Spiegel. Was war das? Jezt wurde es mir klar: der Zaunkönig war aus der Volière entkommen und mußte nun, sobald wie möglich, wieder eingefangen werden, da meines jüngsten Kindes wegen Nachtlicht brannte und der Vogel durch heranfliegen an dasselbe leicht zu Schaden kommen konnte.
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Indes dies fangen war leichter gesagt als getan. Ich errichtete mir 2 Gerüste, auf dem Bett und auf dem Sophatisch, doch stets schlüpfte der Vogel mit der ihm eignen Geschwindigkeit an mir vorüber. Das ging also nicht. Jezt versuchte ich es mit einer improvisirten Fahne, um ihn durch Ermatten zu bekommen husch, war er hinter dem Ofen, wo viel Papier lag. Behutsam nahm ich einen Bogen nach dem andern hervor, untersuchte auch das Ofenrohr, allein dort war kein Loch zu bemerken. Wo steckte der Vogel? Nochmals wurde das Papier durchsucht, und da inzwischen meine Frau erwachte, so mußte sie helfen. Plözlich, nach einer halben Stunde emsigen Suchens, sehe ich ihn wohlgemut an der Gardine sizen. Mit lautlosen Schritten näherte ich mich ihm, steige auf den Tisch, fasse aber, o weh, an die Karaffe hatte ich nicht gedacht: den Vogel erhaschte ich nicht, wohl aber fiel ich, sammt Wasserflasche und Tisch zu Boden.
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Hätte Wilhelm Busch diese Scene mit angesehen, er hätte wohl nicht seinen„ Hans Huckebein " geschrieben. Denken Sie sich das Bild: wir beide im tiefsten Negligée beim traulichen Schein der Nachtlampe in allen möglichen und unmöglichen Stellungen, verlacht von dem flinken Vogel wahrlich für einen Dritten ein Anblick zum TodtLachen.
Doch weiter. Wir oder vielmehr meine Frau erhaschten schließlich doch den kleinen Burschen, und er mußte wieder hinein in die Volière. Am andern Morgen wurde das Bauer abgerüdt, unter Hinzuziehung eines Tischlers untersucht, jede Drahtstange nachgesehen, alle irgend denkbare Ausgänge verwahrt. Auch blieb der Zaunkönig, trozdem die Fenster sogar Tags über geöffnet waren, ruhig in der Volière und beruhigt konnte ich mich am nächsten Abend zu Bett legen. Allein ich hatte die Rechnung ohne den Zaunkönig gemacht; wieder derselbe, doch noch viel komischere Auftritt von gestern. So ging es 8 Tage, täglich wurde die Volière abgerückt und untersucht, Abends dicht mit Tüchern ringsum verhängt, und doch war der Zaunkönig stets in der Nacht draußen, wenn nicht zweimal in jeder Nacht, so doch sicher einmal. Die Ruhe der ganzen Familie war dahin.
Doch ich eile, um Sie nicht zu langweilen, zum Schluß. Es war die lezte Nacht, die der Zaunkönig bei mir verlebte; ich hatte mir große und starke Bogen Papier mitgebracht, dieselben wurden rings um die Volière mit Reißstiften befestigt, und stillvergnügt vor mich hinlachend, wünschte ich meiner, wie ich, recht ermüdeten Ehehälfte eine geruhsame, gute Nacht.
Da Nachts um die 3te Stunde verläßt der Zaunkönig sein Haus. Die Ruhe war vorbei; ich fange auf's Neue die Jagd an, denn das Nachtlicht mußte des jüngsten Schreihalses wegen brennen bleiben; ich friege den Knirps nicht, er entwischt mir, als ich die Tür öffne, auf den Flur und von da in die Küche. So das ist recht, da bist du ungestört. Fenster und Abzugklappe werden fest geschlossen, reichlich Futter und Wasser bereit gestellt, und nun, gute Nacht Hänschen, hier kannst du toben.
