namentlich den Dichter Virgil schäzte, der in wohlflingenden Versen die Urgeschichte Roms geschrieben und sie mit höflischer Schmeichelei gegen die kaiserliche Familie der Julier durchwürzt hatte. Als der Dichter am Hofe eine solche Stelle verlas, die den Tod des Marcellus , des Sohnes der Octavia, feierte, soll diese so gewaltig ergriffen worden sein, daß sie ohnmächtig niederfiel. Ebenso dichterfreundlich gesinnt war des Kaisers Tochter Julia und seine Schwiegertochter Antonia, die Gemahlin des Drusus .
Neben dem Kaiser ist sprichwörtlich geworden als Kunstpatron C. Cilnius Mäcenas , ein gutmütiger, wenig friegerischer Lebemann und geistiger Feinschmecker, bekannt durch die zäheste Liebe zum Leben, die er auch in einigen uns erhaltenen Versen aussprach:
,, Lahm will ich sein an Händen und Füßen, an Hüften und Schenkeln, geschwollen und bucklig und wackelzähnig wenn ich nur leben darf! das genügt. Leben laß mich und sollte ich auf schneidendem Holzesel reiten." Bei ihm schwärmten die Schöngeister aus und ein wie Tauben im Taubenschlag und fanden stets offenes Herz, offenes Ohr und offene Tafel; freilich hatte er auch Geschmack und nahm nicht jeden ersten Besten ungeprüft mit offenen Armen auf. Dafür sah er aber nicht auf Stand und Rang, sondern nur auf Geist und Fähigkeit.
Am meisten Hahn im Korbe bei ihm war der bekannte Dichter Horaz , der liebenswürdige Schüler der griechischen Liedersänger und geistreiche Plauderer in Episteln und Briefen.
Natürlich hob die kaiserliche Protektion auch dagegen die Geltung der Dichter bei dem Volke. Moderne Dichter fanden sogar in der Schule Eingang. Und der bissige Epigrammatiker Martial freut sich, vor dem Schicksal bewahrt zu sein, daß ihm ein aufgedunsener Schulmeister mit frächzender Stimme diktire und er jungen Mägdelein und braven Jungen ein Greuel werde.
Der Schiller jener Zeit, dessen Verse in aller Welt Munde waren, ist Virgil , dessen größtes Gedicht die Aeneide , das Lied von Aeneas , Roms Ahnherrn, durch den Inhalt, alle Verse durch lieblichen Wohlklang, für den alle Romanen so ein feines Ohr haben, Herzen und Ohren aller gewonnen hatte. Verse aus seinen Dichtungen waren an alle Wände der Häuser gefrizelt, auf Schilder der Wirtshäuser und Kaufleute gemalt als Motti, auf Grabsteinen und Gastgeschenken angebracht. Sein nationales Epos wurde zu Drakeln benuzt, wie man etwa bei den Arabern den Koran , bei uns die Bibel aufschlug und aus der zufällig getroffenen Stelle Lüftung des Schleiers der Zufunft sich versprach. Virgils Geburtstag galt in den schöngeistigen Salons für einen Festtag und ward mit solennen Feierlichkeiten begangen. Das literaturgeschichtlich Bedeutsame dieser Epoche ist die Erschaffung der neuen klassischen Dichtersprache, welche unter Augustus vor sich ging. Cicero hatte die Prosa zur höchsten Glätte und Eleganz entwickelt, Virgil und Genossen taten der poetischen Sprache diesen Dienst und machten sie frei von den Fesseln der Steifheit und Härte, welche den älteren Werken anhaftete.
Die Gönnerschaft des Kaisers schloß aber keineswegs absolute Censurfreiheit in sich. In politischen Dingen ließ auch Augustus nicht mit sich spaßen, namentlich in seinen späteren Jahren, da er durch Verlust seiner engeren Freunde griesgrämlich geworden
war.
Das erste literarische Autodafé traf die sämmtlichen Werke des feurig republikanisch gesinnten Geschichtsschreibers Titus Labienus , den man wegen seiner Bissigkeit Rabienus, d. i. den Wütigrasenden, nannte. Als er einst eine Vorlesung über neuere Geschichte hielt, überschlug er einige größere Abschnitte mit den Worten:" Das, was ich jezt weglaffe, wird man nach meinem Tode lesen." Gekränkt durch das Schicksal, das man seinen Büchern bereitet hatte, starb er turze Zeit darauf, weil er seine Werte nicht überleben wollte. Sein Busenfreund Cassius Severus sprach damals das giftige Wort: man solle auch ihn lebendig verbrennen, da er die Schriften des Labienus auswendig wisse. Diese Bücher wurden natürlich nun nur um so eifriger gelesen, heimlich abgeschrieben und um so massenhafter verbreitet. Es
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bewahrheitete sich das Wort des ernsten Tacitus:„ Belachenswert ist die Torheit derjenigen, welche durch gegenwärtige Gewalt vermeinen, das Andenken der Nachwelt vernichten zu können. Es steht vielmehr fest, daß die Verfolgung der Geister ihr Ansehen erhöht"*).
