beginnen, um in der ungeheuren großen Stadt ein Unterkommen zu finden? Sie hatte gleichsam das Schicksal in frevelhaftester Weise herausgefordert... ihre einzige Hilfe fonnte nur in schneller Rückkehr nach Deutschland bestehen, um nicht das von ihrem geschiedenen Gatten großmütig ihr geschenkte Reisegeld hier auf zuzehren.
Tas Ringen zwischen Hoffnung und Fehlschlag griff krampfhaft in ihr Herz. Hätten die Stunden Flügel, welche Wohltat für Tausende und Abertausende, um das Schicksal kennen zu lernen, das verdient oder unverdient ihrer wartet. Warten ist die entsezlichste Last, die den Mut erdrückt. Stunde verinnt um Stunde, wie einzelne vom übervollen Eimer herabfallende Tropfen.
Schon war es vier Uhr am Nachmittag und von Sir Richard noch keine Kunde... sie glaubten verzweifeln zu müssen.
Endlich machte sich in dem an ihrem Zimmer vorüberführenden Gange schwer auftretende Männerschritte vernehmbar... das konnte niemand von den Dienstleuten im„ Esserer Riesen" sein, diese traten nicht derart auf. Lucie stand an der Zimmertür, um zu horchen. Draußen hörte sie eine grölzende Männer stimme zählen:„ Neunzehn... Zwanzig Zwanzig... Einundzwanzig, hier ist also die Türe!" und sofort wurde an die ihres Zimmers geklopft.
Lucie öffnete.
Ein Mann in bürgerlicher Kleidung, eine schwarze Binde über das rechte Auge, welches jedenfalls fehlte und deswegen verdeckt wurde, mit einer windschiefen Nase, eine lederne Briefmappe unter dem Arme tragend und einen Brief in der Hand, richtete die Frage an sie:" Mistreß Philipp?"
" Yes!"
Mit einer ungelenken Verbeugung händigte er ihr den Brief ein und trabte schwerfällig die nahe Treppe hinunter. Ein Blick
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von ihr auf die ihren Namen tragende Adresse machte sie ungemein glücklich, sie erkannte Sir Richards Handschrift. Im Couvert lag eine Einlaßtarte zur heutigen italienischen Opernvorstellung im Teater am Haymarket und ein Zettel dabei mit den wenigen Worten:„ Lucie wird erwartet."
,, Welche Törin war ich, an ihm zu zweifeln!" schalt sie sich und doch war ihr Herz voll Freude.
Schnsüchtig harrte sie der späteren Abendstunde, wo sie ins Teater fahren wollte... zum Wiedersehen.
Sie fand in einer der Fremdenlogen ihren Siz. Wenn es möglich gewesen wäre, das Wohlgefül zu steigern, das sie durchströmte, würde das prächtige und enorm große Innere dieses Kunsttempels dies gewiß vermocht haben; aber dazu blieb für Lucie keine Zeit, wenige Minuten nach ihr trat Richard ein.
Von einem fünstlerischen Genusse, obgleich die italienischen Sänger und Sängerinnen durch ihre Meisterschaft im Gesange das Publikum in Begeisterung versezten, war bei Lucie keine Rede, sie hatte nur für das Aufmerksamkeit, was Richard ihr zuflüsterte. Es war für sie ein seliger Abend, wie sie noch keinen erlebt hatte. Als sie gegen Mitternacht nach den Tafelfreuden in einem der feinen Hotels, deren London so viele besizt, vor dem„ Esserer Riesen" abstieg und in ihr Zimmer hinaufeilte, befand sie sich in einem Wonnerausche, dessen Aufregung ihr jedoch die Nacht zu einer ziemlich schlaflosen machte. Nur zuweilen stellte sich ein kurzer Schlummer bei ihr ein, beim Erwachen aber tauchten die Erinnerungen an all das erlebte Angenehme dieses heutigen Abends lebensvoll in ihrem Denken auf und sie überließ sich denselben mit voller Hingebung. ( Fortsczung folgt.)
