Natur eine sehr lebhafte Einbildungskraft besaß, aber zu jener Zeit in Bezug auf ihre Gesundheit nur über einen gewöhn lichen Luftröhren- Katarrh und über etwas Verdauungsschwäche zu klagen hatte. Dagegen hatte Frau A. gewöhnlich vor ihren Visionen eine eigentümliche Empfindung in den Augen, die aber nach Aufhören der Täuschung verschwand. Frau A. sah zweifel­los das, was sie beschrieb, ihr Sehnerv, ihre Nezhaut, waren genau in derselben Weise erregt, als es der Fall gewesen wäre, wenn die Anwesenheit ihres Mannes, ihrer Freunde, oder einer Kaze die Ursache des auf ihr Sehorgan ausgeübten Reizes ge­wesen wäre, nur war es im vorliegenden Falle eine innere Ur­sache, welche die Reizzustände hervorgerufen hatte.

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Einen ähnlichen Fall berichtet von sich der große Denker Spinoza ." Als ich", schreibt er in einem seiner Briefe,, an einem Morgen, da es bereits tagte, aus einem sehr schweren Traum erwachte, schwebten mir die Bilder, die ich im Traume gesehen hatte, so lebendig vor Augen, als ob es wirkliche Ge­genstände wären, besonders das Bild eines schwarzen und aus­säzigen Brasilianers, den ich nie vorher gesehen hatte. Dieses Bild verschwand größtenteils, wenn ich, um mich durch etwas anderes zu zerstreuen, die Augen auf ein Buch oder auf etwas anderes heftete; sobald ich aber die Augen wieder von einem solchen Gegenstande abwendete und sie ohne Aufmerksamkeit auf etwas richtete, erschien mir dasselbe Bild des Mohren mit der­

Gottsched.

selben Lebendigkeit öfters, bis es nach und nach ganz verschwand." Spinoza führt dies als Beleg dafür an, daß alle derartige Visionen nichts als Täuschungen seien.

In die Kategorie der Illusionen scheint dagegen die Vision zu gehören, welche Goethe auf dem Weg von Sesenheim hatte, nach dem schmerzlichen Abschied von Friederike Brion . Er er­zählt den Hergang mit folgenden Worten: Nun ritt ich auf dem Fußpfade gegen Drusenheim und da überfiel mich eine der sonderbarsten Ahnungen. Ich sah nämlich, nicht mit den Augen des Leibes, sondern des Geistes, mich mir selbst, denselben Weg, zu Pferde wieder entgegen kommen, und zwar in einem Kleide, wie ich es nie getragen: es war hechtgrau mit etwas Gold. Sobald ich mich aus diesem Traum aufschüttelte, war die Gestalt ganz hinweg."

Walter Scott , sobald er des Morgens sich lebhaft an den Dichter Lord Byron erinnerte, sah diesen regelmäßig vor

seinem Bette stehen.

Die angeführten hinlänglich beglaubigten Beispiele, welche sich bedeutend vermehren ließen, mögen genügen, um zu be­weisen, daß ein großer Teil der kursirenden Gespenstergeschichten nicht durch optische Täuschungen, wie sie auch dem normalen Auge bei mangelhafter Beleuchtung vorkommen kann, sich erklärt, sondern daß ein wenn auch nur flüchtiger abnormer Zustand des Sehnervs die Erscheinung bewirkt haben muß.

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Götze.

herrühren, auch dann wieder hervorzurufen,( zu reproduziren, wie die Psychologie sich ausdrückt,) wenn die betreffenden Ob­jekte aufgehört haben, auf die Sinne zu wirken. Gesichtszüge und Gestalt der Bekannten wie überhaupt alle möglichen Ob­jefte kann sich Jeder mit dem inneren Auge sehr leicht vor­stellen, wie man auch eine gehörte Melodie mit dem innern Ohr reproduziren kann. Ja der ganze Denkprozeß geht dadurch vor sich, daß der Geist mit dem Papiergeld gedachter Worte ( statt mit der spartanischen Münze der realen Begriffe) operirt. Auch bei den übrigen Sinnen finden Reproduktionen statt, wenn sie auch minder lebhaft sind als bei dem Gesicht- und Gehörs­sinn. Die Sinneseindrücke hinterlassen also ihre Spuren im Centralorgan des physischen Lebens, im Gehirn, so daß sie be­liebig wieder erweckt werden können. Weil die Reproduktionen aber nicht im Sinnennerv selbst, sondern im Gehirn ihren Siz haben, sind sie weit blasser als die eigentliche Empfindung. In­dessen haben die Reproduktionen im Traum fast dieselbe Leb­haftigkeit wie die Empfindungen selbst, weil vermutlich im Traum die Reproduktionen bis zu den Sinnesnerven selbst vordringen. Halluzinationen sind nun aber nichts anderes als äußerst leb­hafte Reproduktionen, die nicht sowohl im Gehirn als vielmehr

in den Sinnesnerven selbst vor sich gehen.

Du weißt somit, lieber Leser und schöne Leserin, was von den Gespenstern und Gespenstergeschichten zu halten ist und wenn ſich je einmal ein Gespenst den Spaß machen sollte, dir zu er­scheinen, so denke an Herrn Nikolai und Frau A. Schreite beherzt auf die Erscheinung zu und das Phantom wird alsbald Reißaus nehmen. Gespenster sind nur denjenigen fürchterlich, die sich vor

Das in Rede stehende physiologische Phänomen wird den Karakter des Wunderbaren ganz verlieren, wenn wir die aller­gewöhnlichsten Vorgänge in unserem Geistes- und Empfindungs­leben näher ins Auge fassen. Was ist das Gedächtnis an ders, als die Fähigkeit, Eindrücke, welche von äußern Objekten ihnen fürchten.