haben uns gelehrt, daß eine allmälige Steigerung der elektrischen Reizung der Herznerven die Empfindlichkeit abstumpft, und so eine plözliche Unterbrechung der Herztätigkeit verhindert. Auch ist es nicht ohne Grund, wenn man sagt, daß eine lange Angst das Herz schwer macht; die schmerzlichen Eindrücke können, wenn sie lange dauern, das Herz nicht zum Stillstand bringen, aber sie erschlaffen und ermüden es, verzögern die Schläge, rauben ihm die Fähigkeit, sich vollständig zusammenzuziehen; die Herz muskel ist schlaffer und weiter, und es entsteht daher in der Herzgegend das Gefühl der Volligkeit und Schwere. Das wirkliche Gewicht des Herzens freilich wird nicht alterirt, weshalb es auch im Volksmunde heißt:„ Mein Herz ist voll und doch nicht schwer, mein Herz ist leicht und doch nicht leer."
-
-
Nicht anders ist es mit den freudigen, beglückenden Empfindungen. Ein angenehmer Eindruck, der uns trifft, durchleuchtet das Gehirn nur wie ein einziger Strahl, ohne sich in ihm aufzuhalten; aber bevor noch der Eindruck zum Bewußtsein gekommen, ist er bereits dem Herzen mitgeteilt: es erfährt einen furzen Anhalt, dann schlägt es fräftiger gegen die Brust, mächtiger treibt es das Blut nach dem Gehirn, das Gesicht rötet sich es„ strahlt" vor Freude die Gesichtszüge werden frisch und kräftig.„ Die Liebe macht das Herz stärker schlagen, ist nicht blos ein poetischer Ausdruck, es ist auch eine physiologische Wahrheit und die Worte:" Ich liebe dich von ganzem Herzen!" bedeuten physiologisch: deine Gegenwart oder die Erinnerung an dich erweckt in mir einen Nerveneindruck, der sich auf mein Herz überträgt und durch dasselbe im Gehirn ein süßes Gefühl und eine leidenschaftliche Erregung hervorruft, vorausgesezt natürlich, daß das Gefühl ein aufrichtiges ist, sonst
"
24
-
-
, weiß das Herz nichts davon" und die Liebe schwebt nur auf den Lippen. Allzu häufige und allzu heftige Gemütsbewegungen und Leidenschaften sind nicht nur aus den oben angedeuteten Gründen unserer Gesundheit nachteilig, sie lassen uns auch nur zu leicht unsere geistige und sittliche Freiheit einbüßen, ja platten auch selbst unsere Gefühle ab. Daran zu erinnern, ist gerade in der gegenwärtigen Zeit notwendig, wo beinahe alles darauf angelegt scheint, uns vor lauter Affekt nicht zum Leben kommen zu lassen und wo die Gefahr, am Leben selber zu sterben, vielleicht größer denn je ist. Sehen wir doch die Künste der Bühnen, Musik und Poesie leider nur allzu sehr nach Mitteln greifen, die nur geeignet sind, Nerven und Sinne eines moralisch und physisch abgeſtumpften und verkommenen Publikums zu überraschen, zu erschüttern, zu betäuben und uns mittels solch großen Effekts gleichsam gewaltsam in den Zustand des Affekts hineinzureißen.
-
Andererseits freilich wäre nichts törichter, als unser Inneres vor allen Gefühlserregungen bewahren zu wollen. Das hieße wiederum nichts geringeres, als überhaupt aufhören zu wollen, ein Mensch zu sein. Unser ganzes Leben besteht ja nur aus diesem Wechsel von Gegensäzen, von Bewegung und Ruhe, von Freud ' und Leid. Aber Aber Maß in diese Bewegungen zu bringen, das innere Gleichgewicht, die innere Harmonie zwischen Kopf und Herz, zwischen Geist und Gemüt zu schaffen, zu be haupten: das ist nicht. blos das Ideal, sondern die wirkliche, unerläßliche Aufgabe des sittlich strebenden Menschen, die er in jedem Moment seines Lebens zu verwirklichen hat. Leicht freilich ist diese Aufgabe nicht und„ nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muß."
Zu Oppenau war ein Geiger, Der lustige Geiger im Land, Hat alle Wirtshauszeiger Auf zwanzig Meilen gekannt.
Wo seine Fiedel geklungen, Da konnte kein Fuß mehr stehn, Da sprangen die Alten und Jungen, Die Stube fing an zu drehn.
Wann ihm das Schweben und Schwingen Im Herzen gar wohl gefiel, Dann hub er an zu singen, Zu jauchzen mitten im Spiel:
„ O Handwerk sondergleichen Das die edle Fiedel streicht! Da müssen die Sorgen weichen, Die Herzen, die werden leicht Juhe!
Die Herzen, die werden leicht.
Ich weiß von keiner Plage, Mein Weib von keiner Not; In meinem Kalender die Tage, Die Tage sind alle rot Juhe!
Die Tage sind alle rot.
Mein Weib ist wie die Fiedel: Gestimmt bei Tag und Nacht; Sie ist mein fröhlichstes Liedel, Weist Zähne nur, wenn sie lacht Juhe!
Die Zähne nur, wenn sie lacht.
1
Drei Nächte hab' ich den Reigen Geführt im Hochzeithaus; Nun will ich zur Ruh' euch geigen: Bulezt geht alles aus
O weh! Bulezt geht alles aus."
Da zog er heim vom Schmause, Das war sein schwarzer Tag:
Wer fröhlich des Weges gekommen, Dem gönnet ein fröhliches End' So heißt, ihr Leute, der frommen Geigerin Testament.
Der Sarg tam schon gefahren Zum lezten Ruheort;
Da sazte sich auf die Bahren
Der Geiger und sprach kein Wort.
Da spielt er also süße
Walzer auf seiner Truh'
Zu hüpfen begannen die Füße,
Die Augen weinten dazu.
Da spielt er so gewaltsam Dem Trauerzug voraus Der tanzte unaufhaltsam Den Kirchhofweg hinaus.
Müßt nicht so finster schauen, Herr Pfarre! zu diesem Reih'n; Das soll meiner lieben Frauen Ehrenbegräbnis sein.
Nun hat sie gefreit der eine, Der große Fiedelmann, Der alle Sorgen alleine Für immer vergeigen kann."
( Aus der Gesammt- Ausgabe.)