berin blühte und so mancher den Beruf fühlte, sich um sie und die Bühne verdient zu machen."

Darauf erwidern die Briefe die Einführung des englischen Geschmacks betreffend":

" Wie nimmts der Herr? Als sie noch jung war, als sie als Actrice auf dem Teater blühte? D! hier verrät der Herr Niemand seinen Mangel an Kenntnis vergangener Zeiten. Da­mals stand sie unter dem Direktor Hofmann und hatte nichts zu befehlen. Man konnte sich also nicht um sie durch die Ver­besserung der Bühne verdient machen. Es wird daher heißen sollen: Als die Neuberin   endlich über ihren Mann den Meister spielte und die Bühne unter ihrer Herrschaft blühte? Allein, das kann es wieder nicht heißen, denn damals war die Ver­besserung, wovon die Rede ist, längst unternommen und aus­geführt worden: sie hingegen hub eifrig an, durch allerlei wildes Zeug, durch Singen und Tanzen das Gute zu verderben. Es ist also nichts gesagt; es müßte denn ein unglücklicher Wiz da­hinterstecken sollen. Hofmann, wie gedacht, war Direktor der hiesigen Bande, nur es war um die Jahre 1725, 26 und 27, als ihm verschiedene leipziger Gelehrte, worunter auch Herr Professor Gottsched   war, rieten, etwas zur Verbesserung der hiesigen Bühne zu unternehmen. Man fragte ihn, warum er denn nicht die Stücke des Gryphius, Lohensteins und Hall­manns( also grade ältere deutsche Stücke, die sich vielfach dem von Lessing   bevorzugten englischen Geschmacke näherten) spielte? Allein er behauptete, es wäre unmöglich, weil sie in Versen wären. Verse, sprach er, lassen sich heutzutage nicht mehr aufs Teater bringen; und überhaupt sind diese Stücke zu ernsthaft und ohne lustige Person: der Chöre, die sie haben, nicht zu gedenken. Man mochte ihm nun sagen, was man wollte, so blieb er dabei, es lasse sich nicht tun.-

Anno 1728 zerschlug sich diese Gesellschaft in Hamburg  , wo sie damals war, und der größte Teil der Komödianten blieb beim damaligen Harlekin Müller, der sich zum Haupte aufwarf. Neuber aber kam mit 4 Personen nach Leipzig  , in Absicht sich hier festzusezen. Das Schlimmste war, er hatte keinen Har lekin. Man fragte ihn daher nach den damaligen Begriffen voller Verwundrung, was er doch immer ohne Harlekin machen oder wo er einen herkommen wollte? Ich werde einen haben, war seine Antwort, Sie werden ihn sehen, ich werde gewiß einen haben!- Er eröffnete sein Teater und siehe da! er selbst, das leibhafte Gegenspiel vom fleinen, gewandten Harlekin er­schien in der lustigmachenden Jacke: worinnen er noch um die Hälfte schwerfälliger und hölzerner aussah, als er schon wirklich war. Man kann sich leicht einbilden, wenn man anders Neubern gekannt hat, daß er dieser lustigen Person wenig Ehre gemacht haben wird. Inzwischen, so schlecht ihm anch sein Unternehmen gelang, so wollte er sich doch nicht entschließen, diesen wichtigen Posten mit einem würdigeren Subjekte zu besezen. Warum das? weil er an Hofmanns Beispiel gelernt hatte, daß der Harlekin allezeit Herr von der Bande und ihrem Haupte sei, und ihm trozen könnte, wann er wollte.

Aus Furcht also, über seine eigne neue Bande bei irgend einer fünftigen 3wistigkeit nicht Herr zu sein, wagte es Neuber, den Harlekin ganz abzuschaffen, und man sieht hieraus, daß Neubers eigener Nuzen alles das getan, was Ihr Freund gerne Gottscheden zuschrieb. Er und andre Freunde des guten Ge­schmacks wünschten diesen kühnen Schritt mehr, als daß sie ihn hofften. Ja, mit aller angewandten Mühe, und mit allen ihren Ratschlägen würden sie das nimmermehr ausgerichtet haben, was der Eigennuz hier so leicht bewerkstelligte. Die feierliche Ab­dankung dieser Hauptperson gehörte also einzig und allein dem Neuberischen Wize an, ohne daß Herr Professor Gottsched   einen andern Anspruch daran zu machen hat, als daß er solche längst gewünscht, dazu geraten und die Vollziehung mit Vergnügen gesehen."

