Und weiter ritt ich, ohne Ziel, im Traum. Da schlug's empor am schwarzen Himmelssaum Sekundenlang in purpurroten Gluten. In ihrem Scheine weithin lag das Land Mir war, als hebe hastig eine Hand
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Den dunklen Flor von eines Herzens Bluten.
Da fiel ein Bliz, ein weißer Funke nur, Der durch die Wolfen, sie zerreißend, fuhr, Gedankenschnell und scheitelrecht von oben. Wie deine Leidenschaft war dieser Bliz, Blendend und rasch in Bügel hat und Siz Der Träumer unwillkürlich sich gehoben.
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Durch schwarze Hecken ging es dann im Schritt, Als mir in's Ohr ein leises Wimmern schnitt, Das matte Stöhnen einer Todesstunde. Darauf ein wilder, qualerpreßter Schrei Und dann mit einem male war's vorbei Und nur die Ulmen rauschten in der Runde.
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Ich ritt und ritt; der Morgen graute schon, Und eine Nachtigall in leisem Ton Hob in den Büschen schmelzend an zu schlagen. Von süßem Weh und gramumflorter Lust Sang wunderbar des kleinen Vogels Brust Und feuchten Auges lauscht' ich seinem Klagen.
Und immer näher kam der weiche Schall;
Ich spähte forschend über niedern Wall
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Und nicht den heißen Tränen wehrt' ich länger. Auf einem Grabe ohne Kreuz und Stein, Wüst und vergessen, sang von Liebespein Im wilden Fliederstrauch der kleine Sänger!
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So mahnte alles, bis die Nacht entwich, Stumm und beredsam, armes Lieb, an dich, Und an das Loos, das ich erkoren habe Süß wie in dunkler Nacht der Nelken Duft, Bang', wie ein Schrei, verwehend in der Luft, Ein Vogellied auf wild verwachsnem Grabe!
Schattenriffe aus der Kuliffenwelt.
Von Eduard Müller- Gauger.
1. Jolly, oder ha! welche Lust, Choristin zu sein! Dinorah ist eine halsbrecherische Oper. Ein Mechanikus tanzt auf einem Omnibus den Schattentanz und hat Lackstiefeln an. Eine frischmelkende Ziege aus der Nachbarschaft muß über eine hohe Holzbrücke laufen und Dinorah muß im vorlezten Aft auf einem Balkensplitter dieser Einstürzungsbrüde jählings in die Tiefe sausen. Aber die Dinorah ist ein Partie, die von der ersten Koloratursängerin gesungen wird und eine erste Koloratursängerin ist viel zu gut, um für dergleichen Maschineriespäßchen mißbraucht zu werden. Deshalb wird der lebens- und gesundheitsgefährliche Teil ihrer Partie einer Choristin übertragen. An jeder Bühne gibt es eine nach allen Regeln der Kunst ge= wachsene Choristin. Ihren hingegoffnen Leib erblidt Faust im Bauberpiegel der Herenküche. Dieselben Reize im Büßerhemd gehen als Gretthen am Drat in der Oper Margareta in die Sofitten; kurz, die fleischfarbnen Trikots sind das meiststrapazirte Garderobestück dieses Bühnenmitglieds.
Liebe Jolly", bittet der Direktor auf der lezten Probe von Dinorah die Venus von Milo seines Kunsttempels,„ liebes Kind, übernimm du die Rolle der Dinorah beim Zusammensturz der Brüde. Die Sängerin hat sich auf der ersten Probe falsch angehalten und deshalb ein wenig an der Brust wehgetan. Du wirst das geschickter machen. Es ist vollständig ungefährlich, mein Wort darauf."
Sie ist ein berliner Kind bei's Teater", gerissen, aber immer nobel. Was täte Jolly nicht, wenn sie liebenswürdig darum ersucht wird? Sie findet, erzählt sie ihm, fie habe sich diesmal ausnahmsweise für Chlor wollte sagen, Chor und kleine Rollen
und keine Rollen
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sie ver=
spricht sich gern und findet das wizig- engagiren lassen, weil sie zur Oper übergehen will. Sie teilt die Manie der Künstler, mit höheren lich 120 Mark Gage zu haben. Sie sagt selbst, es sei ihr Unglück, daß fie infolge ihres Auftretens in jedem Buz- und Confektionsgeschäft unbegrenzten Kredit hat.