Wir mochten 2 Stunden geschlafen haben, als das verwünschte Geräusch schon wieder begann. Ade für heute Nachtruhe! Der Vogel war während unsrer Vorbereitungen für sein leibliches Wohl wieder ins Zimmer geschlüpft. Nach langem Jagen und Suchen war er endlich eingefangen. In aller Frühe eilte ich zu meinem Freunde L. und überließ ihm den Zaunkönig. Dort lebt er noch heut ein angenehmes Dasein, und jedesmal betrachte ich ihn mit verhaltenem Grimm. Wie der Vogel aber immer nur Nachts durch das 8 mm. weite Drahtgitter entkam, während er bei Tag ruhig in seiner Behausung verblieb das weiß ich bis zu diesem Augenblick noch nicht.
In Nr. 29 brachte die„ N. W. " die Illustration eines ehemaligen Pfahldorfes im Züricher See. Durch den niedern Wasserstand der schweizer Seen begünstigt, haben nun neuerdings verschiedene Forscher Untersuchungen auf dem Seegrunde angestellt, die reiche Beute ergeben haben. Jakob Messikommer , der schon seit mehr als zwanzig Jahren den Untersee inbezug auf Pfahlbauten untersuchte und auf einer Stelle allein 300 Steinbeile gefunden, erhielt den Auftrag, wiederum in diesem See oberhalb dem Städtchen Steckborn Nachforschungen anzustellen, deren Resultat er in einem größeren Artikel in Nr. 19 des„ Ausland" zum besten gibt. Verkohlte Gegenstände fand er nicht, da das am betreffenden Ort einst gestandene Pfahldorf nicht durch Feuer zerstört wurde, welches Malheur einer solchen vorzeitlichen Wohnstätte in der Nähe nach Ansicht unseres Gewährsmannes zweimal passirt sein soll. Dagegen war der Fund an andern Gegenständen um so reichhaltiger. Er bestand auf einer Stelle in einer reichen Zahl von Stein- und Knochenwerkzeugen, Zierraten, Harpunen, unzerbrochenen Töpfen, Körbchen aus Weidengeflecht, Keulen, Bastgeflechte, Reste
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vom Bison, Biber, Murmeltier, Wild- und Torfschwein, Torfkuh 2c. An einer andern Stelle fand man eine Masse Gersten- und Weizenkörner, Feldhacken von Hirschhorn, Stein- und Knochenwerkzeuge, eine Harpune von Hirschhorn, die sich durch ausgezeichnete Schönheit auszeichnen und die alles übertreffen soll, was dem genannten Forscher bei seinem 25 jährigen Suchen vorgekommen. Außerdem wurden hier gleichfalls Zierraten und neben obigen tierischen Resten solche vom Hirsch, Reh, Schaf, Ziege u. a. gefunden. Nach Beendigung ihrer Forschungen vereinigten sich die Sucher von Steckborn und Feldbach zum fröhlichen Trunke, den sie aus einem soeben bei Feldbach gefundenen und 41/2 Liter fassenden Topfe zu sich nahmen. Interessant und von kulturhistorischer Bedeutung ist aber die Angabe unseres Gewährsmannes, daß derselbe in diesem Jahre gleichfalls an Stelle eines früheren Pfahlbaues gemusterte und einfache Gewebe, Fransen, Geflechte, Schnüre, Bändchen, Fäden, Aehren von Gerste und Weizen, Messer von Eibenholz( Taxus), Holzschüsseln u. s. w. gefunden habe. Diese oben genannten Gewebe und Geflechte gehören jedenfalls mit zu den ältesten nordischen Leistungen der textilen Kunst, die heute, allerdings mit den vorzüglichsten Hilfsmitteln, so großartiges leistet. Herr Messikommer ist daher auch der Meinung und darin stimmt er mit namhaften Kunsthistorikern überein daß die Kunst des Webens sowohl der gemusterten als auch der einfachen Stoffe, lange vor der Kenntnis des Metalls bekannt war und daß sie selbst älter ist wie die Pfahlbauten selbst und er wirft daher die Frage auf:" Wo waren diese Kolonisten vor der Erstehung der Pfahlbauten?" Bei Steckborn hat er dann später seine Forschungen fortgesezt und einen Schmuckgegenstand aus