Gingen nun diese Gottscheds Sache mit viel Geschick und, wie wir eben gesehen haben, stellenweise sogar mit entschiedenem Erfolg verfechtenden Briefe auch nicht aus Gottscheds eigner Feder hervor, so enthielten sie doch gottschedische Gedanken, denen wie

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Danzel wahrscheinlich richtig vermutet, seine Kluge Frau Adel­gunde Vittorie Gottsched, geborene Kulmus, die gewandte und ansprechende Form verlich.

Noch in einer andern sehr bedeutsamen Beziehung ist Gott­ sched   unterschäzt, oder vielmehr sein Verdienst ganz übersehen worden.

Gottsched, der bis heute von den meisten der Literaturkunde Beslissenen für einen ideenlosen Pedanten gehaltene Gottsched ist der erste gewesen, welcher die Idee einer deutschen Gesammt­literatur gefaßt hat.

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Die Aufgabe, welche die Streiter und Heroen der deutschen Schriftwelt des 18. Jahrhunderts von Klopstock   bis Goethe ge­löst haben indem sie mit Bewußtsein und Absicht eine Literatur schufen, welche in ihrem Wesen dem ganzen deut­schen Volfe angehörte und in ihrem Aeußerlichen dem ganzen Volke zugänglich war, diese Aufgabe hat Gottsched   zuerst angedeutet, ihre Lösung angebahnt.

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Auch in dieser Richtung ging freilich Lessing sogleich einen hochbedeutungsvollen Schritt über ihn hinaus nicht nur eine gemeinsame Literatur, wie Gottsched  , verlangte er für das deutsche Volk, sondern er schuf eine eigenartige, dem Karakter unseres Volkes entsprechende Literatur.

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Aber auch hier muß Gottsched   als verdienstlicher Vorläufer unserer Kulturepoche anerkannt werden, nicht wie es stets geschah, als verächtlicher, verdammens- oder belachenswerter Vertreter der alten überwundenen jämmerlichen Literaturzeit. Von weitaus anderer Art als Gottsched war der zweite Gegner Lessings, welchen die N. W." gleich jenen ihren Lesern im Bilde vorgeführt hat.

Johann Melchior Göze   war seines Zeichens ein Pfaff', oder um anstatt dieser anrüchigen Bezeichnung eine an sich un­- ein Streiter der Kirche. verfängliche zu gebrauchen In der freien Reichsstadt Hamburg   waltete er seines Amtes als ortodox luterischer Hauptpastor an der St. Katarinenkirche. Hier lernte ihn Lessing kennen. Ueber die erste Begegnung mit diesem Manne Gottes vermerkte Lessing   in seinem Tage­buche:

" Den 24. Januar 1769 habe ich den Senior Göße zuerst persönlich kennen lernen. Ich besuchte ihn auf seine wiederholte Einladung und habe einen in seinem Betragen sehr natürlichen und in Betracht seiner Kenntnisse garnicht unebnen Mann in ihm gefunden."

Lessing   wiederholte seine Besuche, unterhielt sich mit dem Pastor über mancherlei gelehrte Dinge und ließ sich wohl mit­unter dessen gute Rheinweine trefflich munden.

Daß Göße schon damals mit gutem Grunde im Rufe eines blindwütigen Eiferers für christlichen Buchstabenglauben galt, genirte ihn damals nicht; dem tüchtigen Bibliographen und leid­lichen Kunstkenner und Münzverständigen ließ er seine teologischen Schrullen vorläufig noch hingehen.

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Göze war auch nicht schlimmer als sehr viel andre seines wo in aller Welt fände Berufes wie aller Berufe und Zeiten; man keinen Rechthaber, keinen Rezerverfolger, keinen Menschen, dem der ärgste überlieferte Irrtum nicht weit lieber wäre als die erhabenste, neuentdeckte Wahrheit?

Aber Göße hatte die für ihn zum Verhängnis gewordene Dreistigkeit, sich Lessing entgegenzustellen, als er voll heiligen Ernstes und gewaltiger Geisteskraft an die Untersuchung ge­gangen war, was an der christlichen Religion Wahres sei, und diese Dreistigkeit büßte er mit dem Fluche einer Lächerlichkeit, die bestehen wird, solange die deutsche Literatur lebt. Grade zu jener Zeit im Beginn des lezten Drittels vom vorigen Jahrhundert tat eine ernste Untersuchung der Christenreligion auf ihren Wert not.

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Einerseits ließ die luterische Ortodoxie ihrer Herrschsucht und Verfolgungswut ungestraft den Zügel schießen, andererseits suchten seichtbentlige Rationalisten dem alten derben, aber wurmstichig werdenden Glaubenschristentum mit der Tünche ihrer Vernünf­telei ein neues reputirliches Ansehen zu geben, jene geschäftigen Sammler all der tausenderlei Stäubchen und morschen Fädchen

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