Besonders wurde so in Rom eine Art von Schauspielen genannt, welche nach Form und Inhalt das Merkmal der Zusammengeseztheit und Buntheit an sich trugen. Diese alten, dramatischen Saturae waren nach dem römischen Geschichtsschreiber Livius ein Gemisch von Wechselgespräch, Gesang und Tanz, ohne Einheit des Inhalts, vielmehr abhängig von der Laune und den Einfällen der Spieler. Der Inhalt bestand wohl aus gegenseitigen Spöttereien, Anzüglichkeiten aller Art, besonders auf Tageshelden und Tagesbegebenheiten, lustigen Geschichten, Wizen oft von zweideutigster Art, neben welchen immer noch Lebensregeln in Form von Sprichwörtern und Sentenzen Plaz finden konnten. Unter diesen mannigfaltigen Ingredienzien scheint die Richtung auf Verspottung von Personen und Buständen frühzeitig überwogen zu haben. Mit der fortschreitenden Bildung fand man jedoch die Saturae in dieser Gestalt gar zu ungeschliffen und da andererseits das nationale Bedürfnis dramatischer Volksbelustigung anderweitig seine Befriedigung fand, so verschwanden nach und nach die Saturae.
Der hierdurch erledigt gewordene Name wurde nun auf einen neuerstandenen Literaturzweig übertragen, der durch seine Eigentümlichfeit den Namen in be= sonderem Maße verdiente und welcher eigentlich die einzige originelle Schöpfung der Römer auf literarischem Gebiete ist, auf welchem sie sonst nur Nachtreter der Griechen waren.
Der erste, welcher den Namen in dieser Weise gebrauchte, war der vielgenannte lateinische Dichter Ennius aus Calabrien ( 240 bis 169 v. Chr.), der einem seiner Werke den Titel
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Sein
sonders in der Menge oft überraschender Sentenzen und sinnreicher Sprüche, in die er seine Lebensanschauungen und Erfahrungen einkleidet, um nach Art der Griechen uns Weisheit in die Seele zu singen, in so feinen und edlen Worten, daß man sie nicht vergessen kann. Sein Stil ist präzis und scharf, wie selten das Latein es zeigt, seine Sprache leicht, kernig, ohne Manier, voll treffender und klassischer Ausdrücke. Versbau, wodurch er die römische Dichtung mit den schönsten griechischen Rythmen bereicherte, ist durch musikalischen Wohlklang und einen prächtigen feierlichen Schritt ausgezeichnet. In der Form ist er den Griechen ebenbürtig. In seinen Oden*) steht er vor uns mit dem Gewicht, der Macht und Rundung, Majestät und Würde der römischen Sprache; diese feiert in ihm
Maori König Tawhiao.( Seite 560.)
Saturae„ Allerlei" gab, hauptsächlich darum, weil es Gedichte in verschiedenen Versmaßen enthielt. Erst bei seinem Nachfolger Lucilius ( 148-103), der in einer Zeit lebte, wo das öffentliche und Privatleben mit raschen Schritten seinem Verfall zueilte, gewann unter den vielerlei Stoffen seiner Saturae das etischund politisch- kritische Element die Oberhand. Auch Terentius Varro ( 116-27) hat in seinen Satiren, worin Verse und Prosa abwechselten, Sittenzeichnungen und Bilder aus dem Leben mit Heiterkeit, Wiz und Laune und in originellen Ausdrücken und Wortbildungen dargestellt. Zur Höhe künstlerischer Vollendung brachte diese Literaturgattung erst Horaz ( Duintus Horatius Flaccus( 65-8), der philosophische Dichter, wie Lessing ihn nennt, der Wiz und Vernunft in ein mehr als schwesterliches Band brachte und mit der Feinheit eines Hofmannes den ernstlichen Lehren der Weisheit das geschmeidige Wesen freundschaftlicher Erinnerung zu geben wußte und sie entzückenden Harmonien anvertraute. Horaz , von dem wir fünf Bücher Oden, zwei Bücher Satiren und ebensoviel Briefe bejizen, ist von jeher der Liebling der Kenner lateinischer Sprache gewesen. Sein Gedankenreichtum offenbart sich be
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ihren Hochstil, in natürlicher ihrem Genius antgemessener Weise. Seine Poesie, welche mit fernhaften, prägnanten Sentenzen reich gespickt ist, bewegt sich mit Gewandheit und Sachkenntnis auf allen Lebensgebieten, seine Muse ist bald ernst und tiefsinnig, bald heiter scherzend, bald lebensfroh und genußfreudig, bald in sich gekehrt und entsagend, bald singt sie vom unerbittlichen Schicksal der Sterblichen, bald von Wein, Gesang und Liebe, da predigt sie Mannhaftigkeit und Mut, Genügsamkeit und Einfachheit, dort fordert sie auf zu Sorglosigkeit und fröhlichem Lebensgenuß, und auch auf dem Gebiete der Politik weiß sie sich mit Grazie zu bewegen. Wie sehr man selbst im Mittelalter die Werke des Horaz zu schäßen wußte, zeigt u. a. der Gelehrte Staliger, welcher von zwei Ho raz'schen Oden, die er für süßer als Nektar und Ambrosia erklärte,
äußerte, er wolle lieber diese beiden Oden gemacht, als Spaniens Krone auf dem Haupte haben.**)- Am liebenswürdigsten, und wenn man will, am größten, ist Horaz in seinen Satiren, wo er sich mit seinem allerliebsten Epikuräismus, der übrigens mit manchem Tropfen stoischen Dels gesalbt ist, völlig gehen lassen kann. Horaz handhabt die Satire mit vollendeter Meisterschaft, weniger mit dem scharfen Messer des Borns in die gesellschaftlichen Schäden hineinschneidend, als vielmehr dieselben mit den hundert Nadelspißen der Ironie prickelnd; stets gehalten, maßvoll, lächelnd,
*) Ode ( gr. Gesang) ist ein lyrisches Gedicht im höheren Stil, schwungvolle Erhebung des Gemüts zu den höchsten Gegenständen des Daseins im Zustande der Begeisterung, eine Erhebung in das Ideale nach den Gesezen der Schönheit, ein Ausströmen des innersten und tiefsten Seelenlebens. Indessen läßt die Ode auch mittlere und gemäßigte Stimmungen zu, die stillen und ruhigen Gefühle der Ergebung und Betrachtung unter dem Hauche einer linden Begeisterung.
**) Der Britte Unterwood ging 1790 noch viel weiter; er befahl, eine Horaz 'sche Inschrift auf seinen Leichenstein zu sezen, bei seiner Beerdigung die lezte Strophe der 20. Ode des 4. Buchs und beim Leichenschmaus die 30. des 1. Buchs zu singen. Im Sarge hatte er einen Horaz in den Händen, einen zu seinen Füßen und einen a posteriori.