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Gärten, in Höfen, in Vorwerckern, in Wiesen gehüpfet, getanget, gegeilet. Dieses hat insonderheit gezieret die Theologen, wann sie entweder in langen Röcken, oder langen Mänteln, oder ge­stuzten Hartkoppen daher gehüpfet wie die Elstern, oder wie die Israeliten um das Aronische Kalb" Gleichwie viele Evangelische Fürsten und Regenten", fährt er fort, bei ißigen Läufften( 1636) verfolgten ihre eigene Priester und Pre­diger mit Armuth und Hunger; also haben in nächsten Jahren viel Evangelische Fürsten und Agenten ihr eigne Doktores und Professores fast mit Gewalt genöthiget die Barbarey auf Uni­versitäten zu befördern. Denn als die Doktores und Pro­fessores feine Besoldungen aus den Rentereyen erheben konnten, und doch mit Weib und Kindern in großem Mangel saßen, mußten sie der Wirtschaft sich gebrauchen, Tischgänger annehmen und denen ein sattes Fressen, ein volles Sauffen, ein stetiges agiren, tribuliren, vexiren und martern der jungen Studenten gestatten, reichlichen an die Taffel schreiben und den lösesten Gesellen die süssesten Worte geben, ihnen fuchsschwänzen, in den Unfläthereien das gröbeste verschweigen, das mittelste läugnen, das geringste bekennen und entschuldigen. Neben diesem haben Fürsten   und Regenten große Förderung zu dem Unwesen ge­geben, wenn sie mit Trozz befohlen, geboten diejenige wieder an= zunehmen, die von den Universitäten aus regelmäßigen Ursachen seyn fort geschafft worden; und solches auf ungestümes Anhalten der Eltern, Verwandten und Freunden, die vorgeschüßet, der uralte, adeliche, chrbare und berühmte Stamme käme in äußerste Verachtung."

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Ein eigentümlicher Umstand ist noch zu berühren: Es findet sich nämlich das Pennalwesen nur auf protestantischen Universi täten und nur in Deutschland  , während auf den katolischen nichts davon zu entdecken ist. Der oft erwähnte Meyfarth Pre­diger zu Erfurt   läßt sich darüber vernehmen: Es ist zu fragen, ob auch die Patres der Societät Jesu solche Barbareyen bei den Universitäten und Akademien dulden, da sie lehren? Ich fann es nicht glauben, denn es ist wieder alle Regel ihres Ordens", und Georg Schröder ruft aus: Oh, wie wohl sind die Calvi­nischen und Päbstlichen Universitäten, Reiche und Länder, da man dies nicht duldet, in diesem Falle bestellet!"- Bei einiger Kenntnis der damaligen Verhältnisse kann dies kaum Wunder nehmen. Die widerwärtigen und kleinlichen Streitigkeiten, das efelhafte Gezänt und das unwürdige Schimpfen protestantischer Geistlicher in Wort und Schrift, konnte unmöglich dazu beitragen, die Achtung vor den Teologen und ihren Einfluß auf die Jugend zu erhöhen. Kam es doch vor, daß die geistlichen Herren zu tätlichen Angriffen auf ihre Gegner schritten! Die Plumpheit, Derbheit, ja Roheit der protestantischen Teologen bildete einen auffallenden Gegensaz zu der Gewandtheit, den feineren Um­gangsformen und dem weltmännischen Takte der die katolischen Universitäten beherrschenden Jesuiten  . Der Geist des Humanis mus, von den Jesuiten   auf ihren Bildungsanstalten gepflegt, beschämte mehr als einmal ihre protestantischen Gegner und ver fehlte seinen Einfluß auf die Bildung der Jugend nicht. War es doch ein Jesuit Fr. von Spen, der bereits 1631 in seiner Cautio criminalis gegen die scheußlichen Herenprozesse eiferte, während die protestantischen Geistlichen noch eifrige Förderer des Herenglaubens und der Herenverfolgungen waren.

Nach dem Zeugnis sämmtlicher Schriftsteller, die gegen den Pennalismus auftraten, beteiligten sich an dieser Roheit am meisten die Studenten der Teologie, während Juristen und Medi­ciner sich mehr davon fern hielten. Dr. J. Matth. Meyfarth, der es aus eigenem Augenschein wissen mußte, schreibt: Au den Studenten der Rechten und der Arzney ist zu loben," daß sie mit dem schändlichen und teuflischen Unflat des Pennalisirens nicht sonderlich ihre Seelen beflecken. Hat es einer oder der andere getan, wie kann ich solches wissen? Aber die leichtfertigen Gesellen, welche verlogener Weise sich Studenten der heil. Schrift nennen, haben sich großen Teils, meines Erinnerns, bei dem Wesen gebrauchen lassen. Bestätigt wird dies durch Schuppins( Marburg  ), Böcler in seiner bibliographia critica ( Straßburg  ), Fabricius( Helmstadt  ).

