-
aber bei aller Artigkeit und Bonhomie dennoch die Leidenschaften und Lächerlichkeiten der Menschen mit unvergänglicher Wahrheit zeichnend. Habsucht, Geiz, Sittenlosigkeit, leppigkeit, maßlose Verschwendung, Erbschleicherei das sind die Fehler, gegen welche der Satiriker vorzugsweise zu Felde zieht; ein anderer großer Teil ist literarischen Gegenständen gewidmet; ein dritter beschäftigt sich mit eigenen Erlebnissen des Dichters, mit seiner Stellung zum Publikum, mit der Verteidigung gegen die Angriffe von Gegnern. Alles was der Dichter sich zum Stoff nimmt, behandelt er mit der heiteren Sicherheit eines feingebildeten, durchdringend scharfen und flaren Geistes, ohne sich zu ereifern, ohne grämlich zu werden, obwohl nicht ohne erkennbare Beteiligung des eigenen Gemüts. Den Eindruck der Mannigfaltigkeit, welcher für die Satura wesentlich ist, weiß Horaz durch reiche Abwechslung in den Einkleidungen und Darstellungsmitteln herbeizuführen, bald verwendet er zu diesem Zweck die Fabel, bald die Anekdote, ein andermal die Gnome, oder auch die Parodie, legt oft seine Worte cinem andern in den Mund oder dramatisirt das Ganze.*)
Um einen Begriff von der Form der Horaz 'schen Satiren zu geben, sei die siebente des zweiten Buches herausgegriffen. In derselben wird die Wahrheit:„ Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten" auf ergözliche Weise anschaulich gemacht, und zwar gibt der Dichter mit liebenswürdigster Jovialität seine eigene Person zum Stichblatt her, indem er sich von seinem Sklaven Davis, der die Redefreiheit der Saturnalien benüzt,**) tüchtig die Meinung sagen läßt und zwar in der Weise, daß der Sklave Recht behält, indem der Gebieter ihn nicht anders zu widerlegen weiß, als durch eine Drohung. Davus spricht zuerst im allgemeinen darüber, wie viel Mißbehagen sich die Menschen dadurch bereiten, daß sie in ihren Neigungen und Leidenschaften nicht wenigstens konsequent bleiben, sondern bald ins eine, bald ins andere Extrem ausschweifen, während der, welcher in seiner Torheit beharrlich aushält, wenigstens um diese Pein der Inkonsequenz minder übel daran ist.„ Längst schon hab' ich gelauscht," beginnt Davus den Dialog, und möchte dir etwas sagen, genire mich aber als Sklave." Horaz ge= stattet ihm, die dezembrische Freiheit zu benüzen und frisch von der Leber zu reden, was er denn nun auch tut. Manche
*) Die deutsche Literatur befizt mehrere Uebersezungen des Horaz im Versmaß des Originals. Wir nennen beispielsweise die von Ludwig, deren Einleitung manches im obigen Artikel entnommen ist. Neuerdings ist auch eine Uebersezung der Oden in modernen Versmaßen erschienen, ein plausibles Unternehmen, das auch auf die Chöre der griechischen Tragiker ausgedehnt werden dürfte, da dem modernen Chr jene komplizirten Rythmen nicht sonderlich musikalisch flingen.
556
**) Die Saturnalien waren ein vom 17. Dezember an gefeiertes, allgemeines Freudenfest, zum Andenken an die glückliche Regierung des mytologischen Saturnus in Latium , an welchem man einander Geschenke schickte, die Sklaven bei Tisch von ihren Herren bedient wurden und jedermann bei Essen und Trinken, öffentlichen Schauspielen u. dgl. sich ergözte. Bugleich feierte das Fest die Wiedergeburt der Sonne im Wintersolstitium am 21. Dezember. Bei den christlichen Völkern gewann es später als Weihnachten die Bedeutung der Geburt Christi ; da die Priesterschaft dem Bolte seine altgewohnten Feste lassen mußte, aber eine andere Bedeutung einschmuggelte. In den Standesbüchern von Jerusalem war der Geburtstag Jesu schwerlich gebucht, aus dem einfachen Grunde, weil die Juden damals von einer Matrikelführung nichts wußten.
