-

ten. Guzkow sagte mir einmal: Ich habe mir in Berlin   die Finger wund geschrieben, ehe ich des ersten Honorartalers ansichtig wurde. Noch bessere Dinge wußte Holtei zu erzählen, namentlich von Theodor Hell  ( Abendzeitung") und von Ferdinand Philippi( Merkur  "). Als er von lezterem einmal ein Honorar für eine gelieferte Novelle und etliche Gedichte verlangte, drohte ihn dieser wegen Injurien zu ver= flagen. Nun erst August Lewald  . Er sagte mir einmal: Als ich nach dreijähriger Tinteverschwendung in Hamburg   für den Druckbogen drei preußische Taler empfing, machte ich einen Luftsprung. Also, guter Freund, Geduld. Die Traube wird mit Füßen getreten, wenn sie Nektar spenden soll...."

-

Im Jahre 1847 übernahm er die Redaktion eines unter dem etwas geschmacklosen Titel Zeitung für die elegante Welt" zu Leipzig   er­scheinenden belletristischen Blattes, dessen Leitung er bis zum Jahre 1859 behielt; daneben gab er das ,, Wiz- und Karrikaturen- Magazin" ( 1848-1850), den ,, Leipziger Telegraph"( 1855), den ,, Ameisenkalender" ( feit 1853 bis zu seinem Tode) heraus und war ferner für zahlreiche Zeitschriften und Taschenbüchern, wie den von Herloßsohn redigirten ,, Komet", den ,, Dorfbarbier" von Ferdinand Stolle  , den ,, Charivari", den Leuchthurm" von Ernst Keil  , das Familienjournal", die ,, Gar­tenlaube", mit deren Anfängen sein und Ferdinand Stolle's   Namen noch verknüpft ist, die Fliegenden Blätter  " 2c. 2c. literarisch tätig. Im Laufe der Jahre hat er eine schier außerordentliche Menge von Ro­manen, Novellen, Satyren, Humoresken, dramatischen Schriften, Opern­texten, Jugendbüchern und Gedichten veröffentlicht. Von Anfang an karakterisirte sich die von ihm eingeschlagene Richtung dadurch, daß er seine Stoffe meist aus dem Volks- oder Künstlerleben entlehnte. Troz aller Mühsal, die er gerade in dieser Stadt zu ertragen hatte, dachte er doch immer mit besonderer Liebe an Leipzig   zurück ,,, die Stadt" wie er sich einmal gegen mich äußerte ,, wo ich vierzig Jahre verlebt habe und jeden Pflasterstein fenne." Mit Herloßsohn, dem weichherzigen Dichter des volkstümlichen Liedes: Wenn die Schwalben heimwärts ziehen," Ferdinand Stolle  , Adolf Böttger   und dem Komponisten Lorging bildete er eine edle, durch innige Freund­schaftsbande verknüpfte Gemeinschaft, man sieht, mit Männern, deren, Denken und Trachten im Volke wurzelte, und die eben darum dem leẞteren liebgeworden sind. Sie haben wacker manches gemeinsame Leid miteinander getragen, und sind auch mitsammen aus voller Seele fröhlich gewesen. Laut und ausgelassen genug ist es bisweilen her­gegangen, wo sich die im Besize einiger Groschen schon übermütige Künstlerverbrüderung einfand; man wußte in jenen Jahren, wo die Gelehrten des ,, Dorfbarbier" und der Komponist von Bar und Zim­mermann" eine unerhörte Popularität genossen, sich in Leipzig   manches davon zu erzählen. Wehmütig erwähnte er in seinen Briefen an mich oft jener Leipziger   Jahre. Im November 1876, nachdem er wieder einige Tage daselbst verweilt, schrieb er mir: In Leipzig  , wo ich meine Jugend verbracht und so viele Jahre gelebt, wanderte ich oft mit selt­samen Gedanken durch die Straßen. Die alten Freunde alle tot. Ich stand an den Gräbern von Herloßsohn, Adolf Böttger  , Roderich Bene­dig, an dem Denkmal von Karl Zöllner- alle im Reiche der Schatten, mit denen man gelebt in guten und bösen Tagen. Alle gestorben als arme Teufel, troz ihrer Mühen, was leider auch das Loos von Guzz­kow sein wird, welcher mir noch unlängst seinen neuen Roman: Die neuen Serapionsbrüder" für das Feuilleton der ,, Dr. Pr." anbot, um solchen noch einmal zu ,, berkloppen". Auch so ein armer Erdenringer, dem man dereinst ein Denkmal sezen wird" 2c. Dann zwei Jahre später, am 11. November 1878: Heute vor siebenunddreißig Jahren hielt ich bei dem Leipziger   Schillerfest die Festrede mit dem von Lorging fomponirten Melodram am Schluß. Nach mir sprach Robert Blum  . Wo ist die Zeit hin?" Und im Januar des vorigen Jahres, wo ich einige Monate in der Redaktion der Neuen Welt" tätig, in Gohlis  weilte: Im Sommer 1842 wohnte ich mit Robert Heller vier Monate in Gohlis  ; Georg Herwegh   Inipp zwei Tage bei mir. Adolf Böttger  tam alle Tage heraus und las mir seine Byron- Uebersezung unter Ver­tilgung diverser Döppchen" vor.... Ach, fönnte ich diese Zeit zurück­rufen; es waren herrliche Tage, wenn mich Herloßsohn, Marggraff, Karl Beck 2c. besuchten und wir hinüber nach Eutrißsch oder nach Möckern   wanderten...."