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Das scharfe, ernstliche und gemeinschaftliche Vorgehen der Fürsten   und Universitäten hatte endlich, wie wir gesehen, wenig­stens dem öffentlichen Auftreten des Pennalismus ein Ende ge­macht( 1662 1667), innerhalb der National Collegien aber wucherte das Uebel, wenn vielleicht auch mit etwas weniger Roheit, weiter. Bei den Zechgelagen und Schmausereien kamen die verschiedensten Ausschreitungen in dieser Beziehung vor, so daß z. B. der Kurfürst von Sachsen  , Johann Georg III. sich in einem Rescript vom 18. Aug. 1682 bewogen sah, die Natio nalverbindungen auf der Universität Leipzig   zu verbieten.

Auch aus Jena   vernehmen wir von Nachwehen des Pen­nalismus in den Nationalverbindungen. Die älteren Studenten verlangten von den jüngeren mit Ehrerbietung gegrüßt zu wer den, und wer sich diesem Verlangen nicht fügte, geriet in Händel  und Konflikte, die zu Zweikämpfen führten. In einem Man date des Herzogs Bernhard vom 22. Juli 1675 wurden die in Jena   organisirten 4 Nationen oder Landsmannschaften ver boten, allein ohne den gehofften Erfolg. Auf andern Universi täten wird es ähnlich gewesen sein, wie das Fortbestehen der Landsmannschaften auch im 18. Jahrhundert bezeugt. Wenn auch die allmälich milder werdenden Sitten die Scheußlichkeiten des Pennalismus nicht wieder aufkommen ließen, so bestand doch noch länger als ein Jahrhundert eine strenge Unterscheidung der Studenten nach der Zeit( den Semestern), die sie auf der Universität zugebracht, was sich besonders durch den innerhalb dieser landsmannschaftlichen Verbindungen herrschenden Ton be merflich machte. Selbst noch bis in die neuere Zeit ist auf den Universitäten, namentlich bei den Korps oder Landsmann schaften ein Unterschied zwischen den älteren Studenten und den Neueintretenden( Füchsen wie sie von den in der Zeit des Pennalismus angehefteten und von den Schoristen abgeschnittenen Fuchsschwänzen genannt wurden), besonders in dem ,, pro pona Spinnen" der lezteren( d. H. im Austrinken verschiedener, oft nicht geringer Quantitäten Biers auf Geheiß der älteren) zu erkennen. Die Fuchstaufen" und" Fuchshazen" erinnern noch an pennalistische Gebräuche, und wir stehen nicht an zu be haupten, daß der Vers eines Studentenliedes:

Sauerkraut und Stiefelwichse

ist das Leibgericht der Füchse 2c. 20. wenn auch vielleicht unbewußt, eine Reminiscenz aus älterer Zeit enthält.

Werfen wir, nachdem wir das Erlöschen des Pennalismus geschildert, am Schluß noch einen Blick auf das Ende der De position. Bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts tat sich in der Ansicht über den Wert der Deposition ein Um schwung kund, der vorzüglich durch die Ausschreitungen des Pen nalismus hervorgerufen ward. Man sing an, einzusehen, daß die Einrichtung unzeitgemäß, nur die allgemeine Roheit beför derte und dem Pennalismus einen Schein der Berechtigung ver lieh. Bereits in den Straßburger Senats Protokollen von 1636 wird darüber verhandelt und in den Jenaer   Visitations Aften spricht sich Herzog Ernst von Gotha über die possenhafte und bedeutungslose Ceremonie" aus. Da aber besondere Bezüge für den Dekan der philosophischen Fakultät damit verbunden waren, dauerte es noch längere Zeit, bis die gänzliche Beseitigung er folgte. In Halle ward die Deposition gleich bei Gründung der Universität 1694 unterdrückt, in Königsberg   ward sie 1717 amtlich abgeschafft und an ihre Stelle ein Examen vor dem Defan der philosophischen Fakultät gejezt! Wittenberg   besei tigte sie 1733, nachdem in diesem Jahre der zeitherige Depo sitor Bulisius, gestorben war. In Erfurt   hörte sie in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ganz von selbst auf, trozdem sie noch gesezlich bestand, ebenso in Jena  . Auf beiden leztgenannten Universitäten erhielt sich längere Zeit nur noch der Brauch, den neu Aufgenommenen durch den Pedell die Depo sitions Instrumente vorzeigen und deren Anwendung erklären z lassen. Dieses Vorzeigen", sagt D. Schada a. a. D. war der lezte Rest des einst so allgemeinen Brauches, der sich dann auch nach und nach vollends verlor und nur in der Sprache, in der Redensart: die Hörner ablaufen, eine Erinnerung hinterlassen hat.