veredelt und jenem Humanismus die Welt erobert, der uns in den Werken der griechischen Weisen, Dichter und Künstler ent­zückt. Iphigenie   repräsentirt die hellenische Kultur als Ueber­winderin der Völker durch die Ideen der Humanität.

Einen Gegensaz anderer Art bilden die Untaten der Tan taliden. Die Gräuel, welche diese verüben, entspringen nicht, wie die Menschenschlächterei der Taurier, aus religiöser Verirrung, sondern aus ihrem ungestümen, leidenschaftlichen Temperament, das nicht durch Besonnenheit und Selbstbeherrschung gezügelt ist: Zwar die gewalt'ge Brust und der Titanen Kraftvolles Mark war seiner Söhn und Enkel Gewisses Erbteil, doch es schmiedete

Der Gott um ihre Stirn ein ehern Band. Rat, Mäßigung und Weisheit und Geduld Verbarg er ihrem scheuen, düstren Blick; Zur Wut ward ihnen jegliche Begier,

Und grenzenlos drang ihre Wut einher.

Bei Thoas wurzelt das Verwerfliche im allgemeinen Wahn, hier in der individuellen Leidenschaft. Dort ist der Intellekt

umdüstert, hier ist der Karakter ungebändigt. Dem in der Person Iphigenien's personifizirten hellenischen Humanitätsidea! sind auf diese Weise die beiden Hauptfaktoren seines Gegenteils gegen­übergestellt.

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Einen ergänzenden Kontrast zu Iphigenie   bildet Orestes  . Sie, die von Menschen abgesondert, der kindlichen Beschäftigung, des heil'gen Feuers Glut zu nähren," lebte, bebt vor Menſchen opfern, auch den ihr aufgezwungenen, zurück und bittet Diana:

O enthalte von Blut meine Hände! Nimmer bringt es Segen und Ruhe; Und die Gestalt des zufällig Ermordeten Wird auf des traurig unwilligen Mörders Böse Stunden lauern und schrecken.

Orestes   wird durch seiner Mutter Schuld ein solch' traurig unwilliger Mörder und die schrecklichen Folgen, die Iphigenie  fürchtet, verwirklichen sich an ihm. Die Erinnyen verfolgen ihn, und diese bedeuten bei Goethe nichts anderes, als die schreckliche, nicht zu verscheuchende Erinnerung an die unter dem Mordstahl

des Sohnes sterbende, vergebens um Schonung flehende Mutter, welches Bild seine Phantasie ihm fortwährend vor die Seele gaukelt, die ewige Betrachtung des Geschehenen," der sich der Zweifel und die Reue" zugesellen. Durch Iphigeniens Anblick, welche manche Züge der Mutter trägt, wird das schreckliche Phantasiebild noch lebhafter:

Du siehst mich mit Erbarmen an? Laß ab! Mit solchen Blicken suchte Klytämnestra  

Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen: Doch sein geschwungner Arm traf ihre Brust

und er wird von Raserei und Wahnsinn erfaßt. Aber dieser Anblick heilt ihn auch wieder. Denn in Iphigenie   nehmen die Züge der Mutter eine andere Gestalt an. Das entfezliche Phan tasiebild der sterbenden Klytämnestra weicht dem liebevollen, milden der Klytämnestra Iphigenic. Die Genesung vollzieht sich psychologisch ganz natürlich. So prägt sich auch in der Figur des Orestes der sittliche und humane Geist Griechenlands   aus, der das Leben des Individuums heilig hält und selbst den un freiwilligen Mörder einer furchtbaren Strafe preisgibt, die aus der Natur des gesitteten Menschen entspringt.

Die mannigfaltigen Schönheiten der großartigen Dichtung, in welche der deutsche Dichter mit Euripides   um die Palme gerungen und ihn überwunden hat, eingehend in's Licht zu sezen,

iſt nicht die Aufgabe dieses Artikels. Den Wunsch aber können

wir nicht unterdrücken, es möchte das weibliche Geschlecht der Gegenwart schon früh mit dieser hochsittlichen Dichtung bekannt gemacht werden und überhaupt sich mehr als es bisher geschah, mit der klassischen Literatur vertraut machen. Mädchen, welche cine Iphigenie, eine Nausikaa  , Frauen, die eine Andromache, Arete oder Penelopeia zu schäzen wissen, die diese edlen Frauen­bilder in einer Nische ihres Geistes aufgestellt haben, werden nicht leicht in die Abwege einer falschen Sentimentalität und Schwärmerei, noch in die Sümpfe eines trivialen Modeluxus­und Genußmaterialismus sich verirren, sondern an diesen herr lichen Gestalten zu einem gesunden ächt weiblichen Idealismus sich erheben.