Im Jahre 1859 siedelte er nach Dresden   über und trat in die Redaktion der Dresdener Nachrichten" ein, zu deren Verbreitung er durch seine humoristische Feder das allerwesentlichste beigetragen hat. Nachdem er 1872 diese Stellung aufgegeben, war er dann noch einmal für das Feuilleton der fortschrittlichen ,, Dresdener Presse" redaktionell tätig. Während dieser Zeit wurden die ersten Fäden unserer gegen­seitigen Beziehungen geknüpft. Es war im Oktober 1874, als mein

612

erster Brief, unter Beischluß eines Manuskripts für das Feuilleton der ,, Dresdener Presse" an ihn abging. Er antwortete beinahe umgehend mit einem überaus freundlichen Schreiben; es hatte nichts von jener unangenehmen Glätte und geschäftsmäßigen Kälte, die solchen Mit­teilungen in der Regel eigen ist, und die man bei längerer journali­stischer Tätigkeit mit dem großen Drang der aufreibenden Redaktions­beiten zu entschuldigen sich gewöhnt. Er plauderte gleich frisch und vertraut aus der Seele heraus und erfreute mich mit mehreren interes­santen Nachrichten über den unglücklichen Stürmer und Dränger, Christian Dietrich Grabbe  , auf den sich meine für den Druck ein­gesandte Arbeit bezog. Er teilte mir mit, daß er ,, vor länger denn zwanzig Jahren eine Art Novelle geschrieben habe, worin das Treiben Grabbe's in Leipzig   vorkam." Er wohnte erst am Zuchthauspförtchen, später in der Burgstraße. Der Dr. Naundorf schildert ihn mir als einen genialen, aber etwas lüderlichen Menschen. Im kleinen Kuchen­garten wischte er den mit Kaffeetunke überschütteten Tisch mit seiner Müze ab.... Professor Amadeus Wendt   gab mir auch ein Bild von ihm; sodann später einmal Immermann   und der Schauspieler Reger. Die Idee, Schauspieler zu werden, hegte Grabbe   schon in Leipzig  , als er bei Wendt eines seiner Lustspiele vorgelesen, wo er so unbändig ge­schrieen, daß Wendt ihn beschwor, sich zu mäßigen.... Nach Jmmer­manns Rede ist es falsch und als eine Lüge zu bezeichnen, daß er den Dichter habe Rollen abschreiben lassen, um ihm etwas Verdienst zu­kommen zu lassen. Er habe alles getan, um den Gesunkenen aufzu­richten, der bis mittags zwölf Uhr im Bette gelegen habe und dann- gepichelt.. Tied war später ihm feindlich gesinnt, nachdem ihm Grabbes Schrift: ,, Ueber die Shakespearomanie" zu Gesicht gekommen. Im, Gothland empörte ihn die Stelle: Sokrates   und Nero sind von gleichem Wert."*)

*) Vgl. die Tragödie Herzog Theodor von Gothland  , IV. Aft, 1. Szene. ( Schluß folgt.)

