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von ihnen feierlich begangen, sondern dessen auch bei uns in hoher An­erkennung gedacht worden. Große, genial beanlagte und wirkende Geister werden immer von der gesammten zivilisirten Welt geehrt und geschäzt werden, wenn in ihrem ganzen Wesen sich auch noch so sehr der Ka­rafter ihres Heimatslandes ausprägt. Zu Männern dieser Art gehört auch Murillo . Aus seinen berühmten und einzig in ihrer Art dastehen= den Genrebildern tritt uns die ganze Sorglosigkeit der Gassenbuben Sevillas, aus seinen Konzeptionen aber die religiöse Verzückung entgegen, wie sie nur auf einem Boden gedeihen konnte, der seinerzeit die Heimat der religiösen Schwärmerei war. Hat aber dieser Umstand vor allem die Begeisterung seiner Landsleute für seine Werke geweckt, so ist es die sie auszeichnende künstlerische Vollendung, welche sie uns heute noch von großartigem Wert erscheinen läßt und ihren Schöpfer zu einem der unseren macht. Dieser wurde am 31. Dezember 1617 in einem fleinen früher zu einem Kloster gehörenden Hause am San- Pablo- Plaz zu Sevilla geboren; man hat zumeist erst den nächsten Tag als seinen Geburtstag bezeichnet; richtig ist, daß er am 1. Januar 1618 getauft wurde. Seine Eltern, unbemittelte Handwerksleute, starben frühzeitig, und so kam denn der junge Bartolomé, entsprechend seinen Anlagen, die sich in einer großen Neigung zum Zeichnen schon von Jugend auf fundgaben, zu einem Maler in die Lehre. Ein großes Genie soll sein Lehrmeister, Juan del Castillo hieß er, nicht gewesen sein, aber desto größer war seine Liebe und Zuneigung zu dem jungen Schüler, der übrigens durch seine Gelehrigkeit und sein liebenswürdiges Benehmen viel dazu beitrug, sich die Sympatie von Meister und Mitlehrlingen zu erwerben. So wurde Murillo denn auch nicht nur in der Kunst des Zeichnens unterrichtet, sondern erhielt auch noch eine sorgfältige allge­meine Erziehung. Vom Farbereiben, Pinselreinigen, und wie diese kleinen von den meisten angehenden Künstlern heute leider verächtlich betrachteten Beschäftigungen heißen, wurde er trozdem nicht dispensirt und vielleicht auch zu seinem Glück. Denn die Kenntnis der einfachen technischen Verrichtungen bedingt das Gelingen und die spätere Erhaltung eines Kunstwerkes, namentlich die der Malerei. Man sagt auch, er habe schon damals mit seinen Nebenschülern Malereien in Leimfarbe auf Lein­wand ausgeführt, die zur Dekoration an Altären, Pfeilern und an den Wänden der Kirchen aufgehängt wurden. Seinen Erzieher und Lehr= meister verlor jedoch der erst 22 Jahre alte Künstler, als Castillo 1639 oder 1640 nach Cadix übersiedelte. In ein anderes Atelier trat Murillo nicht ein, es mag ihm dazu an Neigung und auch an den nötigen Mitteln gefehlt haben. Mit Hilfe von dürftigen Aufträgen, deren Hono­rirung jedenfalls auch nicht besonders opulent gewesen sein mag, fristete er in Zufriedenheit sein Dasein, bis ein Zufall ihn aus diesem Zustand aufscheuchte. Pedro de Moya aus Granada , ein acht Jahre älterer Mitschüler von ihm, kehrte von einer Studienreise zurück, auf der er in Flandern die Werke der Niederländer und in London den gefeierten van Dyck persönlich kennen gelernt hatte. Er brachte selbst gemalte Bilder mit, die durch ihre frischen, leuchtenden, satten und doch harmonisch gestimmten Farbentönen allgemein Aussehen erregten, in Murillo aber eine förmliche Revolution hervorriefen. Die Werke der großen Meister zu studiren war nunmehr sein einziger Gedanke, nach Italien , Flandern oder nach London zu van Dyck zu gehen sein heißester Wunsch. Doch die Erfüllung desselben war für einen Menschen, der wohl die Anlagen zu einem großen Künstler, aber kein Geld hat, nicht so leicht. Hatte er bisher um sein Leben zu erhalten Heiligenbilder und sonstige ge­wünschte Darstellungen für den Trödelmarkt gemalt, so überwand er eine solche für ihn widerwärtige Beschäftigung erst recht, als es sich darum handelte, mit ihrer Hilfe seinen Lieblingswunsch zu erfüllen. Damals wurden nämlich Heiligenbilder in großer Zahl für den Export nach Indien begehrt, die zwar schlecht bezahlt wurden, aber auch keine besonders künstlerische Anforderungen zu erfüllen hatten. Binnen ver= hältnismäßig furzer Zeit hatte Murillo davon so viel angefertigt, daß er die Mittel zu einer Reise gewann, die ihn, wenn auch nicht nach Rom , so doch wenigstens 1642 nach Madrid führte. Hier hoffte er die Unter­stüzung seines berühmten Landsmanns, des Malers Don Diego Velasquez de Silva, zu finden, und er hatte sich nicht getäuscht. Infolge der Fürsprache dieses Malers standen ihm die Gemäldesammlungen offen und hier studirte er nun zunächst namentlich die Werke von Tizian , Rubens , v. Dyck und Ribera . Aber je mehr er sich in die Werke dieser großen Meister vertiefte, desto freier und selbständiger wurde sein Stil. Troz allen Drängens von Velasquez in Madrid , am Hofe zu bleiben, zog ihn das Heimweh nach Andalusien und nach Sevilla zurück und er fam 1645 schon in seiner Baterstadt an.