Quarzit, durch-. bohrte Eberzähne, kleine Töpfchen von 1/ 2-1 Liter Inhalt, Geflechte u. a. Der Pfäffikonſee hat heuer einen niedern Wasserstand zutage gefördert. wie noch nie. Die Pfähle der alten Pfahlbauten Robenhausen ragen deshalb meterhoch über den Wasserspiegel empor und man ist in der Lage, die unterste und ergiebigste Fundschicht auszubeuten. Die bisherigen neuesten Funde sind: Armdicke Stangen, verkohlte und unverfohlte Geflechte, Seile, Geflechte mit breiten Maschen, Feuersteinsägen in durchbohrtem Holzschaft und zahlreiche Reste von den obengenannten Tieren. Aber auch auf dem Grunde des Bodensees glaubt man noch viele und interessante diesbezügliche Funde zu machen und man nimmt aus verschiedenen Erscheinungen sogar mit Bestimmtheit an, daß sich noch gegenwärtig bei Konstanz tief unterm Wasser Pfahlbauten befin den, die längst da waren vor den andern schon entdeckten und zwar noch bevor sich der Rhein in das Becken des Bodensees ergoß. Ja, ein eifriger Forscher, Herr Leiner, ist sogar überzeugt, daß in großem Bogen in der konstanzer Bucht Pfahlbauten existiren und die Verbindungslinien dieser Pfahlbauten zu denen im Ueberlingersee und Untersee sich weiter ziehen." Der Forschung bleibt also bei allen bisherigen Erfolgen auf diesem Gebiete immer noch ein ergiebiges Feld ihrer Tätig keit, um das Leben und Treiben unserer alten Vorfahren der Gegenwart und Zukunft zu erschließen. Und so viel alte Kultur( das Seegartenmuseum zu Konstanz besizt allein 800 Nephritbeile!) schon vom Grunde dieser Seen zutage gebracht wurde, immer weiß man noch nicht, welch ein großes Stück Kulturgeschichte dort unter dem Wasser der Befreiung durch den nie rastenden Menschengeist harrt.
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Deutsches Reichsgeld, echtes und falsches.
nrt.
Troz des seinerzeit viel gerühmten Reichsgeldes ist in lezter Zeit ein recht hartnädiger Streit entbrannt, ob Beibehaltung der Gold währung einerseits und für Einführung der Doppelwährung andererseits. Wer in dem Streit recht hat ist noch nicht entgiltig flargestellt und soll dies hier auch nicht entschieden werden. Bei aller Bedeutung nun, welche das zirkulirende Geld als der den Warenaustausch vermittelnde Faktor hat, ist die Erledigung dieses Streites nicht von so großem Wert für das wirtschaftliche Leben, wie manche glauben wollen, und zwar auch dann nicht, wenn Heine recht hätte, indem er sagt, daß der, welcher nichts( d. h. kein Geld) hat, ein Lump ist. Ebenso einseitig ist aber auch der Ausspruch, das Gold ist nur Chimäre" das sollen wenigstens folgende Zahlen beweisen, über die seit Einführung des Reichsgeldes von den verschiedensten staatlichen Prägeanstalten veraus gabten Summen. Im Ganzen waren bis Ende 1880 in Reichsgoldmünzen ausgeprägt 1 747 239 095 Mart, und zwar 1 270 509 920 Mart in Zwanzigmarkstüden, 448 759 250 Mart in Zehnmarkstücken und 27 969 925 Mart in Fünfmarkstüden. Unter Zugrundelegung, der auf Grund der Zählung vom 1. Dezember 1875 ermittelten Bevölkerungs zahl von 42 727 000 Seelen wurden an Silbermünzen ausgeprägt bis Ende 1880 pro Kopf 10 Mark, d. i. in Summa circa 427 millionen Mark, an Nidelmünzen rund 35 millionen und an Kupfermünzen 92 millionen Mark. Eingezogen wurden an alten Landesmünzen bis Ende 1880 1080 486 138 Mark und wurde das darin ents haltene Silber teils verkauft, teils den deutschen Münzstätten als Prägematerial überwiesen. Beim Verkauf dieses Feinsilbers ergab sich für die Reichsregierung ein Verlust gegenüber dem Selbstkostenpreise von 125 797 574 Mark. Durch den bei der Ausprägung des neuen