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Zecco nickte ihm zu und schritt ins Kassenzimmer voran. „ Es würde vielleicht gut sein, Master, wenn Sie eine Tasse schwarzen Kaffee zu sich nehmen wollten," äußerte jener.„ Der abscheuliche Nebel hat Sie zu sehr angegriffen, Sie sehen ganz erfroren aus."
„ Ja, ich bin einen Teil des Weges bis zur Bedfordstraße zu Fuße gegangen, weil ich weder ein Cab noch einen Omnibus fand, in dem für mich ein Plaz übrig gewesen wäre. Bei solchem Rebel kann man nicht mit Gewißheit darauf rechnen."
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Da haben Sie ein tüchtiges Stück Wegs gemacht, von Milford lane bis Bedfordstraße ist grade kein Kazensprung. Ich werde den Kaffee bestellen."
„ Aber rasch... und ein Glas Cognac dazu, diese Mischung wird mir wohltun, glaube ich."
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O keine Frage, Master Zecco," bejahte der Portier.„ Margarit soll ihn gleich bereiten, sie versteht sich prächtig darauf, unsre selige Signora Marcella war in dem Punkt immer sehr zufrieden mit ihr." Er lief eiligst zur Tür der Kassenloge.
" Wohin wollt Ihr?"
„ Ei nun Master, in dem kleinen Closet hinter der Kassen loge, wo Signora ihren Kaffee einzunehmen pflegte, will ich den Lehnstuhl an den Tisch rücken."
" Margarit soll mir den Kaffee in den Saal bringen. Eilt!" Mit ein paar Schritten verschwand der redselige Mann aus dem Kassenzimmer; Becco ging dem Saale zu. The er dessen Tür öffnete, überfam ihn ein Zucken, daß wie ein Blizstrahl seine kräftige Gestalt durchfuhr. Unwillkürlich wendete sich sein Kopf nach der Kassenloge zu, hinter der die verstorbene Signora ihre Schaale Kaffee zu trinken pflegte. Er atmete schwer auf, als mangle es ihm an Atem... dann fuhr er mit der Hand über die Augen, wie man tut, wenn das, auf was sie trafen, einen erschreckenden Eindruck bewirkt hat. Dieser konnte jedoch nur von sehr kurzer Dauer sein, denn von innen drückte jemand fräftig die Türklinke nieder.
" Vorsichtig!" rief Zecco.
Der Heraustretende war einer seiner Arbeiter, der mit großer Höflichkeit um Enschuldigung bat und ihm sogleich den vom Nebel durchfeuchteten schwer gewordenen Mantelfragen abnahm.
Sämmtliche Leute feines Ateliers waren versammelt, um zwei neue Tableaux aufstellen zu helfen, welche mit der biblischen Geschichte dieses Tages in engstem Zusammenhange standen und zugleich als eine besonders gute Spekulation in Beziehung auf die Schaulust des londoner Publikums berechnet war. Die Anbetung der drei Könige aus dem Morgenlande, ein plastischchönes Figuren- und farbenreiches Bild, das ausnahmsweise
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die englischen Herzen ergreifen mußte, welche ja, wie allgemein bekannt, religiösen Betrachtungen ungemein zugetan sind. Das zweite Bild bot, wenn auch nicht so farbenreich, als jenes, doch eine Veranschaulichung eins der erhabensten Ereignisse aus der Kindheit Jesu: seinen Besuch in seinem zwölften Lebensjahre im Tempel zu Jerusalem . Alles war zur Aufstellung beider Tableaux vorbereitet, und man legte, nachdem Zecco den Fieberfrost durch den Genuß des starken heißen mit Cognac ge= mischten Kaffees aus seinem Blute verdrängt hatte, Hand an die Arbeit. Die Blässe verschwand rasch aus dem Gesichte Zeccos, es wurde rot von dem heißen, starken Tranke.„ Das ist ein probates sicheres Mittel" sagte er leise zu sich... es nimmt Furcht und Angst weg und ist billig. Ich werde es allemal in Anwendung bringen, wenn mich ein solcher abscheulicher Zustand wieder überfällt... es hilft schnell."
