Aus dem Vordergrunde des Tempels tönt die Stimme des Vorbeters, der eigentlich im Namen der Gemeinde betet und dem diese nur mit Amen antworten soll.

Aber das hat dem Frömmigkeitseifer der glaubensstarken Judenwelt bei weitem nicht genügt wie leicht könnte da der Herrgott auf den einer. oder andern seiner Getreuen vergessen!? Iten halten sie es für geraten, nicht nur selbst zu beten und sogar selbst laut zu beten, sondern häufig auch durch allerlei Spektakel, vorzüglich durch weimerndes Gesinge und Getriller die Aufmerksamkeit Jehovas auf sich zu zwingen. In allen Tonarten und Melodien brummen, grunzen, quietschen und quäken sie Männlein und Weiblein, furz es geht zu bei dem jüdischen Gottesdienste, wie- nun, wie eben nur in der Juden schule.

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Dabei hält der Vorbeter seine Kehrseite der Gemeinde zu­gekehrt. Weshalb? Nun, weil er nach Osten schauen muß, dahin, wo Jerusalem liegt und wohin sich der Jude pflichtgemäß immerdar zu sehnen hat.

Er betet hebräisch, sein Hebräisch klingt schauderhaft, denn die Juder halteu hartnäckig an der häßlichen polnischen Aus­sprache des Hebräischen fest, wie sie überhaupt an dem Hebräischen als der Glaubenssprache festhalten, obgleich die allermeisten von ihnen nichts davon verstehen und nur notdürftig die hebräischen Schriftzeichen haben lesen und schreiben gelernt.

Die Folge des Beibehaltens der hebräischen Sprache beim modernen jüdischer Ritus ist die nichtsnuzige Quälerei der armen Judenkinder in der Schule mit dem Unterrichte in der so schive zu erlernenden Sprache ihrer Ur- Ur- Urahnen.

Mit vollem Rechte weist Rubens darauf hin, daß diese Art, die hebräische Sprache zu treiben und sie zur Umgangssprache mit Gott zu machen, notwendig die Geister verflachen und die Gemüter abstumpfen muß.

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Beides ist auch eine Folge des gesammten jüdischen Gottes­dienstes. Derselbe kann sogar mit Recht als der fruchtbare Boden moralischer Korruption betrachtet werden, indem er in den Juden den Wahn wach erhält, daß sinnlecrer Gebetkram im Verein mit symbolischen Handlungen aller Art von närrisch­albernem Karakter hinreicht, Sünden zu tilgen und im äußersten Falle selbst Verbrechen in den Augen Jehovahs wieder gut zu machen.

Und wie sie Feinde jeder Moral sind, diese von unserm Judentum mit soviel Eifer festgehaltenen Formalitäten, so sind sie auch Feinde der Religion selbst, der sie dienen sollen. Wer fönnte ein tieferes Interesse für all' die Torheit im Geist und Herzen bewahren? Wer möchte nicht an dem Gehalte einer Re­ligion verzweifeln, der sich kaum eine einzige ihrer wichtigsten Ceremonien vernünftig zu begründen vermag?

Man läßt eben die Form stehen, wie sie steht, denn man

will den Alten und Abergläubigen kein Aergernis geben," da man ihren Zelotismus fürchtet, und da man absolut nicht weiß, was vom Judentum übrig bleiben sollte, wenn die längst hohl und leergewordenen Formen zertrümmert würden.

Der Kern ist verdorrt, die Schale ist morsch und angefault, aber sie ist das einzige, was vom heilig gehaltenen Glauben der Väter der Zeit standgehalten hat.

Nicht die Zweifelsucht der Menschen, nicht der Fortschritt des Wissens hat dem Glauben der Gesezgeber und Propheten des alten Testamentes das Grab gegraben, sondern seinen leben­digen Sinn, seinen herzerquickenden Gehalt hat die dicken Kruſte der frommen Sazung, die sich darum gelegt, erstickt. Der Rab­biner hochmütiger Aberwiz hat die jüdische Religion, die wei­land ehrwürdige Mutter des Christentums, dem Gespött der Weltkinder, dem Verdammungsurteil der Wissenden überantwortet. So tötet der Glaube den Glauben.

