gelassen hatte. Sie sah sehr ernst und nachdenklich auf die von blendendem weißen Glanze überflossene Fläche der so still wie schlafend erscheinenden See.
Es befanden sich auf Deck nur eine kleine Anzahl Passagiere, die sich den Anblick dieses reizenden Seelichtbildes nicht entgehen lassen wollten... vielleicht lag die gleiche Anzahl schlafend in ihren Kojen... und deshalb ging es ziemlich still her.
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Wo sind wir jezt, Herr?" fragte die junge in einen dunkeln Mantel eingehüllte Frau einen Herrn, der an ihr vorüber spazieren ging.
„ Vor Margate , Miß," lautete die Antwort. Die eng lischen Kreidefelsen machen uns ihr Kompliment, sie haben ihr bestes Feierkleid an. Ein Endchen weiter und wir fahren in die Themse ein."
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So nahe schon London ?" fragte jene.
„ Ei nun, Miß,' s ist immer noch eine hübsche Strecke, wo man links und rechts manches zu sehen bekommt; aber interessant ist die Fahrt... Sie werden mir beistimmen, wenn wir sie durchmachen."
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„ Sie haben sie durchgemacht sicher mehrmals?"
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„ So ist es, Miß," antwortete der Gefragte. Ich gestehe Ihnen, daß meine jezige Fahrt auch zugleich meine angenehmste ist. Als ich zum erstenmale hier an Margate vorüberfuhr, hielt ich mich überzeugt, daß ich London nicht sehen würde."
„ Warum, mein Herr?" fragte die junge Frau.„ Hatten Sie Unglück... fielen Sie über Bord?"
„ Das nicht, Miß... nein. Bei stürmischem Wetter steht es mit der Begrüßung der englischen Kreidefelsen gewöhnlich übel. Die wenigsten Reisenden sind imstande, nach einer so unruhigen stürmischen Nacht, wie ich mit meinen Mitpassagieren sie damals überstand, sich am Morgen mit Behaglichkeit auf das Verdeck zu begeben. Elend, frank wagt man es nicht, sein Lager zu verlassen, man hat keinen andern Sinn, als die aufgeregte Halbmenschlichkeit in uns wieder in Ruhe zur Gesammtheit zu sammeln. Die Seekrankheit ist ein ganz abscheuliches Uebel, des gestörten Selbstbewußtseins ist man kaum zur Hälfte mächtig. ( Fortsezung folgt.)
Der Unfug der Deposition und des Pennalismus auf den deutschen Universitäten.
Ein Sittenbild aus dem 17. Jahrhundert, von A. M.
Daß in Zeiten, wo Tausende der Kriegsfuric erlagen, das einzelne Menschenleben wenig galt, ist natürlich, und so sehen wir denn auf allen Universitäten Mord und Todtschlag im Gange, sowohl der Studirenden unter sich, als auch zwischen Studenten und Nichtstudenten. Ermordete doch sogar am 22. Jan. 1631 ein Rostocker Student Jakob Varmeyer den Kommandanten der kaiserlichen Besazung, den Obersten Heinrich Ludwig von Hatzfeld.-
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Wie weit an solchen Mord- und ähnlichen Gewalttaten der Unfug der Pennäle schuld war, zeigen vielfache zeitgenössische Berichte. Wie das Beispiel wirkte, das sie täglich vor Augen hatten, zählt ein Programm der Universität Gießen auf:„ Daß die jungen Studiosi, als welche es von den Alten gesehen und gelernet, sich einander mit solchen häßlichen, unzüchtigen und leichtfertigen Beschimpffungen, exagitationibus, Schlägen und barbarischen, mehr als heydnischen, ganz teuffelischen Gebahrungen und Ueppigkeiten veriren und beschweren."... Und irgend einen Ersatz, eine Entschädigung für die Verläugnung seines ganzen Selbst mußte der Pennal haben, die eben, traurig genug, darin bestand, nicht nur seine Mitpennäle, sondern auch andere Leute zu veriren und zu verhöhnen. Vornehmlich aber und und dies möge man wohl beachten, weil es das größte Hindernis für die Beseitigung des Pennalismus abgab hielt den Pennal die Aussicht und Gewißheit aufrecht bei Duldung der entwür digenden Behandlung, daß er nach überstandener Pennalzeit Jüngere ebenso wieder plagen könne, als ihm geschehen. Von ihren Beinigern wurden die Pennäle förmlich zu allen Böswilligkeiten angehalten: In der Kirche störten sie die Besucher durch allerhand Narrenspossen, den Frauenzimmern stellten sie beim Hinausgehen ein Bein, füßten sie auf offener Straße und führten die unflätigsten Reden; den Bauern stahlen sie das, was diese zu Markte brachten, drangen den Bürgern, die sie " Bechen" nannten, in die Häuser, um dort Unfug zu treiben, zogen in die Vorstädte und auf die umliegenden Dörfer, um dort die leichtfertigsten Händel anzufangen, und machten sich überall so unnüß als sie nur konnten. Der schon erwähnte Magister Wolfg. Heider nennt einen solchen„ Studentenjungen" jener Zeit„ einen Buben, von dem du mit gutem Grunde der Wahrheit sagen kannst, der Teuffel habe ihn in der Hellen gehecket und nach seinem Ebenbilde erzogen, nemlich einen unfletigen, fluchenden, diebischen, schmähhafftigen, unruhigen Jungen."