Jezt gestaltete sich hier sein Leben günstiger als früher, denn die Werke, die er nun schuf, riefen die Begeisterung aller hervor. Namentlich waren es seine Madonnen, die durch ihren Liebreiz und durch ihre Wahrheit die frommen Spanier allgemein entzückten. Sein Hauptwerk ist wohl der heilige Antonius, für den ihm das Domkapitel 10 000 Realen be­zahlte und von dem eine von seiner Hand gemalte Nachbildung, die

jedoch in mancher Beziehung von dem ersten Werke abweicht, sich im berliner Museum befindet. Aber neben seinen berühmten Bildern der Konzeption, in denen er die seine Landsleute so begeisternden religiösen Verzückungen darstellt, und die ihm den Namen ,, Maler des Himmels" gaben, sind es vor allem seine Genrebilder, welche seinen großen künst lerischen Ruf begründeten. Wer Gelegenheit hat, die alte Pinakotek zu München zu besuchen, den bitten wir, sich die fünf Genrebilder Murillos genau anzusehen, und er wird staunen, mit welcher Lebenswahrheit auf ihnen die Zerlumptheit, wie das Leben und Treiben der sevillaner Gassen­jungen dargestellt ist. Das Behagen, mit dem hier einer eine Melone, dort einer eine Traube oder ein Stück Brod verzehrt, ist meisterhaft dargestellt. Ebenso die Harmlosigkeit und Sorglosigkeit, welche sich auf den jungen Gesichtern ausprägt. Fast könnte man glauben, der Künstler habe sich in diesen Darstellungen entschädigen wollen für den Umstand, der ihn zwang, Heiligenbilder fabrikmäßig zu malen, um nur in die Lage zu kommen, sein großes Talent zur Blüte zu bringen; denn die Wahrheit des wirklichen Lebens kontrastirt nur zu sehr gegen den Zwed der Heiligenbilder. So hat er auch auf einem bekannten Bilde, Moses mit seinem Stabe Wasser aus dem Felsen schlagend, das Entzücken über das den bald verdürsteten Israeliten in der Wüste gebotene Labjal so großartig wiedergegeben, daß dieses Bild im Volksmunde nur der Durst" genannt wird. Sonderbar, oder sagen wir, erklärlicher Weise, ist von den oben genannten Genrebildern in Sevilla , das so stolz auf seinen großen Sohn ist, feines zu finden. 1648 hatte sich Murillo mit Donna Beatriz de Cabrera y Sotmayor aus Pilas verheiratet. 1680 malte er im Kapuzinerkloster zu Cadix ein großes Werk und stürzte in beträchtlicher Höhe vom Gerüst, wodurch er eine innere Verlegung davon trug, die seinen oben näher beschriebenen Tod herbeiführte. Das begonnene Gemälde vollendete einer seiner Schüler, deren er eine ganze Anzahl in einer von ihm errichteten Akademie vereinigt hatte. Seine Werke sind in Sammlungen der ganzen gebildeten Welt zerstreut. Außer in Spanien namentlich in Paris , Berlin , München , Dresden , Wien und in vielen englischen Sammlungen.

