombrage( Verdacht) oder Aufsehen erregen könnte, ja nicht zu feuern, und nur im äußersten Not­falle das Bajonet, jedoch mit moderation zu gebrauchen. Eben so lächerlich in des Wortes weitester Bedeutung war der offizielle Befehl an das Volk bei Strafe sich zu waffnen."

Napoleon verfehlte nicht, diese sonderbare Art, dem han növerschen Volke die höchste Tugend, den Patriotismus, anzu­befehlen, mit verdientem Spotte zu geißeln. Der Moniteur, das gelesenste Blatt in Frankreich , brachte die Schande der Hannoveraner mit dem Beisaze in die Deffentlichkeit, daß unsere Generale und die englischen Prinzen, Cambridge und Cumber land, davon gelaufen seien. Es war eine Zeit der tiefsten Schmach, die das hannoversche Volk mit dem Kainszeichen der Feigheit brandmarkte.

Und immer größer wuchs diese Schmach, sie überwuchs jede Hoffnung des biedern Volkes, mit seinem Blut und Leben sich loszuringen aus der tiefen Erniedrigung, in die es gestoßen worden auf so unverantwortliche Weise, denn schon am 3. Juni, acht Tage nach dem Einmarsche der Franzosen , wurde die be­rüchtigte Konvention von Suhlingen abgeschlossen, der zufolge die hannoversche Armee Pferde und Waffen und alles abliefern mußte, was sie besaß. Nicht darin lag der Schimpf allein, sondern in dem Gebahren der dies Ablieferungsgeschäft besorgen den Abgeordneten der Stände, die den armen um ihre Krieger­chre gebrachten Soldaten drohten, ihnen den Lebensunterhalt zu entziehen, wenn sie sich nicht gehorsam in die über sie verhängte Schande fügen würden."

" Pfui! Pfui!" rief einer der Herren.

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und den edeln Rossen des königlichen Marstalls... fiel dem State Frankreich ein deutsches Land zu, das jährlich an fünf millionen Taler einbrachte. Der zwei Jahre lang dauernde Be­such der Franzosen kostete dem Hannoveranerlande an siebenund­zwanzig millionen Taler... alles das war ohne Schlacht und mit Verlust aller Ehre verloren gegangen. Der Verlust der ungeheuren Summen hätte sich im Verlaufe der Zeit vergessen lassen, die Schmach aber, welche das brave Volk von Hannover durch seinen König und dessen untertänigen Ständen erlitt, bleibt unvergeßlich für alle Zeit."

Eine lange Pause folgte.

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Das ist ein Schluß, der wie ein Blizstrahl in viele Herzen einschlagen wird!" rief Doktor Philipp.

,, Und wißt Jhr, lieben Freunde, warum ich diese Schilderung als Schluß unseres Heftchens wählte?" fragte der Vorleser. Einfach deswegen, weil es unter unserem Volke eine Unmasse Schwachföpfe gibt, welche felsenfest an die königliche Großmut glauben. Georg I. , Hannovers lezter persönlich regierender Kurfürst, nahm, als er 1714 den englischen Tron als König bestieg, den hannöverschen Kronschaz, meist in Juwelen bestehend, mit nach London . Seitdem sind über hundert Jahre vergangen; aber... sie blieben jenseits des Kanals. Derselbe Fall wieder­holte sich, als die Franzosen im Jahre 1803 das Hannoveraner­land besezten. Kurz vor ihrem Einmarsch befahl man von Lon­ don aus, sämmtliches Kroneigentum des Kurfürstentums nach England einzuschiffen England einzuschiffen... es geschah. Mehr als ein fünftel Jahre eines Jahrhunderts sind seitdem vergangen, aber von einer Zurückerstattung des aus dem Lande entführten Kroneigentums ist noch keine Rede gewesen. Es läßt sich kein Vers darauf machen."

Nachdem die vier Männer noch das nötige über Drucklegung und Verbreitung der zwanglosen kleinen Hefte mit einander be­sprochen hatten, begleitete Doktor Philipp sie zum Gartentor, wo sie Abschied von ihm nahmen. Er begab sich dann auf die Terrasse, von wo er die Veränderungen besichtigte, die er in dem Garten angeordnet hatte. Garten angeordnet hatte. Ein bedeutendes Rasenstück war zu einem Spielplaz für Kinder umgewandelt worden. Sich an die Säule lehnend, welche das umfangreiche Pilzdach auf ihrer Spize trug, überschaute er diesen. Wie ernst auch des Mannes hageres, fast fummervoll aussehendes Gesicht war, bei diesem Anblicke wurden seine gespannten Züge allmählich weiter, ihr Ausdruck sanfter, wenn auch nicht heiter. sanfter, wenn auch nicht heiter. Auf dem Spielplaz tummelte sich eine Gesellschaft junger Mädchen im Alter von acht, neun Jahren in mancherlei Spielen, wie Schaufeln, Ringwerfen, Ball­spielen, unter Absingung fröhlicher Kinderlieder Arm in Arm gehangen, im Kreise umherziehen und andere.

" Wie glücklich sind diese Kinder!" sprach er nach ziemlich langem Zuschauen vor sich hin. Mein herziges Gretchen hat noch keine Ahnung, daß es etwas gibt, um das es recht von Herzen traurig werden könnte... möchte es doch nie davon erfahren! nie! Und doch wird dies Leid ebenfalls an das gute Kind herantreten... ich kann es nicht vor dieser schlimmen Er­fahrung schüzen fahrung schüzen... ich kann es nicht!"

Der Doktor versant bei diesem ihm schweren Kummer ver­ursachenden Gedanken in trübe Stimmung, aus der er sich nicht eher losreißen konnte, als bis seine schlaff herabhängende Hand von einem par Kinderhändchen ergriffen und von heißen Lippen berührt wurde. ,, Du bist es, mein Goldgretchen?" fragte er niederblickend. Ich hätte es wohl denken können, daß du es seiest, liebes Kind. So wie du liebt mich ja niemand... du bist mein kleiner Hausengel."

Das sagst du immer, Väterchen, aber du bist gar nicht fröhlich dabei," redete die zierliche Kleine. Unser Herr Kantor hat uns erzählt, daß, wem ein Engel erschiene, der allemal recht fröhlich sein könne. Warum bist du es denn nicht, wenn ich dir als Hausengel erscheine?"

,, Kind, ich bin auch fröhlich, gewiß recht sehr; aber ich muß gar zu viel denken... die Apoteke, das Laboratorium und alles Die Beute Napoleons war groß," las der Verfasser dieser andere, was dazu gehört... das macht mich ernst und dabei Schilderung weiter. Außer 500 Kanonen, 40 000 Gewehren, vergeht's Lachen. Wenn du zum Beispiel deine Schulaufgaben Patronen und Pulver in Massen, 4000 Kavalleriepferden... zu machen hast, kannst du dabei lachen?"