-
"
-
Menschen beginnt er, sind standhaft in ihren Fehlern und steifen sich immer fester darin; viele dagegen schwanken und schwimmen hin und her, fassen bald das Rechte an und lassen sich dann doch wieder von der Strömung der Torheit ergreifen. Dies illustrirt der Sklave durch mehrere Beispiele bekannter Persön lichkeiten. Horaz unterbricht ihn: So sag doch endlich einmal „ Auf dich du Galgenstrick, wohin dein fades Geschwäz zielt. selbst." ,, Wie so, du Erzschlingel?" Du lobst antike Einfachheit und schwelgst in modernen Genüssen. Du preisest das Leben und die Sitten der Vorzeit, wollte dich aber irgend ein Gott in jene Zeiten zurückversezen, so würdest du dir das ganz gewiß eifrigst verbitten. Entweder glaubst du selbst nicht an das, was du predigst, oder du hast die moralische Kraft nicht, dich aus dem Morast aufzuraffen. Deßgleichen sehnst du dich in Rom beständig aufs Land hinaus; auf dem Lande dagegen hebst du das Stadtleben in den Himmel. Mußt du zu Hause speisen, lobst du den friedlichen Kohl und preisest dich glücklich, frugal leben zu dürfen. Schickt aber Mäcenas*) noch so spät des Abends zu dir und läßt dich als Zechgast einladen, so pressirts dir gewaltig. Da heißts: Licht herbei! schnell! Habt ihr feine Ohren? lärmst und polterst im Hause herum und rennst eilends davon. Nun, meinetwegen, ich gesteh's, magst du vielleicht antworten, mich gängelt der Bauch und meine Nase lechzet nach Schmorduft. Ja, ich bin schwachmütig, ein Wicht, wenn du willst, ein Küchenbeschnüffler. Du aber, der du mich schiltst, bist wahrscheinlich noch nichtsnuziger als ich. Ich aber sage dir: Nein, du, der Freie, zeigst dich unfreier, als ich, der Sklave, denn du bist ein Knecht deiner Lüste. Das zeigt sich auch in deinen Liebschaften und wenn du kein Ehebrecher bist, so fehlt dir ganz gewiß nicht der gute Wille dazu, sondern du fürchtest die Folgen. Du willst mein Herr heißen, der du in so Vielem und Wichtigem den Verhältnissen, Dingen und Menschen dich sklavisch beugst, der du der Leidenschaft schmählich dienst und dich wie eine willenlose Marionette an mechanischen Fäden von ihr ziehen läßt?!- Der Sprecher gibt nun eine Definition des Freien nach der stoischen Schule. ,, Wer ist frei? Nur der Weise, der sich selbst beherrscht, den weder Armut, noch Kerker, noch Tod schrecken kann, der den Begierden Troz bietet und Rang und Ehren mutig verachtet, der in sich selbst vollendet und nicht der äußerlichen Güter be= dürftig ist, so daß das Geschick ohnmächtig gegen ihn anstürmt. Findest du nun aber in dieser Schilderung irgend einen Zug von dir?" Um das zu beweisen, wird im Verlesen des Sündenregisters fortgefahren. Zulezt farrifirt er daraus seinen Herrn als einen launenhaften Karakter, der nicht ein Stündchen bei sich selbst ist, seine Muse nicht vernünftig verwendet und sich selbst wie ein Landstreicher flieht, indem er sich bald mit Wein betäubt, bald dem Schlaf in die Arme wirft. Hier reißt nun dem Herrn die Geduld und der Dialog endigt folgendermaßen: Horaz : Ist kein Stein bei der Hand? Davus: Wozu? Horaz ( fortfahrend): Nirgends Pfeile? Davus: Der Mann ist verrückt, oder er macht Verse. Horaz : Wenn du dich nicht augenblicklich packst, schick' ich dich als Sträfling aufs Land. *) Der reiche Gönner des Horaz .
( Schluß folgt.)
Gottsched, Götze, Lessing. Ein Stück Kulturgeschichte.
Solche Herrscher wie Friedrich Wilhelm in Preußen, oder wie die maßlos üppigen Auguste in Sachsen , deren gleichwertige Confratres die Eberhard Ludwig und Karl Alexander in Württem berg, überhaupt fast alle deutschen Fürsten und Herren waren, wären unmöglich gewesen, wenn das Volk nicht ihrer wert und würdig gewesen.
( 2. Fortsezung.)
In allen ihren Schichten paßte die Bevölkerung Deutschlands zu solchen„ Herren".
Der niedere Adel oder der, welcher nicht reich genug war, an den Höfen der Fürsten in stetem Saus und Braus zu leben, spielte auf seinen Gütern die Winkeltyrannen, eiferte in wildem Leben den Fürsten nach und überbot sie an Roheit und Unwissenheit.