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Diese Zustände erklären aber den servilen Karakter der Poesie jener Tage:" Besing Mäcenas Hund und friß dich satt!" Ovid mußte ein indiskretes Wort mit der Verbannung nach Tomi, einer Stadt am schwarzen Meere, büßen. Ungeheuer aber war der Zudrang selcher Versifere, welchen die Brust von , Gesinnungstüchtigkeit" schwoll. Alle Welt fast litt an Dichteritis;" Knaben von 14 Jahren schrieben griechische Tragödien, wie der jüngere Plinius späterhin, Virgil sang sein Lied auf die Mücke als 16jähriger Fant, Ovid konnte schon als Junge nur in Versen reden! Die Schule bereitete das ja vor: man las und fabrizirte Verse! Juvenal sagt, er sei Dichter geworden „ aus Notwehr;" er wolle nicht immer zum Hören verurteilt sein und zur Milde gegen die Legion Dichterlinge um sich herum.
II. Die Rezitationen.
Ein so hörlustiges Volk wie die Römer huldigte nicht unfrem ,, taubstummen Lesen" mit den Augen, wie J. Grimm diese Gepflogenheit unsrer Gegenwart treffend genannt hat. Die öffentliche Beredsamkeit hätte eine Bühne nach der andern verloren; da traten als Ersaz die Vorlesungen von Kunstreden und Dichterwerken ein. Als Vorleser fungirte meist der Verfasser selbst, teils um unmittelbar den Beifall als Schriftsteller und Deklamator einzuheimsen, teils um für seine Werke Reklame zu machen. Ort der Handlung war das Haus des Rezitirenden oder im Unvermögensfalle ein Saal eines wohlhabenderen Freundes desselben, vielleicht auch eine gemietete Räumlichkeit. Wir sehen, zu verdienen war nichts. Man lud mündlich oder durch„ Visitenkarten" ein: Si commodum wenns gefällig, wenns paßlich ist, stand darauf zu lesen.
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Der Redner mußte südlich lebhaft gesticuliren und starkes Mienenspiel ins Treffen führen. Oft betrat ein solcher die Bühne mit Wollbinde um den Hals, um Heiserkeit zu fingiren und angeblich die Hörer um Nachsicht für mangelhaften Vortrag zu bitten; oder wie Juvenal sagt, zum Zeichen, daß er weder reden noch schweigen fönne!" Auch sonst wurde auf glänzendes Auftreten viel gegeben; in blendend weißer Feiertagstoga, die Haare wohl frisirt und gekräuselt, mit verbindlichem Lächeln auf dem Antlize, mit schmachtenden Blicken und allerlei Drehungen des Halses gleich einem Wendehals erschien der Held; dann begann in möglichst süßen schmelzenden Tönen der große Aft, der leider oft dem Vorleser den meisten Genuß bot, ja oft vielleicht nur ihm!
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Der Spötter Juvenal ging in der Selbstironie so weit, daß er einem zu seiner eignen Vorlesung von ihm Geladenen eine Binde für die Ohren mit der Einladung zugleich schickte. Nicht entzückt zu sein oder nicht einmal zu scheinen galt für eine Unhöflichkeit gegen den Spender des Ohrenschmauses. Zwischenrufe des Lobes und der Bewunderung, Händeklatschen,„ Aufstehen von den Sizen, Kußhände," waren übliche, bestimmtest erwartete Beifalls bezeugungen. Auch die Claque existirte bereits. Der Dichter selbst oder ein Gönner stellte handstarke und kehlenfeste Freigelassene an den Ecken des Saales auf, welche zu gewissen Zeitpunkten ihre Beifallssalven losbrennen mußten. Da man in Rom statt„ bravo" griechisch sophos rief, nannte man diese Herren Sophosrufer oder Sophoklesse, was ein hübsches Wortspiel gibt mit dem Namen des Sophokles, des berühmtesten Tragödiendichters Athens . Wir sind sogar über das Honorar der Claqueure unterrichtet: Plinius der Jüngere erzählt, daß seine Sklaven für den Vortragstag 3 Denare etwas über 2 Mark bekommen haben.
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