Angelegenheit in Schweigen zu begraben. Gab es doch noch einen Kummer, der sie hart ergriffen hatte, und den zu lindern, sie auch gar kein Mittel aufzufinden wußte, und dieser betraf ihren Vater.

Nachdem sie als geheilt aus der Privatkrankenanstalt ent­lassen worden, brachte Doktor Wolfgang sie nach einem ländlichen Aufenthalt, damit sie nicht nur dem vielen Gerede über ihres Vaters Schicksal entzogen, sondern auch durch das freie Land­leben wieder gekräftigt werde. Nur sehr allmälich schritt ihre Nur sehr allmälich schritt ihre Besserung vorwärts. Daß die Aermste die Spuren der über­standenen Blatternkrankheit noch so sichtbar in ihrem Gesicht trug, schreckte die Dorfleute von ihr ab, sie lebte einsam, eine Fremde unter Fremden, denn niemand ist herzloser als der Bauer gegen fremdes Leid. Die Amme, die bei dem Brand in der Apoteke einen schweren Fall getan und erst geheilt werden mußte, ehe sie ihre beschädigten Füße wieder gebrauchen konnte, war für das junge Mädchen ein wahrhafter Trost, wenngleich in deren Karakter sich manche Härten äußerten; aber Gretchen, daran ge­wöhnt, wußte wie das Rauhe in deren Benehmen zu deuten war und hatte die Ueberzeugung, daß diese sie trozdem herz­lich liebte.

Doktor Wolfgang erfüllte die ihm zugefallene schwere Auf­gabe, für sie, das Kind seines Wohltäters, zu sorgen, so weit er es vermochte. Ihres Vaters Schicksal mußte ihr, wenigstens in der ersten Zeit, ganz verschwiegen bleiben. Er erfand die Ausrede, daß Doktor Philipp wegen der Freundschaft, welche er mit vielen der ausgezeichnetsten Männer des Landes gepflegt habe, von der königlichen Regierung nach Hannover   berufen worden sei, welche daselbst eine Untersuchung veranstaltet have, in wie weit das Gerücht wahr sei, man wolle den König vom Trone stoßen und dem üblen Beispiele folgen, welches die Fran­zosen im vorhergehenden Jahre der Welt gegeben, indem sie ihren König, den zehnten Karl, mit sammt seiner Familie aus dem Lande gejagt hätten.

" Das tut mein Papa nicht, Wolfgang, du kannst es glauben," entgegnete Gretchen mit großer Bestimmtheit." Wird eine solche Untersuchung lange dauern?"

Kind, ich kenne das zu wenig, aber ich glaube wohl nicht. Freilich, es sollen über hundert Personen sein, welche nach Han­ nover   berufen wurden, indes das ist sicher übertrieben, denke ich."

Das junge Mädchen faltete erschrocken die Hände im Schoße und äußerte halblaut: Da werden gewiß viele darunter sein, die wie mein guter Papa unschuldigerweise dazu gekommen sind." Gar keine Frage; aber in's Unglück muß man sich ergeben, Kind, du siehst das ein."

Doktor Wolfgang erkannte die Notwendigkeit, Gretchen in eine Situation zu bringen, wo sie Anregung im Umgange mit Altersgenossinnen finde, und er war sehr erfreut, daß er sich des Ueber Meiers Hartschlag erinnerte, den Doktor Philipp vor zwei Jahren von schwerer mit dem Tode drohender Krant heit herstellte. Auch er hatte diesen kennen gelernt, da er oft als Stellvertreter für Doktor Philipp ihn besuchen mußte. Das gediegene Wesen Wolfgangs hatte den ehrenwerten Landmann zu seinem Freunde gemacht, und der junge Arzt war zu allen Zeiten ein gern gesehener Gast im Gehöfte dieses reichen Mannes.