Im Kampf wider alle.

Roman von Ferdinand Stiller.

Nach vier Uhr des Morgens am nächsten Tage finden wir in rosig beleuchtetem Gemache Willibald David und Elfriede

Specht.

Wie er gesagt, hatte er mit dem Glockenschlage zwölf jene Tür geöffnet, zu der sie ihm den Schlüssel gegeben.

Mit den Worten:

" Ich habe allen unsern Leuten diese Nacht frei gegeben, mein Vater ist verreist, -wir sind ganz ungestört," hatte sie

ihn empfangen.

David hatte darauf nur mit gleichgültigem Kopfnicken ge­

antwortet.

Jezt, nachdem ihnen vier Stunden in wildem zügellosen Genusse verrauscht waren, lag Elfriede in schneeweißem Seiden­gewande, das über der vollen Brust von funkelnder Diamant agraffe notdürftig zusammengehalten war und ohne allen Schmuck, als eine dunkelrote Rose im aufgelöften, langhinabwallenden Hare, auf den niedern Divan ihres Boudoirs hingegossen, das schöne Gesicht heiß gerötet, die dunkeln Augen feucht glän­zend und blizend auf ihn gerichtet, der soeben mit überge schlaguen Armen vor sie hingetreten war.

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( 34. Fortsezung.)

Nun lasse ich dich nicht, Willi. Ich mahne dich an dein Versprechen. Ich würde dich, meinen ersten und lezten, meinen einzigen Geliebten, für einen Elenden halten und mit der Ueberzeugung, daß ich stärker war, als selbst du, stolz und höhnisch aus der Welt gehen jezt, sofort- das würde ich, Billi, so wahr ich diese Nacht in deinen Armen gelebt habe und selig gewesen bin."

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Ein leichtes Lächeln glitt über seine Züge, er neigte zustim­mend und befriedigt den Kopf.

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Sieh," fuhr sie in harmlosen Plauderton übergehend fort, indem sie eine mit reicher silberner Verzierung geschmückte Eben­holzkassette, die vor ihr auf einem jener winzigen Boudoirtischchen hier habe ich eines deiner ersten Ge­stand, öffnete, sich schenke," sie nahm den uns schon bekannten Salonrevolper heraus, , ich habe dafür gesorgt, daß er auf einen leichten Fingerdruck seine Schuldigkeit tue. Darunter liegen ein par kurze Zeilen an meinen Vater; ob er mit diesem Abschiede zufrieden sein,

"

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ob er sich grämen wird, ich weiß es nicht, so weit ich ihn kennen lernen konnte, ist bei ihm ein solches Gefühl unmöglich. Du siehst also Willi- einziger, heiß geliebter Mann, ich - ich erbitte bin bereit. Ich denke, wir verlieren feine Minute, mir nur noch die eine Liebe und Gnade, daß du mich zu deinen Füßen durch deine eigne liebe Hand sterben läßt."

" Und nun, Ella," sagte er finsteren Blickes, nun ist für mich das Lied zu Ende. Du kannst noch zurück. Nicht wahr," seine Lippen fräuselten sich verächtlich, als er das sagte, " nicht wahr, das Leben ist doch schön? Wenn man den Becher bis auf die Neige getrunken und ein par Tropfen auf die schmuzige nice.

Erde verschüttet sind auflecken,

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warum sollte man sie nicht auch noch

-es ist doch schade, wenn etwas von dem Baubertrante verloren geht."

Ueber ihr Gesicht hatte sich bei seinen Worten eine tiefe Blässe gelegt. Aber ihre Stimme klang fest und entschieden,

als sie antwortete:

Sie reichte ihm den Revolver hin und sank vor ihm in die

Sie legte ihr Gesicht einen Augenblick auf seine Füße, dann richtete sie sich wieder auf und sagte:

Noch eins. Wird dein Freund Stein noch einen lezten

Gruß von mir und meine Bitte um Verzeihung empfangen?" " In wenigen Minuten liegt sie mit meinem Abschiede in seiner Hand."