Hatten sie nun endlich ihre Pennalzeit überstanden, so crhielten sie die Absolution, d. h. sie wurden zu wirklichen Studenten gemacht. Dies geschah in feierlicher Versammlung der Nation( des National Collegiums) durch den Senior derselben,
( Schluß.)
vor dem sie kniend im Namen der heil. Dreifaltigkeit losgesprochen wurden, nachdem sie gelobt hatten, den Neulingen gerade so mitzuspielen, wie ihnen mitgespielt worden. Sie empfingen sodann die Erlaubnis, den Degen zu tragen und sich mit Federn, Schärpe und andern modischen Zierraten zu schmücken.
Daß unter solchen Verhältnissen trozdem die Universitätszeit damals 4-5 Jahre dauerte, an ein wirkliches Studiren kaum gedacht werden kann, leuchtet ein. Die Fürsten, sowie die akademischen Behörden erkannten auch ganz wohl, daß ein derartiges Treiben den Ruin der Hochschulen herbeiführen müsse, und erließen daher mannigfache Verbote und Verordnungen gegen das Pennalwesen, die Teilnehmer mit harten Strafen bedrohend, und auch die Geistlichen eiferten von den Kanzeln gegen das Unwesen.
„ Ob
Auf dem Reichstage zu Regensburg traten 1654 endlich auf Befehl der protestantischen Kurfürsten deren Räte und Gesandte zur gemeinschaftlichen Bekämpfung des Uebels zusammen und verglichen sich zu einer allgemeinen Verordnung vom 1. Mai 1654, aus welcher wir Folgendes hervorheben: gedachtes alles wollen wir von einem jeglichen, der sich auf unseren Universitäten anjeẞo befindet, oder inskünftige aufzuhalten gedenkt, auf's genaueste abserviret haben, so lieb ihm ist, die Straff des Gefängnisses und nach Gestalt des Verbrechens der Relegation, cum infamia zu vermeiden, welche ein jeder, so hiewieder am geringsten zu freveln sich erkühnen wird, dergestalt ungesäumt zu erwarten haben solle, daß, wann er dieses so hoch verbotenen Pennalisirens 2c. 2c. halben in die obangedeutete Straff verfallen zu sein declarirt worden, der oder dieselbe als malae notae subjecta zu keinen Ehren- Aemtern oder Diensten in unsern Kurfürstenthumen und Gebieten, in geist- oder weltlichen Stand, beruffen noch befördert, sondern als Leuthe, welche ihre Jugend in Laster und Aergerniß zugebracht und alles Favors unwürdig allenthalben geachtet werden sollen"
Außer
dem ward noch bestimmt, daß die auf der einen Universität Relegirten, auf keiner anderen Aufnahme finden sollten, es sei denn, daß sie sich mit der vorigen Universität verglichen und ausgesöhnt" und ein Zeugnis darüber beigebracht.
Doch auch dieser gemeinsame Schritt unterdrückte das Unwesen noch nicht, denn schon 1655 erläßt Landgraf Wilhelm von Hessen wieder eine scharfe Verordnung gegen die Ausschrei tungen zu Gießen ; 1656 die Universität Leipzig, 1659 und 1661 Frankfurt a/ D. 1661 ist einer zu Leipzig relegirt wor den, der auf der naumburger Peter- Pauls- Messe, in einem gräu lichen Narrenhabit auf einer langen Stange herumgeritten und sogar der Kirche nicht geschonet." Auf dieser Messe, die von
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