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Religiöses Leben und Treiben bei den Juden der Gegenwart.

Von Marimilian Dittrich.

Neben dem Genusse des Mazzes wird alles, was mit dem Gesäuerten sonst in Berührung war, wie Gift", gemieden. Geschirr, von der Schüssel bis zum Taschenmesser", oft selbst die Schnupftabakdose wird für die Osterfeier erneuert, respek­tive das Jahr über dazu aufgespart, besonderer Zucker, selbst besondere Cichorie wird angeschafft, das für gewöhnlich im Gebrauch gehaltene Geschirr wird sorgfältig in einen abgelegenen Raum eingeschlossen oder womöglich für die Osterzeit scheinver­kauft, und sogar angeblich gebildete" Rabbiner der breslauer Richtung empfehlen in der Synagoge diesen frommen Schacher schwindel, mit dem man dem Herrgott einen Gefallen zu tun meint. Soll alles mit rechten Dingen zugehen, muß der Mazzes bäcker mit seinen Gesellen, der Müller, der das Mazzesmehl mahlt, wie überhaupt jeder, der bei ihrer Herstellung irgend etwas zu tun hat, eine Menge Kleinlichster Vorschriften befolgen, nicht einmal der Schnitter, der die dazu auserlesenen Aehren schneidet, bleibt verschont.

Ein furchtbares Unglück ist es, wenn das Ostergeschirr mit irgend etwas Gesäuertem in Berührung kommt, etwa mit einem in einer Henne verborgenen Nahrungsbröcklein, das ja Gesäuertem entstammen könnte, dann müssen sofort die entheiligten Küchen geschirre, am besten alle Geschirre ohne Ausnahme, durch neue, völlig unschuldsreine ersezt werden.

Man sieht, die fromme Torheit ersteigt so ziemlich den Gipfel des Unsinns beim jüdischen Hauptfeste Pesach  .

Das nächste der jüdischen Hauptfeste ist Sukkoth  , Pfingsten, dieses leztere abstammend vom griechischen Pentekoste, d. h. der

( Forts. statt Schluß.)

fünfzigste Tag von dem dem Ostersabbat folgenden Tage an gerechnet, auch Chag haschabnoth, das Wochenfest genannt, weil es nach 3 Mos. Kap. 23, V. 15 sieben Wochen nach dem genannten Tage als Erntedankfest gefeiert werden soll. Dagegen feiert es das jezige Judentum als Fest der Gesezgebung, weil nach dem 2. Buche Mosis am 3. Monat nach dem Auszug aus Aegypten die Offenbarung am Sinai   geschah."

Bezüglich dieses Festes selbst wäre hier nichts besonderes zu erwähnen, wenn nicht der Talmud   auch diese Gelegenheit zur Offenbarung seines pfiffig- dummen Jesuitismus benuzt hätte. Dr. Rubens schreibt darüber: Es ist am Festtage erlaubt, solche Handlungen zu verrichten, welche unmittelbar zur Be reitung von Speisen gehören; also auch das Schlachten des Tieres, von dem man am Festtage essen will. Wenn nun eine Kuh 3. B. am Festtage in eine Grube fällt, und der Besizer befürchtet, sie möchte zugrunde gehen, so darf er sie heraufbringen unter der Bedingung, daß er sie schlachtet und noch am Festtage selbst ein Stückchen( eine Olive groß) davon ißt. Wie aber, wenn zwei Kühe hineinfallen, da doch gewiß eine für den Festtag reicht?! Da empfiehlt der Talmud   folgende List: man bringe zuerst die eine herauf, um sie zu schlachten. Ist sie oben, so sage man: ach, die ist mir nicht sett genug, ich will lieber die andre schlachten, und bringe dann die andre herauf."

Man sieht, für wie dumm der Talmud   seinen Herrgott nicht einmal, sondern immer wieder, solange es Juden gibt, halten muß, daß er glaubt, man könne ihn mit einer solchen List" hinters Licht führen.