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mag der Held, dessen Name der feurigen Jugend Italiens immer noch wie eine Kriegstrompete flang, bei dem Tosen der gewal tigen Brandung der Stürme gedacht haben, die sein Vaterland noch zu erwarten hatte, während der Spiegel der glatten See ihn ermahnt haben mag, festzuhalten an seinen Idealen, denn wie in der Natur so auch im Völkerleben folgt die heitere Ruhe auf den Sturm.
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In Italien allerdings waren und sind auch wohl noch die Stürme nicht zu Ende. Die Kirchhofsruhe, welche die in den fünfziger Jahren hoch einherschreitende Reaktion den meisten der italienischen Staaten durch ein furchtbares Schreckensregiment aufgeprägt hatte, sollte kein Jahrzehnt dauern, aber Garibaldi ging das Elend Italiens so sehr zu Herzen, daß er an keinen baldigen Umschwung der Dinge glaubte und sich schon mit dem Plane beschäftigte, wieder nach Montevideo auszuwandern, als der erwartete Umschwung dennoch kam, freilich nicht so, wie man ihn erwartet hatte.
Die Freiheitsbewegung von 1848 war in Italien gründlich gescheitert und hinterließ dort weit weniger an positiven Errungenschaften wie anderwärts. Namentlich im Kirchenstaat und in Neapel wurde alles, was nur an 1848 erinnerte, mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Eine Menge von Todesurteilen und Hinrichtungen, 13 000 politische Gefangene und etwa 20 000 im Auslande weilende politische Flüchtlinge waren die Beweise für die Kraftleistungen der Reaktion im Kirchenstaat ; in den übrigen Staaten war es nicht besser, mit Ausnahme jener Länder, wo die sardinische Dynastie regierte. Der Papst entschädigte seine getreuen Untertanen, indem er ihnen 1854 das Dogma von der unbefleckten Empfängnis verkünden ließ. In diesen italienischen Kleinstaaten lag geradezu alles im Argen, die Verwaltung, die Finanzen, die Justiz, das Schulwesen und die öffentliche Sicherheit . Dazu hatte sich die katolische Hierarchie wie eine Kreuzspinne am Körper Italienes festgesogen. Noch beim Regierungsantritt Cavour's tam in Piemont, dem freisinnigsten Staate Italiens , auf 227 Seelen schon 1 Kleriker und das Land war übersät mit Mönchs- und Nonnenklöstern, deren Insassen von der armen Bevölkerung erhalten werden mußten. Der ganz naturgemäße Gegenstoß auf die elenden, aus der Zerrissen heit hervorgehenden Zustände Italiens war eine nationale Einheitsbewegung. Nachdem die Bewegung von 1848, welche die Freiheit Italiens nebst seiner Einheit erstrebt hatte, gescheitert war, ließ ein großer Teil der Italiener den Kampf um politische Formen und Freiheiten fallen und suchte zunächst die Idee des einheitlichen Italiens zu propagiren. Die im Jahre 1848 und 1849 von Desterreich in der Lombardei geschlagene Dynastie Savoyen stellte sich an die Spize der Einheitsbewegung, was insofern ganz natürlich war, als die Einheit Italiens für das Land zwar vorteilhaft, für die Dynastie Savoyen , resp. die Vermehrung von deren Hausmacht, noch vorteilhafter war. Sagte doch einst Viktor Emanuel :„ Man muß Italien wie eine Artischocke( d. h. blattweise) verspeisen." Cavour begann seinen Kulturkampf gegen den Klerus, welche Aktion in Piemont mehr Bedeutung hatte, als in Deutschland , denn in Piemont galt es noch Vorrechte der Geistlichkeit zu beseitigen, die man in Deutsch land schon zur Zeit der napoleonischen Herrschaft nicht mehr
fannte.
Die berühmten Verbannten Italiens mußten zu der Einheitsbewegung Stellung nehmen; Mazzini , der ehemalige römische Triumvir, blieb unversöhnlicher Republikaner; Manin, der Verteidiger von Venedig , der jene Lagunenstadt so lange hielt, bis die vom Mangel gepeinigte Bevölkerung sagte:„ Wir haben jezt nur noch das Fleisch Manins zu essen!" und der sich in Paris als Sprachlehrer fümmerlich ernährte, schloß sich der neuen Bewegung an. Sein Testament hieß:„ Schaart euch um Piemont!" Manin starb 1857. Garibaldi , der Einsiedler von Caprera , war kein Parteimann, er war nur ein Mann der Tat. Man hat viel geredet und geschrieben über die politischen Anschau ungen Garibaldis. Die ausschließlichen Parteimänner haben ihn unzuverlässig gefunden. Die Reaktionäre nannten ihn einen unverbesserlichen Radikalen. Die Radikalen beschuldigten ihn der
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Schwäche. Zweifellos ist, daß Garibaldi seine größten Taten nicht hätte vollbringen können, wenn er in den engen Rahmen eines bestimmten Parteiprogamms gebannt gewesen wäre. Die verschlungenen Wege hoher Politik waren dem ehrlichen Freischaarenführer gänzlich fremd; gegenüber den Ereignissen frug er einfach, was Italien von Nuzen sein könne und dafür zog er sein Schwert. Er war eben selbst eine Partei, eine friegführende Macht in Italien . Er wußte, daß von der Dynastie Savoyen für politische Freiheit nicht sonderlich viel zu hoffen war; daher seine Opposition gegen die verschiedenen Regierungen dieser Dynastie in Friedenszeiten und seine Abtrennung von der regulären Armee in den Feldzügen.
