und Intelligenz ihre Wohnsize ausstatten, bilden den reizenden und anziehenden Hintergrund der auf flüchtigen Wellen so un­ausgesezten menschlichen Tätigkeit. Die Landung am Costuomen­house war erfolgt.

" Haben Sie schon einen Gasthof im Sinn, in welchem man Ihnen einzukehren empfohlen hat, Miß?" fragte der Bossirer an seine Reisegefährtin herantretend, welche, wie er bemerkte, in Verlegenheit sich umsah, jedenfalls um jemand zu finden, dem sie das Verstehen ihrer Muttersprache zutrauen konnte. Sie hatte ihn aus den Augen verloren und erschien erfreut, ihn wieder zu sehen. Ach, Sie sind es, mein Herr!" sagte sie. O bitte, stehen Sie mir bei. Ich will in den Gasthof: Zum Esserer Riesen. Es soll ein gutes Gasthaus sein, obgleich sein Name nicht sehr anlockend klingt."

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Man darf darauf nicht so viel Wert legen," antwortete der Landsmann. Ich kenne diesen, Esserer Riesen', er ist durch und durch respektabel und stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert, wie Master Tinletown, sein jeziger Besizer, mit großem stolzen Bewußtsein seinen Gästen zu erzählen pflegt. Ich werde ein Cab für Sie herrufen, es bringt Sie rasch an Ort und Stelle."

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Für jemand, der mit dem Englischen wenig oder garnicht vertraut ist, wie es die Miß war, mußte dieser Beistand eine wahrhafte Erlösung aus großer Verlegenheit sein. In wenigen Augenblicken fuhr das Cab( Kabriolet) vor, die Fremde stieg ein, ihr nicht besonders umfangreiches Gepäck war schnell aufgeladen. Nachdem der Cabmann die Adresse Esserer Riese Fleet Fleet Street" empfangen und die Dame in Kenntnis hinsichtlich des Fahrgeldes gesezt war, das sie zu zahlen hatte, rief ihr der Bossirer zu: Merken Sie Sich, Miß, der Portier im Riesen" ist ein Deutscher und obgleich er seiner Größe nach selbst eine Art Riese ist, so ist er doch ein dienstwilliger Bursche und wird Ihnen gegen eine klingende Erkenntlichkeit gern gefällig sein."

Ob die junge Frau diesen Nachruf vernommen, blieb ihm unbekannt, das Cab entschwand unter der Menge Leute, die stets den Costumehouse- Plaz beleben. Hm, mit der scheint nicht alles richtig zu sein," redete er vor sich hin. Was sucht sie hier? Sie kann nicht englisch... und nachdenklich war sie, als drücke sie ein Kummer." Nach einer Weile tröstete er sich mit der Hoffnung, morgen von seinem Bekannten, dem riesigen Portier im Esserer Riesen," sicher Näheres über sie zu er fahren, denn als ihren einzigen Landsmann in dem Gasthof mußte sie ihn in ihren Angelegenheiten wenigstens insoweit zu Rate ziehen, als sich dies der Verständigung wegen nur tun ließ. Langsam verließ er den Plaz des Mauthauses.

Unterdessen sah die junge Frau ganz zu ihrer Zufriedenheit im Esserer Riesen" sich untergebracht. Der Portier- Landsmann hatte ihr ein hübsches nicht sehr großes zweifenstriges Zimmer im zweiten Stockwerk besorgt, das ihr die Aussicht auf den außerordentlich lebhaften Verkehr in der Fleet Street gewährte, die in die weit breitere Passage Strand" führt, welche mit vollem Recht eine der Pulsadern des ungeheuren Londons ist. Nachdem die junge Frau sich ein wenig heimisch in dem Zimmer gemacht hatte, trat sie an eines der beiden Fenster, öffnete es und schaute auf die unten in der Straße sich kundgebende Ameisen Emsigkeit des Verkehrs.

Auf eine deutsche Kleinstädterin mußte dies geschäftige Durch einander einen außergewöhnlichen Eindruck bewirken und Frau Lucie Philipp gab sich mit Vergnügen der Schau dieses unab­lässig wechselnden Bildes des rührigsten Treibens hin, wie kein Kaleidoskop seine Farbenmischung bunter und zu viel- gestaltigeren Formen untereinander rütteln kann. Ihr Blick haftete wie ge­bannt auf diesem Trubel, dergleichen bewegliches Leben, in jeder Minute neu, immer anders, war ihr natürlich unbekannt und zog sie desto mehr an, als hier die Unterschiede des Reich­tums, der Wohlhäbigkeit und des um sein tägliches Brod im Schweiße seines Angesichts sich abmühenden Arbeiters und aller dazwischen sich drängenden Nüancen der verschiedenen Lebens­stellungen, welche die große Kluft zwischen arm und reich aus­füllen, so zu sagen, wahrhaft bunt zusammengewürfelt, sich be­merkbar machten.