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Das Ende der zwölften Stunde, als die Galerie um die beiden schönen Tableaux bereichert worden, war herangekommen. Zecco entließ die Leute, mtr zwei Aufwärter blieben bei ihm, um die Fußteppiche in Ordnung zu bringen und die Ruhestühle für das Publikum aufzustellen. Nachdem auch dies geschehen, war Master Zecco eben im Begriff, die Galerie zu verlassen, als aus den hinteren Sälen ein dumpfes Gepolter hörbar wurde. " Was ist das?" fragte er nach seinen beiden Leuten sich umsehend.
„ Ja, Master, wer fann's wissen?" entgegnete einer.„ Da muß etwas gefallen sein."
„ Kommt! müssen sehen, was es gewesen sein könnte." Sie schritten aufmerksam in den Sälen zurück... nirgends in den Tableaux war nur das Mindeste zu erspähen, was außer der Ordnung gewesen wäre.
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Das ist doch seltsam!" äußerte der Vorangehende.„ Ja, wenn ihr das Gepolter nicht auch gehört hättet, wollte ich glauben, ich hätte mich getäuscht."
,, Nein, wir beide haben es ja auch gehört," meinte einer der Leute und sein Kamerad sagte:„ das muß in der Verbrecherkammer gewesen sein, ich kann mir's nicht anders denken."
Während Master Zecco einige Augenblicke stehen blieb und in den Saal zurückschaute, den sie eben durchschritten, gingen die beiden Aufwärter voran und bald hörte er ihre Stimmen.. sie schienen die Ursache des Gepolters entdeckt zu haben. Nun erst eilte Zecco ihnen nach.
( Fortsezung folgt.)
Die pariser Salons und die Encyclopädisten.
Von C. Fehleisen.
Schon die Zeitgenossen betrachteten die Encyclopädie als das eingreifendste werk des Zeitalters, und sehr bezeichnend nannte Cabanis in der Einleitung zu seinem Buch über„ Die Beziehungen zwischen der Natur und der Moral des Menschen" die Encyclopädisten„ die heilige Liga gegen den Fanatismus und die Knechtung."
Daneben übernahmen die weitere Vermittlung der allgemeinen Bildung die Journale, welche vom Anfang des 18. Jahr hunderts in steigendem Zuwachs die mannigfaltigsten Kenntnisse in leichter und gefälliger Form ausstreuten, den Geschmack der Menge kultivirten und das Urteil über die Leistungen der Wissenschaft und Kunst kritisch abwogen.
Durch solche Vermittlungen wurde es möglich, auch die Frauen in den literarischen Prozeß hineinzuziehen. Im 17. Jahrhundert waren es fast ausschließlich Fürstinnen gewesen,
( 1. Fortezung.)
die sich daran beteiligt hatten, während im 18. die Frauen überhaupt, sofern sie schön und gebildet oder auch nur das leztere waren, Einfluß gewannen. Molière hatte die Kartesianerinnen des Hotel Rambouillet noch in seinen ,, Précieuses ridicules" verspottet, aber nun wurden die Frauen ein Hauptelement der literarischen Bewegung, indem sie sich mit Bewußtsein an die
Spize der Salons stellten, in denen Kritik über alles geflogen ward, oder indem sie die Bestrebungen eines Autors Jahre lang mit ihrer vertrauten Teilnahme förderten, wie Voltaire von Frau v. Châtelet, Rousseau von Frau v. Warens, Frau Dupin und der Marschallin v. Luxembourg , Diderot von Sophie Voland, d'Alembert von Frl. v. Espinasse, Marmontel von Frau Geoffrin angeregt und unterstützt wurden. Die Königinnen Frankreichs hatten sich nicht um Literatur gefümmert, aber Frau v. Pom
padour tat es.