aus den Gesängen der Epiker, er prickelt selbst in der feier­lichen Lyrik. Insbesondere aber schärft er den Pfeil der Epi­grammatik und tränkt dessen Spize mit seiner äzenden Säure. Er tritt auch zuweilen in drastischer Form auf, wie bei dem wizigen Cyniter Diogenes, der z. B. die platonische Definition von Menschen, derselbe sei ein federloser Zweifüßler, auf hand greifliche Weise lächerlich machte. Er brachte einen gerupsten

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Hahn in die Schule und sagte: Sehet hier den platonischen Menschen. Als er einmal einen ungeschickten Bogenschüzen Scheibenschießen sah, stellte er sich gerade bei der Scheibe hin und bemerkte: Hier bin ich sicher, nicht getroffen zu werden. Eine beißende Satire, die auch im 19. Jahrhundert gut ange= bracht wäre, war es auch, als er am hellen Tage mit einer brennenden Laterne umherging und sagte: Ich suche Menschen.

Gottsched, Götze, Lessing. Ein Stück Kulturgeschichte.

die

Im Vorhergehenden haben wir die Zeit, in der die drei Männer wirkten, welche das Tema dieses Auffazes nennt, Zustände und Menschen, deren Leben und Streben, soweit es für den Zweck unserer Darlegung nötig schien, kurz zu karakterisiren ver­sucht.

Daß eine solche wie jede Kultur­geschichtsepoche sich in den Menschen, die in ihr gelebt haben, widerspiegelt, -wer sollte das nicht natürlich finden?

Sollte, sagen wir, denn es iſt eine tausendfältig zu beweisende Tat sache, daß die zur Gewinnung einer auch nur halbwegs vernünftigen Welt­und Lebensanschauung unerläßliche Ur­teilsreise sich nur bei wenigen Leuten entdecken läßt, jene Urteilsreife, welche den Menschen, eben so gut wie alles, was da ist in der Welt, als ein Ge­schöpf der ihn umgebenden Zustände, der ihn umwebenden, körperlich und geistig nährenden Welt auffaßt.

So ist es denn auch vielen Kindern der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr zu unrecht übel genug ergangen, da man über sie, ihr Dichten und Trachten, ihr Tun und Lassen urteilte, ohne den Boden in Betracht zu ziehen, dem sie entsprossen sind, die geistige Atmosphäre, welche ihnen die Keime ihres Denkens, die Befruchtung für ihr Wirken zuführte.

S

1. Gphets 31

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( 3. Fortsezung.)

Beginn der akademischen und schriftstellerischen Tätigkeit Gott­scheds ein wahrhaft vernichtendes Urteil.

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Unter Menfens( des Hofrat   und Herausgeber der nach Tho­masius Anregung in deutscher Sprache erscheinenden Acta eruditorum) Pro­tektion" schreibt Schlosser*) ,, ward Gott­ sched   anfangs ohne wahres Verdienst nur durch die Künste berühmt, wodurch schlechte Schriftsteller und elende Lehrer noch gegenwärtig groß werden. Er machte Partei, er lobte das Elende, er suchte den Lohn geistiger Arbeit nicht in sich, sondern außer sich in Ruf und Namen, er warb friechend, das Arm­selige lobend und befördernd, Anhänger, die auf seine Worte schwuren, er rezen­sirte; machte Lärm und Aufsehen. Wir haben schon oben bemerkt, daß er gleich­wohl durch Kleinlichkeit und Nieder­trächtigkeit der Nation und ihrer Bil­dung nüzlicher ward, als ein großer Geist unter den damaligen Umständen ihr hätte werden können. Ein großer Geist wäre dem herrschenden Pöbel unterlegen."

Wenn Schlosser hierin zugibt, daß Gottsched der deutschen Nation grade durch die Kleinlichkeit seines Strebens und die Niederträchtigkeit seiner Ge­sinnung und Handlungsweise befähigt worden sei, dem deutschen   Volke nüz­lich zu werden, so tut er dem Manne ent­schieden unrecht, wie nicht nur nach dem Stande der gegenwärtigen Forschungen geurteilt werden muß, sondern auch ohne diese, wenn man nur jene von uns oben gekennzeichnete Objektivität des Urteils walten läßt.

Der Liebesbrief.( Seite 572.)

Einer von denen, welche solche Un­bill in allerhöchstem Maße zu dulden gehabt haben, dessen Namen, soweit man von ihm überhaupt spricht, auch gegenwärtig noch vielfach mit ärgster Mißachtung genannt wird, ist der seinerzeit zu dem Gipfel menschlichen Ruhms emporgestiegene Professor der leipziger Universität, Jo­ hann Christoph Gottsched  .

Um die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts war er ein ganzes Jahrzehnt lang der unbedingt anerkannte Herrscher und Gesezgeber im Reiche der schönen Literatur Deutschlands  ,

ein Menschenalter später ward er allgemein als der Inbe­griff aller literarischen Torheit, als ein Muster, wie man nicht schreiben und literarisch streben dürfe, verschrieen und verachtet. Und nicht nur als ein ganz elender Schriftsteller galt er ein Jahrhundert lang, sondern auch als ein jämmerlicher Mensch, ein schlechter Karafter, der die Triebfedern seines Wirkens nur in niederer Selbstsucht gefunden und dem zur Erhöhung seines Ansehens auch die erbärmlichsten Mittel und Wege recht ge­

wesen seien.

Fällt doch selbst einer der gewissenhaftesten Geschichtsschreiber der neuesten Zeit, F. C. Schlosser, über den in die zweite Hälfte der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fallenden

Gottsched trat von vornherein mit der Absicht auf, die deutsche Sprache und dann auch die deutsche   Literatur, die, wie wir gesehen haben, beide sehr im argen lagen, zu reformiren. Das war gewiß nicht nur ein löblicher, sondern sogar ein großer Gedanke. Um ihn ausführen zu können, brauchte er eine ein­flußreiche Stellung, die er sich verschaffen mußte, so wie man sich damals eben Stellung und Namen erwerben konnte.

Er sezte sich daher mit möglichst viel einflußreichen Leuten in Verbindung, schmeichelte ihnen, widmete ihnen seine Schriften und bat sie um ihre Fürsprache; dann warb er sich durch seine 1725 beginnenden Vorlesungen als Magister auf der leipziger Universität und durch sein Wirken in der deutschübenden poe­tischen Gesellschaft" Freunde und Anhänger,- kurz er bemühte sich, vorwärts zu kommen und Einfluß zu gewinnen, wie es heute noch nicht blos schlechte Schriftsteller und elende Lehrer", sondern die meisten Schriftsteller und Gelehrten- schlechte und gute- tun.

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*) Geschichte des 18. Jahrhunderts. V. Aufl. Bd. I. Seite 569.