Die natürliche Folge ist, daß sie wie eine Solistin gekleidet iſt, fannten gegrüßt wird; aber die natürliche Folge ist auch, daß sie mit unbezahlten Rechnungen viel zu kämpfen hat.
Es ist Jolly nicht möglich, eine Wohnung von weniger als zwei Zimmern zu bewohnen, wofür sie allein 20-30 Mark Monatsmiete zahlt. personal unbegrenztes Vertrauen, und Ringe, goldne Uhr, Kolliers und Ohrringe liegen Tag und Nacht unverschlossen auf Tisch und Kommode umber. Das Dienstmädchen der Wirtin darf einen zweiten, keineswegs schlechten Mantel von ihr tragen, wenn es Sonntags ausgeht, und durchmachen will, braucht es sich nur an Jolly von wegen des Hausund Korridorschlüssels zu wenden.
Jolly ist von Natur gesellig und die tabakgeschwängerte Luft der Kneipe ist ihr von Zeit zu Zeit dringendes Bedürfnis. Sie beherrscht das Gespräch. Wenn es ihr heiß wird und sie die Wirkung des Alkohol spürt, hat sie die eigentümliche Gewohnheit, sämmtlichen Goldschmuck abzulegen und ihn einem nüchternen Freund anzuvertrauen.
Jolly ist aber auch das gutherzigste, freigebigste Mädchen von der Welt. Sie hat im stillen schon manche Träne der Not beim Teater getrocknet, wofür ihr nie Dank geworden ist. Ueberhaupt verfolgt sie der Neid ihrer Kolleginnen überall. Sie könnte mitunter größeren Toilettenaufwand machen, unterläßt es aber, um Frieden zu haben.
Sie spricht wie sie denkt, geradezu wie eine gute Berlinerin, und ohne Falsch. Vielen drückt sie sich nicht gewählt genug aus. Daran liegt ihr verflucht wenig."
Wenn Jolly einen rechten guten Freund findet, zeigt sie ihm ihr Poesie- Album. Sie hat ihre Gedichte gemacht, wie jedes junge schwärmerische Mädchen, das eine kleine poetische Ader hat. Sie möchte gerne wieder welche machen, aber beim Teater wills nicht gehen. Sie kann an der Brust des treuen Freundes eine Stunde lang darüber weinen, daß sie von niemand auf dieser Welt verstanden wird.
Also meine Jolly saust abends bei der Vorstellung mit dem Balkensplitter in die Tiefe.
Die Maschinerien des Herrn X. versagen nie. Großartig! Das Publikum rast über den gelungenen Effekt. Der Herr Maschinenmeister muß an die Rampe und sich für den Beifall bedanken.
Indessen liegt die arme Jolly unten, hinter Felsstücken, hat den Fuß gebrochen, und kein Teaterarbeiter ist zur Stelle, um den schweren Balken vom Fuß abzuheben. Sie muß erst ein paar Schmerzensrufe ausstoßen, damit man ihr zu Hilfe kommt.
Welche Aufregung hinter den Kulissen! Nun muß man den Direktor umherlaufen sehen! Seine moralische Entrüstung über die unverantwortliche Fahrlässigkeit scheint wichtiger als der Schmerz, den Jolly verbeißt. Jolly muß vier Wochen zu Bett liegen, ehe sie mit dem gebrochnen Fuß auftreten darf.
Wie viel Liebenswürdigkeit entfalten nun die Kollegen und Kolleginnen! Einige machen Besuch und andere erkundigen sich beiläufig bei diesen nach dem Befinden.
Eines Tages kommt sogar der Direktor selbst, klopft Jolly die Backen, macht ein paar Scherzchen und versichert mit direktorialer GeWelche Ehre: der Herr Direktor wißheit, daß alles noch gut wird. selbst war da!
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Auch die Koloraturfängerin macht ihren Besuch, mit extra verweinten Augen und bringt süße Sachen, Eingemachtes u. s. w. mit. Jolly ißt so etwas ganz gern, aber diesmal hat sie eine gewisse Wut und kann nichts anrühren.
Aber die Kurkosten werden ihr doch bezahlt? Selbstredend. Der Teaterarzt ist für jedes Mitglied frei.
Die Hauptsache für Jolly ist, daß sie in sechs Wochen wieder Dienst tun und in acht Wochen wieder flott tanzen kann. Bom Krankenbett hat sie eine starke Heiserkeit mitgenommen. Die vielen Eisumschläge; eine Erkältung; sehr wahrscheinlich.
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