Die Einheit Italiens ohne die Desterreicher in Venedig und der Lombardei , ohne den Papst in Rom, ohne die österreichischen Vasallen in den italienischen Kleinſtaaten und ohne die Bourbonen in Neapel und Sicilien schien Garibaldi vorteilhafter mit der Dynastie Savoyen , als die Zersplitterung seines Vaterlandes und die Herrschaft der Desterreicher. Das war sein ganzes Programm, das er 1860 zusammenfaßte in die Worte:„ Italien und Viktor Emanuel !" Schwerlich konnte Garibaldi damals ein populäreres Programm für seine Aktion finden, und dies Programm allein hielt ihm den Rücken frei, sonst hätte er auf seinem Zuge nach Neapel bald andere Gegner gefunden als die Neapolitaner.
Wer diese Umstände begreift, der wird auch die Handlungsweise Garibaldis und seine Stellung zu den Parteien verstehen. Jm Bündnis mit Napoleon III. begannen Cavour und Viktor Emanuel 1859 den Feldzug gegen Desterreich. Der Dezemberkaiser, der als Präsident der französischen Republik zehn Jahre zuvor den General Oudinot gegen die römische Republik gesandt hatte, war für Garibaldi ein unüberwindlicher Stein des Anstoßes, und sein Groll stieg noch ungemein, als es bekannt wurde, daß man dem französischen Kaiser für seine Hilfeleistung Savoyen und Nizza versprochen hatte, wodurch auch Garibaldis Vaterstadt an Frankreich fiel. Dies hat Garibaldi bis an sein Ende nicht vergessen können, und noch auf seinem Sterbebett hat er sich mit äußerster Bitterkeit darüber ausgesprochen. Ohnehin sah Garibaldi ein, daß die von Viktor Emanuel mit Hilfe Napoleons eingeschlagene Politik nicht die Einigung Italiens , sondern nur die Vergrößerung Piemonts zum Ziele habe, da ja Napoleon III. mit seinen Bayonnetten den Kirchenstaat aufrecht erhielt. Gari baldi hielt sich darum grollend zur Seite, wenn er schon die Ansicht hatte, daß sich Viktor Emanuel an die Spize der gegenwärtigen Bewegung stellen und sie zum Siege führen müſſe.
Untätig bleiben aber konnte und wollte Garibaldi nicht, und vom Standpunkte des Grafen Cavour aus war es weise gehandelt, daß die piemontesische Regierung Garibaldi einlud, ein Freicorps zu bilden. Einmal wollte man Garibaldi beschäftigen, zum andern wollte man alle Kräfte gegen Desterreich in Bewegung sezen, und Cavour war nicht sehr wählerisch in seinen Mitteln. Er hielt sich rechts an Napoleon , links an Garibaldi . Der leztere mit seiner geraden und feurigen Natur faßte die Sache so ehrlich auf, wie er eben selbst dachte, reiste nach Turin und erließ einen Aufruf an seine alten Waffengefährten und an die italienische Jugend. Eine Reihe von glänzenden Namen des politischen Italiens schloß sich ihm an und die Jugend strömte ihm zu Tausenden zu. Aus den italienischen Einzelstaaten und den zu Desterreich gehörigen Gebieten kam massenhafter Zuzug. Man darf nicht glauben, daß die Freiwilligen Garibaldis aus Leuten bestanden hätten, die vielleicht nur Dienst nahmen, weil sie keine Existenzmittel im bürgerlichen Leben gewinnen konnten; alle Klassen der Bevölkerung waren in seinen Bataillonen vertreten. Der Name Garibaldi entfachte aufs neue die italienische Begeisterung zu stürmischen Ausbrüchen, noch bevor der Krieg begonnen hatte.
Mazzini verwarf sowohl die Unterstüzung Frankreichs , als auch die Führerschaft Viktor Emanuels ; er wollte Italien nur als große und starke Republik; Garibaldi , der momentan Mazzinis Ziel nicht für erreichbar hielt, wollte ein einiges und starkes Italien ohne Berücksichtigung der Regierungsform. Während