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Der Drachenstich zu Furth im Wald . Von den Ungetümen der mittelalterlichen Volkssage, die auch eine Menge von Unheil über die Menschen brachten, spielt der Drache eine große Rolle, und unsere Illu stration auf Seite 423 führt uns ein Volksfest vor, das zu Furth im Wald ( im bayerischen Kreis Oberpfalz ) alle Jahre am Sonntag nach dem Frohnleichnamsfest gefeiert wird und seinen Ursprung in der alten Volkssage hat. Nach der Sage hat ein Drache über Furth die Best gebracht, ein anderer hat dagegen die Stadt in alter Zeit bedrängt, bis er vom Helden Siegfried getötet wurde. Nach der Pest veranstalteten diejenigen Bewohner genannten Ortes, welche von der bösen Krankheit verschont blieben, den Drachenstich , der sich bis in unsere Zeit erhalten hat. Auf einem geräumigen Plaz in der Nähe des Rathauses erhebt sich die provisorische Bühne, auf der sich eine mit reichem mittelalterlichen Gewand angetane Königstochter befindet, begleitet von ihrer Ehrendame. Ihr gegenüber erscheint der greuliche Drache, der, nachdem er allen An wesenden Furcht und Schrecken einzuflößen gesucht, der Prinzessin immer näher rüdt. Schon schwebt sie in der größten Gefahr, da sprengt ein stattlicher und wohlgerüsteter Rittersmann herbei und erbietet sich zum Retter. Zwischen ihm und der in Gefahr schwebenden Dame entspinnt sich nun ein in Versen gehaltenes Zwiegespräch, in dem der Ritter seine Hilfe anbietet, die Prinzessin ihn aber vor der Gefahr warnt. Das schreckliche Ungetüm, das durch sein Erscheinen in unmittelbarer Nähe den Dialog stört, wird aber trozdem vom Rittersmann mit der Lanze angegriffen und umgebracht. Darob entsteht großer Jubel unter den Zuschauern, die alle herbei eilen, um ihre Taschentücher in das strömende schwarze Blut zu tauchen. Sobald das Ungeheuer nochmals sich au zurichten versucht, empfängt es vom herbeieilenden Reiter den Todesstoß. Nach einem abermaligen Dialog zwischen diesem und der nachgemachten Brinzejjin empfängt er von lezterer den Eichenkranz für seine rettende Tat. Nachher rückt aber der ganze Zug der Festteilnehmer in's Wirts haus, wo das Fest mit einem fröhlichen Tanz abgeschlossen wird. Früher marschirten der Drache und die Hauptpersonen des Spieles in der Frohnleichnamsprozession einher, wogegen der Pfarrer aber Proteſt ein gelegt hat und zwar mit Erfolg.

Redaktions- Korrespondenz.

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Kittlig. R. W. Es wird uns angenehm sein, wenn Sie uns das Buch ein senden. Wir werden es durchsehen und es Ihnen dann zurückschicken. Bevor wir das Buch nicht haben, tönnen wir auch Ihre Frage mit Sicherheit nicht beantworten. Bremen . D. B. Kaufen Sie sich 3osef Benn's deutsche Aufsäze". Wies nicht baden 1881 bei Adolph Gestewiß.

Cottbus . Rentier und Schriftsteller W. D. Freundlichen Dank für die Sen dung. Wir werden den Brief baldmöglichst rezensiren.

Calw . W. B. Das Album mit Ihren Gedichten ist eingetroffen. Unser Urteil über dieselben demnächst. Braunschweig . C. G. Ihr Gedicht zeugt von poctischem Gefühl, läßt aber in bezug auf die Fähigkeit poetischer Gedankengestaltung noch Erhebliches zu wünschen übrig. Reli

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Inhalt: Verschlungene Lebenswege. Roman von Franz Carion.( Forts.) Die Ueberreste der Eueven in Portugal . giöses Leben und Treiben bei den Juden der Gegenwart. Von Maximilian Dittrich. Im Kampf wider alle. Roman von Ferdinand Stiller.( Forts.)- Bartolomé Estéban Murillo.( Mit Illustr.) Der Drachenstich zu Furth im Wald.( Mit Jllustr.) Korrespondenz.

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Redaktions

Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser in Stuttgart. ( Neue Weinsteige 23.) Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart . Drud und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart .