der Mensch kommt wieder zur Besinnung über sich selbst. Die alten Anschauungen und Ueberlieferungen, welche vor ihr nicht Stand Halten, werden zertrümmert wie hohle Gözen. Obwohl die materialistische Philosophie noch niemals etwas gegen die bestehenden Geseze unternommen hat, so haben die Feinde der

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Vernunft sie doch seit Menschengedenken als Störerin der öffent­lichen Ruhe und Ordnung verschrieen, und es ist wahr- alle diejenigen, welche herrschen wollen, müssen sie hassen und fürchten, denn sie stürzt keine Jdole, wohl aber lehrt sie die Völker, solche zu verachten. ( Fortsezung folgt.)

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Die Satire der Alten. Von Dr. Richard Ernst.

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Der römische Dichter Juvenal  , der gegen die sittliche Ent­artung seiner Landsleute energisch zu Felde zieht und u. a. auch den Nachweis zu liefern sucht, daß die den Menschen am be­gehrenswertesten erscheinenden Güter häufig gefährlich und den Wünschenden selbst verderblich seien, erwähnt bei dieser Gelegen heit der beiden griechischen Philosophen Heraklit   und Demokrit  , über welche die Sage verbreitet war, daß der eine beständig geweint, der andere stets gelacht habe. Heraklit aus Ephesus  fand die menschlichen Schwächen und Torheiten tragisch, be­weinenswert; Demokrit   aus Abdera   fand sie komisch, lächerlich. Die genannten Philosophen können als Typus der beiden Arten oder Metoden angesehen werden, mit welchen erleuchtete Geister herrschende Irrtümer und Verkehrtheiten zu bekämpfen pflegen und zwar je nach dem Gesichtspunkt, unter dem sie betrachtet werden. Faßt man nämlich die intellektuelle Unvollkommenheit und moralische Verderbnis nach ihrer Wirkung in's Auge, blickt man auf das Unheil, das die Menschen sich und anderen damit zufügen, so wird man sich darüber tief betrüben. Sieht man aber davon ab und prüft sie lediglich auf den Gehalt ihrer Vernünftigkeit, so wird die Wirkung wohl keine andere, als eine erheiternde sein; denn das Wesen der Komik besteht eben darin, daß das Ungereimte, Zweckwidrige sich als vernunftgemäß und zweckmäßig geberdet, während ihm unbewußt die langen Esels­ohren aus der gravitätischen Löwenhaut hervorstehen. Mel­pomene und Talia, die tragische und komische Maske, sind keine Gegensäze, sie ergänzen sich wechselseitig. Indessen gibt es noch einen dritten, höheren Standpunkt der Betrachtung; es ist die philosophische Erkenntnis, welche die psychologischen Ur­sachen der menschlichen Fehler zu ergründen sucht, um sie mit der Wurzel auszurotten. Es ist der lichtvolle Standpunkt Spinoza's  , der den Grundsaz aufgestellt hat: Man muß die menschlichen Schwächen weder schelten noch belachen, sondern verstehen. Jezt will ich" heißt es im Eingang des 3. Buches der Etik zu jenen zurückkehren, welche die Seelenbewegungen der Menschen lieber verabscheuen oder verlachen, als verstehen wollen. Diesen wird es ohne Zweifel wunderbar scheinen, daß ich die Gebrechen und Torheiten der Menschen auf geometrische Weise zu behandeln unternehme und das in bestimmter Ordnung dartun will, wovon sie immerfort schreien, daß es der Vernunft widerstreite, eitel, albern und schrecklich sei. Aber mein Grund ist dieser: Es geschicht nichts in der Natur, was man ihr als Gebrechen anrechnen könnte, denn die Natur ist immer dieselbe und überall eine, und ihre Kraft und ihr Tätigkeitsvermögen ist dasselbe, d. h. die Geseze und Regeln der Natur, nach welchen alles geschieht und aus den einen Formen in die anderen ver­wandelt wird, sind überall und immer dieselben, und sonach muß auch eine und dieselbe Weise sein, die Natur irgend welcher Dinge zu verstehen, nämlich durch die allgemeinen Geseze und Regeln der Natur. Daher erfolgen die Seelenbewegungen des Hasses, Zornes, Neides 2c. an sich betrachtet, aus derselben Notwendigkeit und Kraft der Natur, wie das übrige einzelne, und hiernach erkennen sie bestimmte Ursachen an, durch welche sie verstanden werden, und haben bestimmte Eigenschaften, die unseres Verständnisses eben so würdig sind, wie die Eigenschaften eines jeden anderen Dinges, an dessen bloßer Betrachtung wir uns erfreuen." Der philosophische Kritiker läßt den Gegen stand seiner Kritik unlogisch erscheinen, der patetische sittlich

verwerflich, weil Böses wirkend, der satirische lächerlich, weil offenbar absurd. Und dies verleiht der satirischen Kritik ein Uebergewicht über ihre beiden Schwestern. Denn auch die­jenigen Menschen, denen mit Gründen nicht beizukommen ist, welche nicht belehrt sein wollen, mögen doch nicht lächerlich er­scheinen. Und auch der Vorwurf der Schlechtigkeit verlegt in der Regel das menschliche Ehrgefühl nicht so sehr, als das Prä­difat der Dummheit." Spott und Verachtung," sagt Schiller  treffend, verwunden den Stolz des Menschen empfindlicher, als Verabscheuung sein Gewissen foltert. Vielleicht daß wir einen Freund bevollmächtigen, unsere Sitten und unser Herz anzu­greifen, aber es kostet uns Mühe, ihm ein einziges Lachen zu vergeben. Unsere Vergehungen ertragen einen Aufseher und Richter, unsere Unarten kaum einen Zeugen."

Die Satire erweist sich darum nicht nur im individuellen Leben als wirksame Waffe, sondern auch im Völkerleben als kulturgeschichtliche Macht. Sie ist der Bliz, der im Verein mit dem Donner patetischen Ernstes die geistige Atmosphäre reinigt und die faulen Dünste hinwegfegt. Sie ist die Trompete Jericho's, vor welcher die Ringmauern der Torheit und des Aberglaubens zusammenstürzen, wenn der eiserne Widder der Polemik ver­gebens gegen sie angerannt kommt. Was den Keulenschlägen des Ernstes widersteht, erliegt dem Kizel der leichtbewaffneten Satire. Ja es gibt soziale Krankheiten, welche nur durch das schallende Gelächter des Satirikers geheilt werden können, wie jenes Rachengeschwür des Erasmus von Rotterdam, das aller ärztlichen Kunst spottete, aber unversehens plazte, als die Lektüre der epistolae virorum obscurorum( Dunkelmännerbriefe von Ulrich Hutten  , in welchen gegen die Finsterlinge aller Gattungen eine unbarmherzige und tiefeinschneidende Geißel geschwungen ward) den Kranken zu einem unbändigen Gelächter nötigte, wo­von Heine singt:

Der Erasmus mußte lachen So gewaltig ob dem Spaß, Dáß ihm plazte in dem Rachen Sein Geschwür und er genas.

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Vielleicht haben diese Briefe die Macht der Klerisei wirksamer erschüttert, als Luther's Tesen. Das Wort Satire, worunter gewöhnlich ein Spottgedicht verstanden wird, womit aber die Literaturgeschichte im weiteren Sinn jedes von Wiz und Laune belebte Gedicht bezeichnet, das fittliche Gebrechen kritisch be­handelt, sowohl das ernste als auch das scherzhafte, darf nicht, wie dies häufig geschieht, von Satyr abgeleitet werden, dem Namen der bocksfüßigen, hörnertragenden Halbgötter der griechisch­römischen Mytologie, welche, eine drollige Mischung von Gott  und Tier, in Wald und Gebirg hausten und, als Repräsentanten grobsinnlicher Lust, im Gefolge des Gottes Bachus aufzutreten pflegten,( wiewohl immerhin eine gewisse Beziehung des Namens Satire zu diesen Waldgöttern nicht zu verkennen ist). Das Wort kommt vielmehr von dem lateinischen satura her; so nannten die Römer ursprünglich die volle( gleichsam satte, satur= satt) mit Erstlingsfrüchten aller Art beladene Opferschüssel, die am Feste der Ceres, der Göttin der Feldfrüchte, derselben darge­bracht wurde. Die Bezeichnung wurde sodann auch auf anderes übertragen, was eine Mannigfaltigkeit von Bestandteilen umfaßt, auf Speisen sowohl, wie auf Gesezesvorschläge. Satura nahm also die Bedeutung: Allerlei, Gemengsel, Duodlibet an.