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Was er von diesem braven Freunde erwartet, ging zu seiner Freude in Erfüllung; der Ueber- Meier erbot sich sofort, Gretchen und deren Amme zu sich zu nehmen, und die Uebersiedelung der beiden ließ nicht lange auf sich warten. Der Erfolg dieser Veränderung war, wie schon erwähnt, ein sehr günstiger für Gretchen. Es bot einen ungemein lustigen Anblick, auf der Tenne das übermütige Jungvieh einen dichten Kreis um die Mädchen bilden und aus deren Händen mit größtem Behagen das ihnen hingehaltene Salz lecken zu sehen... wie drängten sie sich einander zuvorzukommen und diese köstliche Labung mög­lichst mehrmals zu genießen, bis die stämmigen Mägde sie mit Püffen an ihre Orte trieben, wobei bedeutendes Gebrumm mit unterlief. Den Mädchen machte das ungeheuern Spaß und sie spielten dann Haschens auf der Diele bis zur Zeit, wo die Knechte mit den stattlichen Pferden kamen. An diese mächtig hohen Tiere wagten sich die jungen Mädchen natürlich nicht und stiebten, wenn sich's nur einigermaßen tun ließ, wie ein Flug junger Vögel auseinander in's Freie, das heißt in den Hof und von da in den Garten, wo sie sich ganz sicher geborgen wußten. Heute aber kam etwas dazwischen, was diesen Ausflug plözlich zum Stillstand brachte.

Der Ueber- Meier kam im leichten, von einem Gespann kräftiger grauer Sennerpferde gezogenen Wagen nach Hause und neben ihm saß Doktor Wolfgang. Dies unerwartete Wieder­sehen zwischen Gretchen und ihm war ein solch herzliches, daß der Ueber- Meier lachend sagte: Nu, nu, ich bleibe schon bei dem, was ich vorhin gegen Euch aussprach, Doktor, und wenn Ihr's zehnmal leugnet...' s ist doch wahr."

"

Seid auf dent Holzwege, Ueber- Meier, kein Gedanke da ran," antwortete Wolfgang. Werden später darüber sprechen, jezt ist Zeit und Ort nicht passend dazu."

"

" Bestreite das nicht," stimmte jener bei.

Sie stiegen aus; Gretchen hing sich in Wolfgangs Arm ein und führte ihn ins Haus in die von ihr und der Amme be= wohnte Räumlichkeit, Stube und Kammer. Das junge Mädchen hielt seine beiden Hände mit den ihren umschlossen und sah ihm eine Weile lang in die Augen, als wolle es durch sie in seine Seele schauen, dann fragte es zagend:

" Bringst du mir gute Neuigkeiten?"

"

" Je nun, Kind, die ich dir bringe. sind wandelfarben, wie so vieles in der Welt, nachdem man sie eben ansehen will." D, mein Gott, das sind gewiß recht schlimme Nachrichten, du fängst so seltsam an," äußerte Gretchen. D, sage sie mir gerade heraus, das ist lange nicht so schlimm, als diese trau­rige Einleitung."

Du hast recht, Kind," sprach der junge Arzt. Ich ver­heimliche dir also nichts." Und nach kurzer Pause redet er weiter:" Wovon ich nichts wußte und auch nicht die geringste Ahnung hatte, erfuhr ich zu meiner höchsten Ueberraschung, die mich so sehr mit Entsezen schlug, daß es lange dauerte, ehe ich mich soweit zu fassen vermochte, die schreckliche Nachricht, dein Vater sei als eines der Häupter der Verschwörung gegen die königliche Regierung zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden, zu glauben."

( Fortsezung folgt.)

Josef Garibaldi.

Garibaldi kam mit der Absicht, sich an der Nordküste der Insel Sardinien   niederzulassen. Aber als er dahin segelte, ward das Schiff, das ihn trug, von einem wütenden Sturm überfallen, als es sich schon in der Straße von Bonifacio befand. Mit Not und Mühe konnte man sich nach dem Hafen der Insel Maddalena   retten, derselben Insel, von der er 1849 durch die Regierung Viktor Emanuels vertrieben worden war. Er ließ sich von der Bewohnerschaft dieser Insel bestimmen, zu bleiben und wählte zu seinem dauernden Aufenthalt das durch ihn be­

( 2. Fortsezung.)

rühmt gewordene Caprera, ein kleines Eiland, das von Madda­ lena   durch einen schmalen Meeresarm getrennt ist. Mit seinem bekannten Waffengefährten Nino Birio, der in Rom   unter Gari baldi schwer verwundet worden war, baute sich der Verteidiger von Montevideo   und Rom   an. Er stellte sich ein einfaches Haus her auf dem Grund und Boden, den er mit seinen Ersparnissen sich angekauft, und lebte in dieser Einsamkeit, die Gedanken auf das Geschick seines Vaterlandes gerichtet und den Moment er wartend, wo er wieder in dasselbe eingreifen konnte. Wie oft