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Plözlich wurde ihr Blick von einer höchst eleganten, mit stolzen Rappen bespannten offenen Chaise angezogen, in der zwei Damen bequem zurückgelehnt saßen. Der reich mit Gold betreßte Kutscher und der in gleicher prunkender Livree auf dem äußeren Hinter­size gemächlich ruhende Lakai deuteten an, daß diese kostbare Equipage einer der reichen Adelsfamilien angehöre. Frau Lucie bewunderte noch die Pracht dieses wegen der Vielzahl der Fuhr­werke verschiedenster Art langsam fahrenden herrschaftlichen Wa­gens, als ein Lärm von Stimmen vor dem von ihr bewohnten Esserer Riesen" sich erhob. Einem Zusammenstoß der Fuhrwerke wurde nur durch die Geschicklichkeit einiger Kutscher vorgebeugt. Luciens Aufmerksamkeit auf den schönen Wagen erlitt sofort eine andere Richtung; sie erblickte zu ihrer größten Ueberraschung Sir Richard Clinton auf einem Schimmel hinter dieser Equipage.

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Sie hob sich am Fenster auf die Fußspizen, um sich zu überzeugen, daß sie sich nicht täusche... und er war es wirklich. Eine Irrung war nicht möglich, das erkannte sie, als er sein Pferd dicht an den Wagen herandrängte und sich nach vorn über den Sattelknopf beugend, den beiden Damen einige Worte zurief. Zur Seite der Chaise konnte er nicht reiten, sein schönes Tier hätte leicht eine Verlegung davon tragen können. Die Stauung des Verkehrs dauerte indes glücklicherweise eine sehr kurze Weile, dann kam Ordnung in dies Chaos von Pferden und Wagen.

In dieser kurzen Pause ließ Sir Richard Clinton seine Augen an den Häuserreihen der Fleetstraße hinschweifen und erblickte zu seiner größten Verwunderung Lucie am offenen Fenster des zweiten Stockwerks im Esserer Riesen" stehen. Daß auch sie ihn gesehen, bezweifelte er nicht, ihr leichtes Kopfnicken gab ihm Kunde davon, so wie ihr, daß er seinen Hut wie zum Gruße zog und um diesem die Absichtlichkeit zu nehmen, rasch mit seinem Taschentuche über die Stirne fuhr.

Lucie trat ins Zimmer zurück. Sie fühlte sich ungemein glücklich, daß der Zufall sie so sehr begünstigte.

Es erschien ihr wie ein Wunder, ihren Wunsch erfüllt zu sehen, bald aber drängte sich in diese Freude ein Mißtrauen, Sie hatte ihn zu den das abzuweisen sie nicht imstande war. beiden Damen sprechen sehen... wer waren sie? Gehörten sie zu seiner Familie? Dann konnte die ältliche Dame seine Mutter, die junge blühende seine Schwester sein; aber die leztere zeigte auch nicht die mindeste Aehnlichkeit weder mit der neben ihr Sizenden, deren Gesichtsform durch ein längliches Oval sich be­deutend von der ihrigen unterschied, noch mit Sir Richard, wie doch öfterer bei Geschwistern der Familientypus sich fast auffällig geltend macht.

Das apfelrunde, lebhaft gerötete kleine Gesicht der jungen Lady war in der Tat ein lustiges Aushängeschild, denn während ihre Fahrtgenossin einen sehr würdevollen Ernst repräsentirte, schwebte ein sichtbar mühsam zurückgehaltenes Lachen über ihre jugendlichen Züge... der Tumult, den sie so bequem über­schauen konnte, machte einen ungemein erheiternden Eindruck auf sie, wobei die wenig schmeichelhaften Redensarten, deren sich die 3ankenden gegenseitig bedienten, keine geringe Rolle spielten.

Ueber den fraglichen Punkt der Familienzusammengehörigkeit zwischen der jungen Lady und Sir Richard vermochte Lucie sich natürlich keine beruhigende Erklärung zu geben; die Gewißheit aber, daß, wenn ihr Argwohn sich bestätige und diese lachlustige junge Dame zu ihm in einem zärtlichen Verhältnisse stehe oder in ein solches zu treten bestimmt sei, für sie, Lucie, auch jede Hoffnung verloren sein müsse, eine ihrem Wunsche entsprechende Verbindung mit ihm zu schließen... das war für sie ein so peinigendes Denken, dem sie sich nur mit Aufbietung aller ihrer geistigen Kraft entreißen konnte. Sie fühlte sich von diesem Gedanken wie von einem Gespenste geängstigt.

Nach langem Kampfe gegen dasselbe gelangte sie endlich zu einer Art Entscheidung über diesen Punkt, der sie so angestrengt beschäftigte. Empfing sie im Verlaufe dieses oder des nächsten Tages keinen Besuch oder keine Nachricht von ihm, dann hatte sie die Ueberzeugung erlangt, daß ihre Zuversicht auf seine Neigung zu ihr eine Täuschung gewesen. Die Nachwehen dieser Erkenntnis waren für sie schmerzlicher Art. Was sollte sie dann