Der heilige Kreuzberg   in Colorado.  ( Illustration 5. Seite 605.) Colorado  , ein Territorium der Vereinigten Staaten   von Nordamerika  , 1861 aus Teilen von Kansas  , Utah  , Nebraska   und Neumexiko gebildet, wird durch seine Felsgebirge in 3 natürliche Regionen geteilt. Unter diesen Felsgebirgen sind solche, welche bis über die Schneelinie empor­ragen. Die Natur, welche sich bisweilen in seltsamen Formspielen ge= fällt, hat einem dieser Berge das Symbol der Christenheit aufgeprägt; indem nämlich eine vom Gipfel des Berges abwärts laufende Rinne von einer Querrinne durchschnitten wird. Der Schnee, der sich in diesen Rinnen ablagert, bildet so das Zeichen eines weißen Kreuzes, und fromme Seelen haben hier Gelegenheit, allerlei erbauliche Phantasien an den Mann zu bringen. Auch Europa   hat seinen heiligen Kreuz­ berg  . Es ist der höchste Berg der Rhön   bei Bischofsheim  , 931 m hoch, mit breitem, kahlen Gipfel, auf dem ein 26 m hohes hölzernes Kreuz steht, zum Gedächtnis des Kreuzes, das der heilige Kilian, der Apostel Frankens, schon 668 hier aufgepflanzt haben soll.

Literarische Umschau.

St.

Schauen und Schaffen. Neue Gedichte von Albert Möser  . Stutt­ gart  , 1881. Verlag von Levy und Müller.

Möser   ist keiner von den Duzendpoeten, wie sie auf Weihnachten  in zierlichen Go dschnittbändchen den Büchertisch unsicher zu machen pflegen. Das erkennt man sogleich, man mag das Buch aufschlagen wo man will. Sind wir auch weit davon entfernt, ihn Goethe oder Schiller an die Seite zu stellen, wie es von manchen Kritikastern ge­schehen ist, so dürfen wir ihn ohne Bedenken den Dichtern vom Range Platens anreihen, an den auch seine Formgewandheit in Bewältigung schwieriger Rhytmen lebhaft erinnert. Die kunstvoll gefeilten Verse von musikalischem Wohlflang schmiegen sich als anmutiges Gewand um Ge­danken voll Hoheit und Würde, die überall den Stempel eines ächten, nicht erheuchelten Idealismus an der Stirn tragen. Möser   ist Idealist im schönsten Sinne des Wortes, und weil die reale Welt dem Jdea­lismus auf Schritt und Tritt Hindernisse bereitet, darum trägt die Harfe des Sängers einen leichten Trauerflor, ein pessimistischer Grund­ton durchklingt seine Lieder, der aber feineswegs patologisch gesteigert ist.

-

-

St.

Inhalt: Verschlungene Lebenswege. Roman von Franz Carion.( Forts.) Josef Garibaldi.( Forts.) Edle Liebe. Novelle. ( Forts.) Gottsched, Göße, Lessing. Ein Stüd Kulturgeschichte.  ( Forts. statt Schluß.)- Der Volksschriftsteller Theodor Dvobisch. Ein Ge­denkblatt dem Heimgegangenen. Von Dr. Max Vogler.( Mit Jllustration.) Der heilige Kreuzberg   in Colorado.  ( Mit Illustration.)- Literarische Umschau: Schauen und Schaffen.

-

Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser   in Stuttgart  . Redaktion: Neue Weinsteige 23.- Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart  . Druck und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart  .