Die in Portugal eingewanderten germanischen Stämme haben in Gesichtsbildung und Volksfarakter, im Hauswesen und in der Feldwirtschaft, in Sprache, Liedern und Sagen der Portugiesen deutliche Spuren hinterlassen. Der Tajo bezeichnet die Grenzscheide für diese Reste germanischer Kultur, und es ist nicht ohne tiefe Bedeutung, wenn der alemtejanische Bauer alle nördlich des Flusses im Küstenlande ſizenden Völkerschaften, Portugiesen und Spanier, unter dem Gesammtnamen Galizier begreift, im richtigen Bewußtsein, daß die Bewohner dieser Landstriche dieselben Mischungsverhältnisse mit germanischen Elementen aufweisen. Wer diesen Ueberbleibseln germanischen Volkstums nachspüren will, findet nirgendwo ergiebigere Ausbeute als in den Ort schaften Suajo und San Miguel. Diese vergessenen Gebirgsdörfchen sind im äußersten Südwesten Europas zwei ehrwürdige Reliquien germanischer Eigenart, in mancher Beziehung ein lebender Kommentar zu der Schilderung, die uns Tacitus von unseren Vorfahren in seiner Germania hinterlassen hat. Weder im Innoch im Auslande geschah dieser entlegenen Gemeinden irgendwo Erwähnung, bis der portugiesische Tourist Dom Antonio de Costa dorthin vordrang. Der Antrag auf Kanonisation des Erzbischofses von Braga , Fra Bartholomeo, stüzte sich unter anderm darauf, daß der Kirchenfürst auf seinen Visitationsreisen auch jene schwer zugänglichen Dorfschaften besucht habe, wohin seit dem Apostelschüler Giraldo kein Bischof mehr gekommen war. Biographen des Erzbischofes erzählen in ihrer anschaulichen Weise, wie der eifrige Seelenhirt dort mit Kohlsuppe fürlieb nahm, und seine Begleitung es nahezu für ein Wunder hielt, als in einer Hütte ein getrockneter Schellfisch aufgetrieben wurde. Damals empfingen die rauhen Söhne der Berge den hohen Besuch in ausgelassener Freude mit Tanz und Spiel und sangen zu ihren schlechtgestimmten Instrumenten ein gar seltsames Lied:
Gelobt sei die heilige Dreifaltigkeit, Die Schwester unsrer lieben Frau.
Eine Reise nach Suajo ist auch heute noch eine ziemlich mühevolle Tour. Die Ortschaft liegt nördlich der alten Stadt Arcos de Val de Vez ( Winso) auf einem Ausläufer der schauerlich einsamen Serra de Gerez, wo Wölfe in unzugänglicher Waldesnacht streifen und sich in dunkeln Bergschluchten der Eber heimisch erhalten hat.
Als das einst mächtige Suevenreich dem westgotischen Könige Bervigild unterlag( 585), zog sich eine sucvische Gaugenossenschaft vor dem Sieger in diese Gebirgswildnis zurück. Die MutterSprache hatten die Flüchtlinge schon früher durch ihr Zusammenleben mit den völlig romanisirten Eingeborenen des Landes eingebüßt, aber die angestammte Verfassung und Sitte bestand noch in ungeschwächter Kraft. Die abgeschiedene Lage, der geringe Verkehr mit der Außenwelt, die Zähigkeit des germanischen Volkskarakters, das grundsäzliche Vermeiden jeder Vermischung mit fremdartigen Elementen hat die Erhaltung der Eigenart in ihren Grundzügen bis heute ermöglicht. Auch der Volksname Sueven oder Suaven, welch leztere Form für die Nachkommen. der in Deutschland zurückgebliebenen Stammesbrüder, die heutigen Schwaben, üblich geworden ist, hat die Jahrhunderte überdauert und liegt augenscheinlich dem Ortsnamen Suajo zu Grunde. Um die Mitte des 6. Jahrhunderts wird in dem Lande zwischen Saale , Bode und dem Unterharz eine suevische Niederlassung Suabago( Schwabengau) genannt, welche den bei Cäsars Rheinübergang nach dem Harz geflohenen Sueven ihren Ursprung verdanken soll. Es hat durchaus nichts Willkürliches und entspricht völlig etymologischen Gesezen, das portugiesische Suajo als Suabago zu deuten; denn Erweichung des germanischen g in i ist dem romanischen Sprachforscher als ein feineswegs seltener Borgang bekannt.
Es ist für den Deutschen eine sicherlich anziehende Aufgabe, diese unbekannten Vettern unserer heimischen Schwaben in ihrem Leben und Treiben zu beobachten.